Die dunkle Seite der Macht
Michael Sommer erweckt eines der turbulentesten Kapitel der römischen Geschichte zum Leben: skupellose Politiker wie Caesar, Pompeius und Clodius, Bandenkriege und Tabubrüche. Er zeigt das alte Rom als aufregend-verstörendes Laboratorium, an dem sich paradigmatisch für alle Epochen zeigen lässt, wie »Populismus« politische Gewalt gebiert und wie Verführung genutzt wird, um eine bestehende Ordnung zu stürzen.
Wie treibt man eine Republik in den Ruin? Mit welchen Mitteln kann man eine politische Elite zwingen, dass sie kampflos ihre Positionen und die von ihr getragene Ordnung preisgibt? Michael Sommer gewährt einen ungewöhnlichen Einblick in das Uhrwerk der römischen Politik und die Machenschaften ihrer Protagonisten: Er zeigt den Volkstribunen Publius Clodius als Virtuosen der Verführung. Im Auftrag des mächtigen Cäsar entfesselte er eine Orgie der Gewalt und verwandelte die Straßen Roms in ein Schlachtfeld. Er kontrollierte die öffentliche Meinung und verwandelte den republikanischen Freiheits- in einen Gewaltraum: Wer unter seinen Gegnern nicht das Opfer von Tätlichkeiten wurde, dem wurde so effektiv gedroht, dass er den Mund hielt. Doch Clodius agierte stets auch auf eigene Faust: Als Bandenführer mit unbändiger Energie und dem Vorsatz, seinen Willen gegen alle Regeln der Republik durchzusetzen, schrieb Clodius die Signatur der Epoche, die eine zeitlose Warnung an uns alle enthält: Zahlen sich Gewalt und die Verführung der Massen aus?
Michael Sommer erweckt eines der turbulentesten Kapitel der römischen Geschichte zum Leben: skupellose Politiker wie Caesar, Pompeius und Clodius, Bandenkriege und Tabubrüche. Er zeigt das alte Rom als aufregend-verstörendes Laboratorium, an dem sich paradigmatisch für alle Epochen zeigen lässt, wie »Populismus« politische Gewalt gebiert und wie Verführung genutzt wird, um eine bestehende Ordnung zu stürzen.
Wie treibt man eine Republik in den Ruin? Mit welchen Mitteln kann man eine politische Elite zwingen, dass sie kampflos ihre Positionen und die von ihr getragene Ordnung preisgibt? Michael Sommer gewährt einen ungewöhnlichen Einblick in das Uhrwerk der römischen Politik und die Machenschaften ihrer Protagonisten: Er zeigt den Volkstribunen Publius Clodius als Virtuosen der Verführung. Im Auftrag des mächtigen Cäsar entfesselte er eine Orgie der Gewalt und verwandelte die Straßen Roms in ein Schlachtfeld. Er kontrollierte die öffentliche Meinung und verwandelte den republikanischen Freiheits- in einen Gewaltraum: Wer unter seinen Gegnern nicht das Opfer von Tätlichkeiten wurde, dem wurde so effektiv gedroht, dass er den Mund hielt. Doch Clodius agierte stets auch auf eigene Faust: Als Bandenführer mit unbändiger Energie und dem Vorsatz, seinen Willen gegen alle Regeln der Republik durchzusetzen, schrieb Clodius die Signatur der Epoche, die eine zeitlose Warnung an uns alle enthält: Zahlen sich Gewalt und die Verführung der Massen aus?
