Teenager zu sein ist nie einfach.
Nicht für Umweltschützerin Charly, nicht für den syrischen Flüchtlingsjungen Hamid und auch nicht für Benny, dessen Opa im Sterben liegt. Zum Abschied gibt der seinem Enkel einen Davidstern, und erst als Benny den öffentlich trägt, wird allen bewusst, dass er Jude ist. Und Hamid ist Moslem! Schlagartig sprudeln aus den Jugendlichen die tradierten Ressentiments der Erwachsenenwelt - aber die drei kämpfen um ihre Freundschaft.
Andreas Steinhöfels Protagonist_innen sind nicht nur unglaublich liebenswert, sondern auch durchaus kompliziert - und haben ihre ganz eigene Art, damit umzugehen. Während das Publikum die Geschichte in der gleichnamigen TV-Serie hauptsächlich aus Hamids Perspektive erfährt, wird diese Geschichte aus Charlys Sicht von Andreas Steinhöfel erzählt und von Melanie Garanin gezeichnet und verleiht ihr damit eine weitere Facette.
Nicht für Umweltschützerin Charly, nicht für den syrischen Flüchtlingsjungen Hamid und auch nicht für Benny, dessen Opa im Sterben liegt. Zum Abschied gibt der seinem Enkel einen Davidstern, und erst als Benny den öffentlich trägt, wird allen bewusst, dass er Jude ist. Und Hamid ist Moslem! Schlagartig sprudeln aus den Jugendlichen die tradierten Ressentiments der Erwachsenenwelt - aber die drei kämpfen um ihre Freundschaft.
Andreas Steinhöfels Protagonist_innen sind nicht nur unglaublich liebenswert, sondern auch durchaus kompliziert - und haben ihre ganz eigene Art, damit umzugehen. Während das Publikum die Geschichte in der gleichnamigen TV-Serie hauptsächlich aus Hamids Perspektive erfährt, wird diese Geschichte aus Charlys Sicht von Andreas Steinhöfel erzählt und von Melanie Garanin gezeichnet und verleiht ihr damit eine weitere Facette.
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Rezensent Christoph Haas ist rundum begeistert von Andreas Steinhöfels Geschichte, die die Illustratorin Melanie Garanin in einen "luftig" gestalteten Comic verwandelt hat. Es geht um nicht weniger als um "innermigrantische Konflikte" unter Teenagern, meint Haas. Wie Steinhöfel das Thema umsetzt, indem er von drei Freunden und ihren Problemen erzählt, findet Haas stark und differenziert bis in die Nebenfiguren. Spannend ist der Comic auch noch, versichert Haas, da der Autor ein Detektiv-Motiv einbaut.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.06.2022Comic statt Fernsehen
Andreas Steinhöfels "Völlig meschugge?!"
Dass Andreas Steinhöfel ein begnadeter Erzähler ist, wird seit Jahren in den unterschiedlichsten Medien beglaubigt: mit Büchern natürlich und Hörbüchern, im Kino, auch im Fernsehen, etwa mit der von ihm konzipierten und gemeinsam mit Klaus Döring und Adrian Bickenbach geschriebenen Miniserie "Völlig meschugge?!", die vor Kurzem im Kika gelaufen ist. Und wie steht es um Comics? Auch da ist Steinhöfel als Autor vertreten, denn Peter Schössows Illustrationen zu seinen "Rico & Oskar"-Kinderromanen haben die Vorlagen zu einigen Comics abgegeben, die allerdings nicht mehr als nur ein weiteres Nebenprodukt der vielfach verwerteten Erfolgsserie waren. Eigens neu geschrieben hatte Steinhöfel sie nicht.
Nun aber gibt es einen Steinhöfel-Comic, der auf den ersten Blick wieder wie Zweitverwertung aussieht, aber viel mehr ist. "Völlig meschugge?!" bedient sich zwar der Handlung der sechsteiligen Kika-Serie, bietet jedoch einen vertieften Blick auf die labile Freundschaft zwischen Charly, Hamid und Benny, drei Zwölfjährigen aus einer ungenannten Kleinstadt, die sich im Laufe des Geschehens erst entfremden und dann zusammenraufen.
