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Über die positive bzw. negative Stimmung der Deutschen während des Zweiten Weltkrieges ist bislang nur spekuliert worden. Da für die fragliche Zeit keine demoskopischen Untersuchungen vorliegen, wird in dem Buch anhand konkreter Indikatoren historische Demoskopie betrieben mit dem Ziel, das Politbarometer für die Jahre 1939 bis 1945 zu rekonstruieren. Das geschieht mithilfe von Texten in Todesanzeigen für gefallene Soldaten: Wurde "der Führer" genannt oder hieß es darin nur "... gefallen für Volk und Vaterland"? Ferner wurde ermittelt, wie oft die Deutschen die Vornamen Adolf, Horst und…mehr

Produktbeschreibung
Über die positive bzw. negative Stimmung der Deutschen während des Zweiten Weltkrieges ist bislang nur spekuliert worden. Da für die fragliche Zeit keine demoskopischen Untersuchungen vorliegen, wird in dem Buch anhand konkreter Indikatoren historische Demoskopie betrieben mit dem Ziel, das Politbarometer für die Jahre 1939 bis 1945 zu rekonstruieren.
Das geschieht mithilfe von Texten in Todesanzeigen für gefallene Soldaten: Wurde "der Führer" genannt oder hieß es darin nur "... gefallen für Volk und Vaterland"? Ferner wurde ermittelt, wie oft die Deutschen die Vornamen Adolf, Horst und Hermann vergaben. Als Indikator für Skepsis bzw. Führervertrauen eignet sich außerdem die Statistik der Kirchenaustritte. Die vom Volksgerichtshof gegen arische Deutsche verhängten Todesurteile stehen exemplarisch für das Anwachsen des inneren Terrors. Und schließlich wird die Entwicklung der materiellen Situation am Zuwachs von Spareinlangen gemessen, an den Neuabschlüssen von Lebensversicherungen und an der Verpfändung von Wertstücken in städtischen Pfandhäusern.
Diese Indikatoren erlauben es, tiefenscharfe Aussagen über die mentale und ökonomische Stimmung der "Volksgenossen" zu erhalten.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Autorenporträt
Götz Aly ist Historiker und Journalist. Er arbeitete für die 'taz', die 'Berliner Zeitung' und als Gastprofessor. Seine Bücher werden in viele Sprachen übersetzt. 2002 erhielt er den Heinrich-Mann-Preis, 2003 den Marion-Samuel-Preis, 2012 den Ludwig-Börne-Preis. Bei S. Fischer erschienen von ihm u.a. 2011 'Warum die Deutschen? Warum die Juden? Gleichheit, Neid und Rassenhass 1800-1933' sowie 2013 'Die Belasteten. ¿Euthanasie¿ 1939-1945. Eine Gesellschaftsgeschichte'. Im Februar 2017 erschien seine große Studie über die europäische Geschichte von Antisemitismus und Holocaust 'Europa gegen die Juden 1880-1945'. Für dieses Buch erhielt er 2018 den Geschwister-Scholl-Preis. Literaturpreise: Heinrich-Mann-Preis für Essayistik der Akademie der Künste Berlin 2002 Marion-Samuel-Preis 2003 Bundesverdienstkreuz am Bande 2007 National Jewish Book Award, USA 2007 Ludwig-Börne-Preis 2012 Estrongo Nachama Preis für Zivilcourage und Toleranz 2018 Geschwister-Scholl-Preis 2018 Götz Aly ist Historiker und Journalist. Er arbeitete für die 'taz', die 'Berliner Zeitung' und als Gastprofessor. Seine Bücher werden in viele Sprachen übersetzt. 2002 erhielt er den Heinrich-Mann-Preis, 2003 den Marion-Samuel-Preis, 2012 den Ludwig-Börne-Preis. Bei S. Fischer erschienen von ihm u.a. 2011 'Warum die Deutschen? Warum die Juden? Gleichheit, Neid und Rassenhass 1800-1933' sowie 2013 'Die Belasteten. ¿Euthanasie¿ 1939-1945. Eine Gesellschaftsgeschichte'. Im Februar 2017 erschien seine große Studie über die europäische Geschichte von Antisemitismus und Holocaust 'Europa gegen die Juden 1880-1945'. Für dieses Buch erhielt er 2018 den Geschwister-Scholl-Preis. Literaturpreise: Heinrich-Mann-Preis für Essayistik der Akademie der Künste Berlin 2002 Marion-Samuel-Preis 2003 Bundesverdienstkreuz am Bande 2007 National Jewish Book Award, USA 2007 Ludwig-Börne-Preis 2012 Estrongo Nachama Preis für Zivilcourage und Toleranz 2018 Geschwister-Scholl-Preis 2018
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.05.2007