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Ein "unbedingt lesenswertes Buch" ist Michael Sommers Buch über den Volkstribun Publius Clodius Pulcher, der in der späten römischen Republik die Politik Roms maßgeblich mitbestimmte, versichert Rezensent Uwe Walter. Sommer zeichnet den Weg Clodius' nach, der, aus einem jahrhundertealten Adelshaus stammend, mit seinen Schlägerbanden die Straßen Roms beherrschte und schließlich zum Volkstribun und Intimfeind Ciceros aufstieg. Dabei schafft es der Autor laut Walter die römischen Verhältnisse in den letzten Jahren der Republik als ein "Gestrüpp einander überkreuzender Vorstöße" verständlich darzustellen, lobt der Kritiker. Das Buch wirft letztlich die Frage auf, ob Clodius, wenn er nicht ermordet worden wäre, den Bürgerkrieg und den Untergang der Republik hätte verhindern können, überlegt der angeregte Rezensent.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.02.2024Späte Republik
Michael Sommer erklärt römische Verhältnisse
Publius Clodius Pulcher war in der späten römischen Republik eine prominente Gestalt: als Sprössling der seit Jahrhunderten prominenten Patrizierfamilie der Claudier, als Volkstribun, der Cicero in die Verbannung schickte, als Organisator vehementen Protests gegen das Establishment über beinahe ein Jahrzehnt, als Meister politischer Travestie. Ein lesbares Buch über ihn ist also höchst willkommen. Freilich scheint den Experten im Verlag das Vertrauen in eine verbliebene humanistische Grundierung der Buchhändler und der angezielten Leserschaft gefehlt zu haben; jedenfalls fehlt der Name des Protagonisten im Titel wie im Untertitel.
Michael Sommer bedient die stattdessen signalisierte Aktualisierung seines Stoffes primär auf der semantischen Ebene. Hier tummeln sich eine Lobby der Finanzhaie und Banden von Hooligans aus gutem Hause; von "Caesars Weg des Durchregierens" ist die Rede, und für Clodius sprach seine Street Credibility. Zum anderen flicht der Oldenburger Althistoriker, durchweg zum besseren Verständnis des historischen Stoffs, soziologisch fundierte Einführungen in elementare Phänomene ein: Macht, Gewalt, die Idee des Bürgers. Die wichtigste Ressource von Potentaten, so heißt es einmal, sei nicht die aktive Unterstützung durch die Beherrschten, sondern deren Indolenz und Indifferenz. Römische Politik erklärt er bald durch geraffte Skizzen, bald durch eingehende Schilderungen mit vielen Namen - so wird klar, wie volatil, ja chaotisch die Verhältnisse waren, da alle Beteiligten heftig baggerten und selbst Absprachen der Mächtigen scheiterten, weil sich ihre Agenten im Gestrüpp einander überkreuzender Vorstöße, Zufälle und Unzulänglichkeiten verhedderten.
Sommer entwickelt einen komplexen Clodius, während eindimensionale Zuschreibungen ihn als "Achill der Straße" (Theodor Mommsen) konturieren. Die späte Republik erscheint hier als eine Arena innovativer Erweiterung: Der junge Claudier pflegte selbstverständlich und erfolgreich die traditionellen Handlungsmuster eines Nobilis; das waren neben früher Bewährung im Krieg wechselnde Bündnisse mit Standesgenossen und im Senat sowie spektakuläre Prozesse. Überdies stellte sich Clodius in die spezielle Tradition seiner altadligen "Dynastie der breiten Beine und ausgefahrenen Ellenbogen", gern Regeln und Normen zu missachten, spielerisch oder dreist zu provozieren wie im (hier glänzend analysierten) Bona-Dea-Skandal und wie sein berühmter Urahn Appius Claudius Caecus das Bündnis mit kleinen Leuten zu suchen. Wer aus diesem Haus Risiken einging, fiel auch im Misserfolg weich.