Das klingt nicht ungewöhnlich für dieses Alter, aber Steinhöfel pflegt wie jeder versierte Jugendbuchautor in seinen Geschichten größere Themen zu bearbeiten - man könnte auch sagen: erwachsene. Kinder lesen gerne über ihr Alter hinaus, wollen herausgefordert werden durch Fragen, die sie noch eher instinktiv als aus Lebenserfahrung heraus angehen. Im Falle von "Völlig meschugge?!" ist es das Phänomen des Antisemitismus. Benny erfährt durch den Tod seines Opas, dass seine Familie jüdisch ist; zuvor war ihm das von den Eltern aus Angst vor Gerede verschwiegen worden. Bennys unfreiwillig neugewonnene Identität verstört Hamid, der als Kind einer muslimischen Familie mit Vorbehalten gegen Israel aufgewachsen ist, die er nun auf den Freund überträgt. Was wiederum Charly nicht begreifen kann, deren Vermittlungsversuche von beiden Jungen als unerwünschte Einmischung eines Mädchens angesehen werden, die als "normale" Deutsche keine der beiden Seiten verstehen könne. Und um dieses Zentrum seiner Geschichte hat Steinhöfel ein Netz aus familiären und schulischen Beziehungen gewebt, die alles noch komplizierter machen. Viel Stoff für gerade mal zweieinhalb Stunden Fernsehen. Fast dreihundert Seiten Comic bieten da mehr erzählerische Möglichkeiten.
Und Melanie Garanin als Zeichnerin nutzt sie weidlich. Gerade auch formal. Was sie da anstellt, sieht man in deutschen Comics selten: ständig wechselnde Seitenarchitekturen, metafiktionale Einschübe, ja selbst eine Formatänderung, als sich das Geschehen kurzfristig in ein Höhlensystem verlagert - "Tom Sawyer" lässt grüßen und wird auch aus dem Comic zurückgegrüßt -, weshalb Garanin plötzlich ihre Bilder um neunzig Grad kippen lässt, damit man das aufgeklappte Buch hochkant lesen und die Tiefe des Abgrunds empfinden kann. Man stelle sich vor, das geschähe auf einem Fernsehbildschirm. Bücher bieten durch solche Handhabbarkeit klare Vorteile.
Zudem knüpft Garanin stilistisch an so wunderbare Vorbilder wie Anke Kuhl oder Mawil an: In Deutschland triumphiert gerade eine spezifisch cartooneske Comicästhetik für Kinder. Aber auch Manga-Kids werden ihren Spaß haben, denn Hamid zeigt als begabter Zeichner sein Innenleben in Mangasequenzen. Dafür hat Garanin den einschlägig kompetenten Kollegen David Füleki als Ko-Zeichner gewonnen: Comic im Comic. Großartig. ANDREAS PLATTHAUS
Andreas Steinhöfel, Melanie Garanin: "Völlig meschugge?!"
Carlsen Verlag, Hamburg 2022. 288 S., geb., 20,- Euro. Ab 10 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Andreas Steinhöfels "Völlig meschugge?!"
Dass Andreas Steinhöfel ein begnadeter Erzähler ist, wird seit Jahren in den unterschiedlichsten Medien beglaubigt: mit Büchern natürlich und Hörbüchern, im Kino, auch im Fernsehen, etwa mit der von ihm konzipierten und gemeinsam mit Klaus Döring und Adrian Bickenbach geschriebenen Miniserie "Völlig meschugge?!", die vor Kurzem im Kika gelaufen ist. Und wie steht es um Comics? Auch da ist Steinhöfel als Autor vertreten, denn Peter Schössows Illustrationen zu seinen "Rico & Oskar"-Kinderromanen haben die Vorlagen zu einigen Comics abgegeben, die allerdings nicht mehr als nur ein weiteres Nebenprodukt der vielfach verwerteten Erfolgsserie waren. Eigens neu geschrieben hatte Steinhöfel sie nicht.
Nun aber gibt es einen Steinhöfel-Comic, der auf den ersten Blick wieder wie Zweitverwertung aussieht, aber viel mehr ist. "Völlig meschugge?!" bedient sich zwar der Handlung der sechsteiligen Kika-Serie, bietet jedoch einen vertieften Blick auf die labile Freundschaft zwischen Charly, Hamid und Benny, drei Zwölfjährigen aus einer ungenannten Kleinstadt, die sich im Laufe des Geschehens erst entfremden und dann zusammenraufen.