Das Tief Adolf
Mit Kriegsbeginn 1939 änderte sich die Stimmung im "Dritten Reich"

In den letzten Jahrzehnten sind mehrere Publikationen zur geheimen Berichterstattung der Überwachungsorgane im "Dritten Reich" erschienen, darunter vor allem die 1965 von Heinz Boberach herausgegebenen "Meldungen aus dem Reich" des Sicherheitsdienstes (SD) der SS und die 2004 erschienene Edition "Die Juden in den geheimen NS-Stimmungsberichten 1933-1945" von Otto Dov Kulka und Eberhard Jäckel. Meinungsforschungsinstitute waren in Deutschland vor 1945 fremd, demoskopische Umfragen und deren Veröffentlichung im gleichgeschalteten "Dritten Reich" außerdem nicht erwünscht. Da die nationalsozialistischen Machthaber gleichwohl verlässliche Informationen über die Stimmung in der Bevölkerung gewinnen wollten, hatten neben der Gestapo und dem SD auch die regionalen Verwaltungsbehörden regelmäßig und unabhängig voneinander Lageoder Stimmungsberichte abzufassen, die teilweise in die "Meldungen aus dem Reich" einflossen. Diese Berichte unterlagen zwar der Geheimhaltung, spiegeln aber dadurch noch nicht die tatsächlichen Stimmungslagen der Deutschen wider.

Aussagen in politischen Lageberichten aus der NS-Zeit erfordern grundsätzlich quellenkritische Vorbehalte, zumal dann, wenn darin zu brisanten oder umstrittenen Vorgängen Stellung genommen wird. Sei es, dass die Verfasser den Berichtstenor an der Erwartungshaltung ihrer vorgesetzten Empfänger orientierten oder die weltanschauliche Überzeugungstreue der Bevölkerung in ihren Beobachtungen günstiger darstellten, als sie tatsächlich waren, um ihr eigenes Wirken in einem vorteilhaften Licht erscheinen zu lassen. Tatsache ist, dass Lageberichte der Polizei- und Verwaltungsbehörden für sich allein genommen nur begrenzten Erkenntniswert besitzen. Vor diesem Hintergrund erscheinen die von Götz Aly herausgegebenen Studien zu des " Volkes Stimme" beachtenswert, weil sie neue Fragestellungen mit unkonventionellen Forschungsansätzen verknüpfen. Aly hat anhand ausgewählter Indikatoren historische Demoskopie betrieben, um ein "empirisch fundiertes Politbarometer für das Dritte Reich" vorzulegen. Dazu benutzten er und seine Mitautoren "leicht greifbare Datenreihen", die als "numerisch erstarrte Ausflüsse der damaligen politischen Stimmungslagen" anzusehen waren: (1) Nationalsozialistische Vornamen. Untersucht wurde die Häufigkeit der stark politisierten Vornamen Adolf, Horst und Hermann für die Geburtsjahrgänge 1932 bis 1945. (2) Kirchenaustritte. Deren Relevanz begründe sich durch die Annahme, dass selbst relativ loyale Parteigänger der NSDAP den individuellen Kirchenaustritt vom vermuteten Erfolg der nationalsozialistischen Herrschaft abhängig machten. (3) Todesanzeigen für gefallene Soldaten. Beobachtet wurden Anzeigen in der parteiunabhängigen Frankfurter Zeitung und im nationalsozialistisch geprägten Frankfurter Volksblatt, unterschieden nach den Varianten ". . . gefallen für Führer, Volk und Vaterland", " . . . gefallen für Volk und Vaterland" und bis zum Verzicht auf jedwede patriotische Formel. (4) Sparverhalten, das neben materiellen Erwägungen auch ein gewisses Maß an Zukunftsvertrauen in das Regime einschließt.

