Vivian Maiers Werk gehört zu den großen fotografischen Entdeckungen des letzten Jahrzehnts. Es war ein Zufall, dass John Maloof 2007 bei einer Auktion einen Teil ihres Bildarchivs ersteigerte und bald die Bedeutung seines Fundes erkannte. Vivian Maier hat das alles nicht mehr erlebt und sie war
selber auch nie von ihren fotografischen Fähigkeiten überzeugt. 100 000 Negative sind erhalten, Tausende…mehrVivian Maiers Werk gehört zu den großen fotografischen Entdeckungen des letzten Jahrzehnts. Es war ein Zufall, dass John Maloof 2007 bei einer Auktion einen Teil ihres Bildarchivs ersteigerte und bald die Bedeutung seines Fundes erkannte. Vivian Maier hat das alles nicht mehr erlebt und sie war selber auch nie von ihren fotografischen Fähigkeiten überzeugt. 100 000 Negative sind erhalten, Tausende Filmrollen waren noch unentwickelt, als Maloof damit begann, einzelne Bilder auf Flickr zu veröffentlichen. Der Rest ist Geschichte. Der Hype um Vivian Maier ist seitdem ungebrochen und John Maloof ist heute sogar Oscar-Preisträger für seinen Dokumentarfilm „Finding Vivian Maier“.
Das erste über sie erschienene Buch war im Jahr 2011 „Vivian Maier – Street Photographer“ mit einer Auswahl an s/w-Aufnahmen, die auch im Rahmen einer Ausstellung gezeigt wurden. „Vivian Maier – A Photographer Found“ (so der englische Originaltitel des vorliegenden Bandes) erschien erstmals 2014 und ist wesentlich breiter aufgestellt, nicht nur in Bezug auf die Anzahl der Fotos, sondern auch im Hinblick auf die Hintergrundinformationen. Die unglaubliche Entdeckungsgeschichte ist spannend wie ein Krimi (nicht umsonst gab es dafür einen Oscar), die Fotos sind sensationell und dank einer vertieften Recherche sind sie in diesem Band auch meistens datiert und mit einer Ortsangabe versehen. Das „Gefühl“ für die Zeit, das in „Vivian Maier – Street Photographer“ noch das Wissen ersetzen musste, wird hier durch Fakten bestätigt.
Vivian Maier konnte unsere Sehgewohnheiten nicht prägen, weil sie ihre Fotos kaum jemandem gezeigt hat und doch sprechen sie uns sofort an und begeistern durch Qualität und Originalität. Sie sind stiltypisch für die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts. Nicht selten nahm Vivian Maier aber Entwicklungen vorweg, die erst später Mainstream wurden, was sicher daran lag, dass sie über die zeitgenössische Fotografie bestens informiert war. Sie arbeitete keineswegs im luftleeren Raum oder ohne Vorbilder. Ihre Motive wirken durchkomponiert bis in Details, dabei sind sie völlig spontan entstanden. Momentaufnahmen, die Stimmungen und Geschichten einfangen, mit Humor erzählt und von einer bewundernswerten technischen Materialbeherrschung. Im vorliegenden Band finden sich neben den herausragenden schwarz-weißen auch einige farbige Fotografien, die Vivian Maier mit ihren begrenzten Mitteln nicht mehr selbst entwickeln konnte. Sie erreichen zwar meistens nicht mehr das Niveau der frühen Arbeiten, sind aber dennoch eindrucksvolle Zeitzeugnisse.
Der ausdrucksstarke und scharfe Duoton-Druck reicht qualitativ fast an Originalabzüge heran, das Papier ist matt glänzend und unterstützt diesen Eindruck. Zusammen mit dem großzügigen Layout ist „Vivian Maier“ ein würdiges Denkmal für eine Frau, die sich ihres Talentes nie sicher war. Posthum hat sie bleibende Spuren hinterlassen. Wäre sie mutiger und vernetzter gewesen, hätte sie auch zu Lebzeiten schon die Bedeutung gehabt, die man ihr heute zu Recht gibt.
(Dieses Buch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)