Das klingt nicht ungewöhnlich für dieses Alter, aber Steinhöfel pflegt wie jeder versierte Jugendbuchautor in seinen Geschichten größere Themen zu bearbeiten - man könnte auch sagen: erwachsene. Kinder lesen gerne über ihr Alter hinaus, wollen herausgefordert werden durch Fragen, die sie noch eher instinktiv als aus Lebenserfahrung heraus angehen. Im Falle von "Völlig meschugge?!" ist es das Phänomen des Antisemitismus. Benny erfährt durch den Tod seines Opas, dass seine Familie jüdisch ist; zuvor war ihm das von den Eltern aus Angst vor Gerede verschwiegen worden. Bennys unfreiwillig neugewonnene Identität verstört Hamid, der als Kind einer muslimischen Familie mit Vorbehalten gegen Israel aufgewachsen ist, die er nun auf den Freund überträgt. Was wiederum Charly nicht begreifen kann, deren Vermittlungsversuche von beiden Jungen als unerwünschte Einmischung eines Mädchens angesehen werden, die als "normale" Deutsche keine der beiden Seiten verstehen könne. Und um dieses Zentrum seiner Geschichte hat Steinhöfel ein Netz aus familiären und schulischen Beziehungen gewebt, die alles noch komplizierter machen. Viel Stoff für gerade mal zweieinhalb Stunden Fernsehen. Fast dreihundert Seiten Comic bieten da mehr erzählerische Möglichkeiten.
Und Melanie Garanin als Zeichnerin nutzt sie weidlich. Gerade auch formal. Was sie da anstellt, sieht man in deutschen Comics selten: ständig wechselnde Seitenarchitekturen, metafiktionale Einschübe, ja selbst eine Formatänderung, als sich das Geschehen kurzfristig in ein Höhlensystem verlagert - "Tom Sawyer" lässt grüßen und wird auch aus dem Comic zurückgegrüßt -, weshalb Garanin plötzlich ihre Bilder um neunzig Grad kippen lässt, damit man das aufgeklappte Buch hochkant lesen und die Tiefe des Abgrunds empfinden kann. Man stelle sich vor, das geschähe auf einem Fernsehbildschirm. Bücher bieten durch solche Handhabbarkeit klare Vorteile.
Zudem knüpft Garanin stilistisch an so wunderbare Vorbilder wie Anke Kuhl oder Mawil an: In Deutschland triumphiert gerade eine spezifisch cartooneske Comicästhetik für Kinder. Aber auch Manga-Kids werden ihren Spaß haben, denn Hamid zeigt als begabter Zeichner sein Innenleben in Mangasequenzen. Dafür hat Garanin den einschlägig kompetenten Kollegen David Füleki als Ko-Zeichner gewonnen: Comic im Comic. Großartig. ANDREAS PLATTHAUS
Andreas Steinhöfel, Melanie Garanin: "Völlig meschugge?!"
Carlsen Verlag, Hamburg 2022. 288 S., geb., 20,- Euro. Ab 10 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 29.07.2022Ohne Scheuklappen
Andreas Steinhöfels Comic zur Fremdenfeindlichkeit
Antisemitismus islamischer Migranten, innermigrantische Konflikte zwischen Säkularen und Frommen, Fremdenfeindlichkeit „biodeutscher“ Jugendlicher – das sind schwierige Themen, erst recht in einem Comic für junge Leser. In „Völlig meschugge?!“ gelingt es Andreas Steinhöfel, davon nicht nur ohne Scheuklappen, sondern auf spannende und sogar lustige Weise zu erzählen.
Charlotte, genannt Charlie, ungefähr
13 Jahre alt, ist Umweltaktivistin und überzeugte Vegetarierin. Zusammen mit ihren Freunden Benny und Hamid, einem syrischen Flüchtling, bildet sie ein unzertrennliches Trio, egal ob es um das Basteln an einer großen Modelleisenbahnstrecke oder das Erkunden der Natur am Stadtrand geht. Dann jedoch beginnt Benny, eine Kette mit Davidstern zu tragen, die er von seinem Opa geerbt hat. Sein Freund, ein Jude – das ist für Hamid ein Schock. Gleichzeitig fangen Lennart, ein übler Mitschüler, und seine Gang an, Benny zu verfolgen; von antisemitischen Sprüchen ist es nicht weit zu physischer Gewalt.
Wer anderen das Leben schwer macht, wurde möglicherweise zuvor selbst verletzt. Da ist etwa Raduan, Hamids älterer Bruder, der gerne den Nachwuchsmacho gibt. Die Flucht hat ihn wohl traumatisiert; das erklärt zum Teil sein Verhalten, dient aber nicht dazu, ihn zu entschuldigen. Auch Nebenfiguren konstruiert Steinhöfel differenziert. Geschickt ist zudem das für Kinder- und Jugendliteratur typische Detektiv-Motiv eingeflochten: Charlie bemüht sich nebenbei, Handydiebstähle an ihrer Schule aufzuklären, als deren Täter Hamid verdächtigt wird.