Für die sechs Vorkriegsjahre ergab sich ein relativ gleichbleibendes Stimmungsbild mit einem deutlichen Hoch von 1937 bis zum Frühjahr 1939. Die ideologisch motivierte Namensvergabe nach den "Vorbildern" Adolf (Hitler), Horst (Wessel) und Hermann (Göring) war im gesamten Beobachtungszeitraum rückläufig, besonders deutlich nach 1939. Die Kirchenaustritte gingen im Winter 1939/1940, das heißt nach Kriegsbeginn, um mehr als 60 Prozent zurück. Der Anteil nationalsozialistisch gefärbter Todesanzeigen nahm seit 1941 kontinuierlich ab: Im 3. Quartal 1941, also mit Beginn des Russlandfeldzugs, erwiesen nur noch 50 Prozent der Angehörigen von gefallenen Soldaten im Frankfurter Volksblatt dem "Führer" die Ehre, zuvor waren es noch 90 Prozent. In der Frankfurter Zeitung fiel die "Führer-Quote" vom 3. zum 4. Quartal 1941 von 36 auf 16 Prozent. Das Vertrauen in die eigene finanzielle Zukunft verloren die meisten Deutschen sukzessive von 1942 an. Auch das 1942 eingeführte "Eiserne Sparen" ging kontinuierlich zurück.

Das Ergebnis aller Einzelstudien lautet: "Die ideologisch motivierte Loyalität zum NS-Staat nahm seit dem Überfall auf Polen 1939 deutlich ab; sie erholte sich nach dem siegreichen Frankreichfeldzug nur unwesentlich; mit dem Beginn des Krieges gegen die Sowjetunion im Sommer 1941 setzte ein zweiter, bald dramatischer Schwund ein. Dennoch konnte das NS-System seine innere Stabilität noch für eine kurze, aus der Perspektive der Opfer jedoch entsetzlich lange Zeit wahren." Zusammenfassend nimmt Aly für sich in Anspruch, dass die indirekte Messung von "Stimmung" mittels heterogener Indikatoren sich als "viel geeigneter" erwiesen habe als die inhaltsanalytische Bearbeitung der "Stimmungs-Berichte" und Feldpostbriefe in den bislang vorliegenden Untersuchungen. Mithin, so schlussfolgert er, könne nicht mehr behauptet werden, dass die "erfolgreichen Blitzkriege gegen Polen und Frankreich" den Führermythos mit ungeahnter Kraft verstärkt hätten. Ebensowenig bestätige sich die Annahme, dass Hitler "die große Mehrheit" des deutschen Volkes bis 1943 "hinter sich" gehabt hätte. Diese Ergebnisse erscheinen insofern bemerkenswert, als sie bisherigen Erkenntnissen der zeitgeschichtlichen Forschung widersprechen. Gleichwohl sind weitergehende Kontrollstudien erforderlich, etwa zu Parteibeitritten zwischen 1939 und 1942, die von Aly und seinem Mitarbeiterstab nicht vorgenommen worden sind.

HANS-JÜRGEN DÖSCHER.

Götz Aly (Herausgeber): Volkes Stimme. Skepsis und Führervertrauen im Nationalsozialismus. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2006. 224 S., 12,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Ungewöhnlich, aber aufschlussreich und spannend scheint Alexander Jürgs dieser Band über die Stimmungslage der deutschen Bevölkerung während des Nationalsozialismus, den Götz Aly herausgegeben hat. Der Ansatz des Bands, anhand indirekter alltäglicher Indikatoren ein verlässliches Bild von Skepsis gegenüber beziehunsgweise Vertrauen in den Führer zu zeichnen, hält er für "außerordentlich wertvoll", auch weil er der historischen Forschung neue Wege eröffnet. Bemerkenswert findet er etwa den Beitrag über die Beliebtheit des Namens Adolf, die seit Kriegsbeginn 1939 rapide abnahm. Daneben hebt er die Untersuchung von Todesanzeigen in der Parteizeitung Frankfurter Volksblatt und in der bürgerlichen Frankfurter Zeitung hervor, die einen steten Rückgang der Kriegszuversicht verdeutlichen. Instruktiv scheint ihm auch die Entwicklung bei den Kirchenaustritten, die nach 1936 auffällig und ab 1942 deutlich abebbte. Auch wenn Jürgs nicht alle Artikel in gleicher Weise überzeugen, würdigt er den Band insgesamt als einen wichtigen Beitrag zur Erforschung des Nationalsozialismus.

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