Zusätzlich setzte Clodius Gewalt ein, um seine Ziele durchzusetzen und den störanfälligen politischen Betrieb in Rom, wo es keine institutionalisierte Sicherheit gab, zu dominieren. Aus dem Scheitern der Gracchen-Brüder zog er einen naheliegenden Schluss: Ämter, Ideen und adlige Koalitionen genügten nicht, um eine im politischen Betrieb der Republik an sich gar nicht vorgesehene dauerhafte Einflussposition zu gewinnen; diese wurde erst durch die Option möglich, jederzeit mittels organisierter Gewalt Druck aufzubauen. So erreichte Clodius nach der Verschwörung Catilinas für ein Jahrzehnt und unter günstigen Bedingungen, was sein Intimfeind Cicero nur anstrebte, nämlich die um sich selbst kreisende Politik in der Stadt Rom noch einmal zur Mitte schlechthin zu machen, da der Großraumorganisierer Pompeius ausmanövriert war und Caesar sich seine Staatsstreichmacht erst in Gallien zusammenzimmern musste. Freilich steht sich Sommer bisweilen selbst im Wege, wenn er etwa von "Massen" spricht und meint, Clodius habe ab dem Jahr 58 auf den Straßen Roms "Gewaltorgien" mittels bunt zusammengewürfelter Haufen veranstaltet, die allerdings "durch ein Netzwerk mit beachtlicher Organisationsintensität und -tiefe zu koordiniertem Handeln befähigt waren".
Bestechend ist die kontrafaktische Schlusspointe: Als Clodius durch seine Ermordung aus dem Spiel war, nahm in Rom die Zahl der Handlungs- und Entwicklungsoptionen dramatisch ab, denn nun war niemand mehr da, der immer wieder einen Keil zwischen den meist ungeschickt agierenden Pompeius und die Gegner Caesars im Senat treiben konnte. Mit einem weiter changierenden Clodius hätte sich der Politikalltag nach wie vor im Kreis gedreht und wäre die Bürgerkriegskoalition gegen Caesar womöglich nicht zustande gekommen. Trug also Clodius' Tod mehr zur militärischen Eskalation der die Nobilität spaltenden Konflikte bei, als der Demagoge das vermocht hätte, wenn er weitergewirkt hätte? Paradoxien laden zum Denken ein. Nicht nur in diesem Sinne ist das ein unbedingt lesenswertes Buch. UWE WALTER
Michael Sommer: "Volkstribun". Die Verführung der Massen und der Untergang der Römischen Republik.
Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2023. 336 S., Abb., geb., 25,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Michael Sommer erklärt römische Verhältnisse
Publius Clodius Pulcher war in der späten römischen Republik eine prominente Gestalt: als Sprössling der seit Jahrhunderten prominenten Patrizierfamilie der Claudier, als Volkstribun, der Cicero in die Verbannung schickte, als Organisator vehementen Protests gegen das Establishment über beinahe ein Jahrzehnt, als Meister politischer Travestie. Ein lesbares Buch über ihn ist also höchst willkommen. Freilich scheint den Experten im Verlag das Vertrauen in eine verbliebene humanistische Grundierung der Buchhändler und der angezielten Leserschaft gefehlt zu haben; jedenfalls fehlt der Name des Protagonisten im Titel wie im Untertitel.
Michael Sommer bedient die stattdessen signalisierte Aktualisierung seines Stoffes primär auf der semantischen Ebene. Hier tummeln sich eine Lobby der Finanzhaie und Banden von Hooligans aus gutem Hause; von "Caesars Weg des Durchregierens" ist die Rede, und für Clodius sprach seine Street Credibility. Zum anderen flicht der Oldenburger Althistoriker, durchweg zum besseren Verständnis des historischen Stoffs, soziologisch fundierte Einführungen in elementare Phänomene ein: Macht, Gewalt, die Idee des Bürgers. Die wichtigste Ressource von Potentaten, so heißt es einmal, sei nicht die aktive Unterstützung durch die Beherrschten, sondern deren Indolenz und Indifferenz. Römische Politik erklärt er bald durch geraffte Skizzen, bald durch eingehende Schilderungen mit vielen Namen - so wird klar, wie volatil, ja chaotisch die Verhältnisse waren, da alle Beteiligten heftig baggerten und selbst Absprachen der Mächtigen scheiterten, weil sich ihre Agenten im Gestrüpp einander überkreuzender Vorstöße, Zufälle und Unzulänglichkeiten verhedderten.
