Vitruvs De architectura, kurz vor der Zeitenwende geschrieben, gilt als der erste Traktat über Architekturtheorie. Seit seiner Wiederentdeckung in der Renaissance wurde der enigmatische Text immer wieder bearbeitet, verfeinert und umgedeutet. Das vorliegende Buch überspringt die Textexegese und konzentriert sich auf die materielle Geschichte der in ganz Europa verbreiteten Drucke. Es untersucht über hundert Vitruv-Ausgaben von 1486 bis in die Gegenwart und zeichnet die Rolle der gedruckten Seite bei der Etablierung der Autorität des römischen Autors nach.Durch den Fokus auf die Wirkung der physischen Objekte, die den vitruvianischen Kanon verkörpern, wird deutlich, wie sich Buchgeschichte und Architekturgeschichte überschneiden und wie eine symbiotische Beziehung zwischen dem Gedruckten und dem Gebauten entsteht. Das sich daraus ergebende Bild ist das eines Zickzackfadens zwischen Praxis und Theorie, eines schwer zu fassenden Geflechts fruchtbarer Sorglosigkeit in der Architektur.