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Silvio Berlusconis Aufstieg zum mächtigsten Mann Italiens wurde durch einen tief gehenden Kulturwandel ermöglicht. Die Gesellschaft rückte nicht nur nach rechts. Das vom »Cavaliere« angeführte Bündnis baute die Erinnerungskultur immer mehr in ihrem Sinn um. Weshalb konnte der Faschismus im »Bel paese« wieder salonfähig werden? In die gleichermaßen brisante wie brillante Analyse des prominenten Italienkenners Aram Mattioli werden nicht nur Politikerreden, Memoiren, Bestseller und Filme einbezogen, sondern auch Gedenkrituale, Fernsehdiskussionen und die Errichtung von lokalen Denkmälern. Kurz,…mehr

Produktbeschreibung
Silvio Berlusconis Aufstieg zum mächtigsten Mann Italiens wurde durch einen tief gehenden Kulturwandel ermöglicht. Die Gesellschaft rückte nicht nur nach rechts. Das vom »Cavaliere« angeführte Bündnis baute die Erinnerungskultur immer mehr in ihrem Sinn um. Weshalb konnte der Faschismus im »Bel paese« wieder salonfähig werden? In die gleichermaßen brisante wie brillante Analyse des prominenten Italienkenners Aram Mattioli werden nicht nur Politikerreden, Memoiren, Bestseller und Filme einbezogen, sondern auch Gedenkrituale, Fernsehdiskussionen und die Errichtung von lokalen Denkmälern. Kurz, der populistisch und zunehmend illiberal regierende Mailänder Medienmogul hat das Land weit mehr verändert, als selbst informierte ausländische Beobachter meinen. Zur Anomalie des heutigen Italiens gehört, dass der grassierende Geschichtsrevisionismus nur noch von einer Minderheit als Skandal empfunden wird. Eine souveräne und konzise Darstellung des gesellschaftlichen Wandels in Italien von den 1980er Jahren bis in die Gegenwart.
Autorenporträt
Prof. Dr. Aram Mattioli lehrt Neueste Geschichte an der Universität Luzern. In jüngster Zeit machte er sich einen Namen als einer der führenden Faschismusexperten des deutschsprachigen Raums. Seine zeithistorischen Essays erscheinen u.a. in der "Zeit" und in der "Süddeutschen Zeitung".
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.07.2010

Duce hier, Duce dort?
Das Italien von heute und der Faschismus

Wird man einmal von einer "Berlusconi-Epoche" der italienischen Geschichte sprechen? Wohlgemerkt: nicht einfach im Sinne der langen Amtsdauer des Ministerpräsidenten, sondern verstanden als Zeitalter, das unter der Ägide eines Mannes bis in die gesellschaftlichen, kulturellen Tiefenschichten geformt wurde - und, wenn ja, welches wären, von historischer Warte aus betrachtet, die spezifischen Merkmale der "Ära Berlusconi"? Mit Aram Mattioli gibt nun ein Kenner der italienischen Zeitgeschichte eine klare Antwort auf diese Frage, indem er die "Aufwertung des Faschismus" zur Signatur der Epoche erklärt. Der Autor zeigt, in welchem Umfang in Italien seit den neunziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts eine geschichtspolitische Neuausrichtung stattgefunden hat, deren Dynamik Berlusconi mit strategischem Geschick sowohl zu nutzen als auch zu fördern wusste.

Die italienische Republik, die nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden war, hatte aus der institutionell gehegten Behauptung eines breiten antifaschistischen Konsenses ihre Legitimation und Leitwerte geschöpft, allerdings um den Preis, die radikale Rechte dauerhaft ins moralische und politische Abseits zu stellen, wo diese eine komfortable Nostalgiepflege betrieb. Zu Berlusconis Projekt gehörte es nun, wie der Autor plausibel darlegt, den sich seit den späten achtziger Jahren abzeichnenden Bruch dieser Ordnung mitzutragen. Die Grenzen des öffentlich Sagbaren und politisch Korrekten wurden neu vermessen. Der Mailänder Großunternehmer machte die vom Faschismus herkommende Rechte parteipolitisch salon- und regierungsfähig - ein Prozess, der von einer neuartigen Erinnerungskultur im Zeichen jenes Revisionismus flankiert wurde, den Mattioli mit guten Gründen als Hauptachse des italienischen Sonderwegs innerhalb der westeuropäischen Staatenwelt bezeichnet. Seine Studie untersucht die Symptome der auf diese Weise angebahnten "Normalisierung" des Faschismus: von dessen wissenschaftlicher Enttabuisierung bis zur programmatischen Rehabilitierung "alter Kämpfer", von der Umdeutung nationaler Gedenktage bis zur Polemik gegenüber Schulbüchern, denen die einseitige Verherrlichung des antifaschistischen Widerstands vorgeworfen wurde. Sie tut dies angenehm sachlich, ohne Lust am Berlusconi-"Bashing", das vielfach, aber meist ohne Erkenntnisgewinn von Italien-Beobachtern gepflegt wird.

Mattiolis Analyse des Umgangs der italienischen Gesellschaft mit dem Faschismus macht die ungeheure Gegenwart dieser Vergangenheit deutlich, die nicht vergeht und auch gar nicht vergehen soll, weil ihr Fortleben politischen und medialen Profit verspricht. Das Bild, das der Autor zeichnet, erzählt von uralten, in den Jahrzehnten nach 1945 offenbar nur oberflächlich geheilten Konflikten um die Deutung der Rolle des Faschismus für die Identität des heutigen Italien. Gerade der Verzicht auf den empörten Skandalton macht aus seiner Darstellung die kritisch-sympathetische Zeitdiagnose einer zerrissenen Gesellschaft, deren Schwierigkeit mit der eigenen Geschichte weit über den Faschismus zurückreicht, wie die politisch aufgeheizten Auseinandersetzungen um die passende Form des Gedenkens an die Gründung des italienischen Nationalstaates zeigen, dessen 150. Geburtstag im kommenden Jahr ansteht.

CHRISTIANE LIERMANN

Aram Mattioli: "Viva Mussolini!" Die Aufwertung des Faschismus im Italien Berlusconis. Schöningh Verlag, Paderborn 2010. 204 S., 19,90 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Wie spricht das öffentliche Italien heute über seine faschistische Vergangenheit? Im Buch des Basler Historikers Aram Mattioli, das für Henning Klüver gerade zu richtigen Zeit erscheint, findet der Rezensent Antworten. Es steht nicht gut um Italiens Erinnerungskultur, das lernt Klüver hier schnell, die "revisionistische Normalität", so die These des Autors, hat sich durchgesetzt. Mattiolis Untersuchung möglicher Ursachen dafür vermag der Rezensent nur wenig entgegenzusetzen (die Rolle Gianfranco Finis etwa sieht er anders): Der Widerstand gegen den revisionistischen Erinnerungsdiskurs, muss er eingestehen, bleibt im derzeitigen kulturellen Klima Italiens tatsächlich "blass". Um so mehr gilt die Achtung des Rezensenten diesem "leidenschaftlich" geschriebenen Buch und einem Autor, der seine Meinung sagt.

© Perlentaucher Medien GmbH