Sommer entwickelt einen komplexen Clodius, während eindimensionale Zuschreibungen ihn als "Achill der Straße" (Theodor Mommsen) konturieren. Die späte Republik erscheint hier als eine Arena innovativer Erweiterung: Der junge Claudier pflegte selbstverständlich und erfolgreich die traditionellen Handlungsmuster eines Nobilis; das waren neben früher Bewährung im Krieg wechselnde Bündnisse mit Standesgenossen und im Senat sowie spektakuläre Prozesse. Überdies stellte sich Clodius in die spezielle Tradition seiner altadligen "Dynastie der breiten Beine und ausgefahrenen Ellenbogen", gern Regeln und Normen zu missachten, spielerisch oder dreist zu provozieren wie im (hier glänzend analysierten) Bona-Dea-Skandal und wie sein berühmter Urahn Appius Claudius Caecus das Bündnis mit kleinen Leuten zu suchen. Wer aus diesem Haus Risiken einging, fiel auch im Misserfolg weich.
Zusätzlich setzte Clodius Gewalt ein, um seine Ziele durchzusetzen und den störanfälligen politischen Betrieb in Rom, wo es keine institutionalisierte Sicherheit gab, zu dominieren. Aus dem Scheitern der Gracchen-Brüder zog er einen naheliegenden Schluss: Ämter, Ideen und adlige Koalitionen genügten nicht, um eine im politischen Betrieb der Republik an sich gar nicht vorgesehene dauerhafte Einflussposition zu gewinnen; diese wurde erst durch die Option möglich, jederzeit mittels organisierter Gewalt Druck aufzubauen. So erreichte Clodius nach der Verschwörung Catilinas für ein Jahrzehnt und unter günstigen Bedingungen, was sein Intimfeind Cicero nur anstrebte, nämlich die um sich selbst kreisende Politik in der Stadt Rom noch einmal zur Mitte schlechthin zu machen, da der Großraumorganisierer Pompeius ausmanövriert war und Caesar sich seine Staatsstreichmacht erst in Gallien zusammenzimmern musste. Freilich steht sich Sommer bisweilen selbst im Wege, wenn er etwa von "Massen" spricht und meint, Clodius habe ab dem Jahr 58 auf den Straßen Roms "Gewaltorgien" mittels bunt zusammengewürfelter Haufen veranstaltet, die allerdings "durch ein Netzwerk mit beachtlicher Organisationsintensität und -tiefe zu koordiniertem Handeln befähigt waren".
Bestechend ist die kontrafaktische Schlusspointe: Als Clodius durch seine Ermordung aus dem Spiel war, nahm in Rom die Zahl der Handlungs- und Entwicklungsoptionen dramatisch ab, denn nun war niemand mehr da, der immer wieder einen Keil zwischen den meist ungeschickt agierenden Pompeius und die Gegner Caesars im Senat treiben konnte. Mit einem weiter changierenden Clodius hätte sich der Politikalltag nach wie vor im Kreis gedreht und wäre die Bürgerkriegskoalition gegen Caesar womöglich nicht zustande gekommen. Trug also Clodius' Tod mehr zur militärischen Eskalation der die Nobilität spaltenden Konflikte bei, als der Demagoge das vermocht hätte, wenn er weitergewirkt hätte? Paradoxien laden zum Denken ein. Nicht nur in diesem Sinne ist das ein unbedingt lesenswertes Buch. UWE WALTER
Michael Sommer: "Volkstribun". Die Verführung der Massen und der Untergang der Römischen Republik.
Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2023. 336 S., Abb., geb., 25,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
»Bestechend ist die kontrafaktische Schlusspointe: Als Clodius durch seine Ermordung aus dem Spiel war, [...] war niemand mehr da, der immer wieder einen Keil zwischen den meist ungeschickt agierenden Pompeius und die Gegner Caesars im Senat treiben konnte. [...] Trug also Clodius' Tod mehr zur militärischen Eskalation der die Nobilität spaltenden Konflikte bei, als der Demagoge das vermocht hätte, wenn er weitergewirkt hätte? Paradoxien laden zum Denken ein. Nicht nur in diesem Sinne ist das ein unbedingt lesenswertes Buch.« Uwe Walter, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 28. Februar 2024 Uwe Walter FAZ 20240228