In dieser Studie dient die Auseinandersetzung mit teils kanonisierten, teils vernachlässigten Texten der klassischen Moderne dem Ausloten einer als 'visionär' zu erkennenden poetologischen Tradition, die einerseits auf Elemente einer idealistischen Erinnerungspoetik zu rekurrieren, andererseits sich erst unter den veränderten Vorzeichen neuer geschichtlicher und epochaler Zusammenhänge zu formieren scheint. Zunächst verdeckte Affinitäten zwischen Rilkes und Benjamins beim 'Wiederleisten' der Kindheit ansetzenden Erinnerungspoetiken treten u.a. vor dem Hintergrund von Prousts einflussreicher Erinnerungstheorie zu Tage, wobei die poetologische Bedeutung von neu gelesenen bzw. in neuen Zusammenhängen gelesenen Texten interpretatorisch aufgedeckt wird. Prousts Unterscheidung zwischen 'willkürlichem' und 'unwillkürlichem' Erinnern erweist sich wiederum als aufschlussreich für die Beschäftigung mit Musils dichterisch wie essayistisch exerzierter Erkenntniskritik und der hieraus ableitbaren 'visionären' Poetologie. All den hier aufgespürten Visionen 'dichterischen Mündigwerdens' liegt ein Totalitätsanspruch zu Grunde, der, wie die Aporetik des jeweiligen Telos, der jeweiligen Losungsformel, kritisch reflektiert wird.