„Völlig meschugge?!“ beruht auf einem Drehbuch, das Steinhöfel für einen von Kika ausgestrahlten Film geschrieben hat. Die Illustratorin Melanie Garanin erfindet ihn in humoristischen Zeichnungen neu, unter Verzicht auf Sprechblasen und Reihungen gerahmter Panels. Von der Icherzählerin Charlie geleitet, wandert man beim Lesen durch einen locker und luftig gestalteten Comic. Die Mobilität, den Bewegungsdrang ihrer Protagonisten fängt Garanin sehr schön mit dicht nebeneinanderliegenden Einzelbildern ein oder dadurch, dass die Darstellung von Abläufen sich mitunter über Doppelseiten erstreckt. (ab 12 Jahre)
CHRISTOPH HAAS
Die Mobilität ihrer
Protagonisten fängt
Melanie Garanin sehr schön ein
Andreas Steinhöfel:
Völlig meschugge?!
Mit Illustrationen
von Melanie Garanin.
(Der Comic zur
TV-Serie)
288 Seiten, 20 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Andreas Steinhöfels Comic zur Fremdenfeindlichkeit
Antisemitismus islamischer Migranten, innermigrantische Konflikte zwischen Säkularen und Frommen, Fremdenfeindlichkeit „biodeutscher“ Jugendlicher – das sind schwierige Themen, erst recht in einem Comic für junge Leser. In „Völlig meschugge?!“ gelingt es Andreas Steinhöfel, davon nicht nur ohne Scheuklappen, sondern auf spannende und sogar lustige Weise zu erzählen.
Charlotte, genannt Charlie, ungefähr
13 Jahre alt, ist Umweltaktivistin und überzeugte Vegetarierin. Zusammen mit ihren Freunden Benny und Hamid, einem syrischen Flüchtling, bildet sie ein unzertrennliches Trio, egal ob es um das Basteln an einer großen Modelleisenbahnstrecke oder das Erkunden der Natur am Stadtrand geht. Dann jedoch beginnt Benny, eine Kette mit Davidstern zu tragen, die er von seinem Opa geerbt hat. Sein Freund, ein Jude – das ist für Hamid ein Schock. Gleichzeitig fangen Lennart, ein übler Mitschüler, und seine Gang an, Benny zu verfolgen; von antisemitischen Sprüchen ist es nicht weit zu physischer Gewalt.
Wer anderen das Leben schwer macht, wurde möglicherweise zuvor selbst verletzt. Da ist etwa Raduan, Hamids älterer Bruder, der gerne den Nachwuchsmacho gibt. Die Flucht hat ihn wohl traumatisiert; das erklärt zum Teil sein Verhalten, dient aber nicht dazu, ihn zu entschuldigen. Auch Nebenfiguren konstruiert Steinhöfel differenziert. Geschickt ist zudem das für Kinder- und Jugendliteratur typische Detektiv-Motiv eingeflochten: Charlie bemüht sich nebenbei, Handydiebstähle an ihrer Schule aufzuklären, als deren Täter Hamid verdächtigt wird.
„Völlig meschugge?!“ beruht auf einem Drehbuch, das Steinhöfel für einen von Kika ausgestrahlten Film geschrieben hat. Die Illustratorin Melanie Garanin erfindet ihn in humoristischen Zeichnungen neu, unter Verzicht auf Sprechblasen und Reihungen gerahmter Panels. Von der Icherzählerin Charlie geleitet, wandert man beim Lesen durch einen locker und luftig gestalteten Comic. Die Mobilität, den Bewegungsdrang ihrer Protagonisten fängt Garanin sehr schön mit dicht nebeneinanderliegenden Einzelbildern ein oder dadurch, dass die Darstellung von Abläufen sich mitunter über Doppelseiten erstreckt. (ab 12 Jahre)
CHRISTOPH HAAS
Die Mobilität ihrer
Protagonisten fängt
Melanie Garanin sehr schön ein
Andreas Steinhöfel:
Völlig meschugge?!
Mit Illustrationen
von Melanie Garanin.
(Der Comic zur
TV-Serie)
288 Seiten, 20 Euro.
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"Vielmehr nähern sie sich sensibel der Thematik und setzen so auch neue Akzente" Deutsche Akademie für Kinder- und Jugendliteratur 20240710