Eine Weltumseglung auf der "Barfußroute" - gibt es da heute überhaupt noch Abenteuer? Dieser Bericht sagt entschieden "JA" - und zeigt in faszinierender Weise, dass das persönliche Erleben eben nicht davon abhängt, wie viele Menschen vorher schon dasselbe getan haben. Das Buch erzählt die aufregende "normale" Weltreise auf einem Segelboot.
Am Anfang macht man sich richtig Sorgen um die beiden. Zwei Landratten aus Seeheim, die tun, wovon andere ihr Leben lang träumen. Sie verkaufen, was sie für ein paar Jahre nicht mehr brauchen, kündigen Versicherungen, Mitgliedschaften, Abonnements, kaufen sich eine 9,50 Meter lange Segelyacht, 50 Packungen Miracoli, 75 Tafeln Ritter Sport und 50 Zahnbürsten. Sie lassen ein Paar Bücherkisten auf Mutters Dachboden zurück, verabschieden sich von Verwandten, Freunden, Kollegen und fahren los. Ihre Kenntnisse und Erfahrungen sind kaum der Rede wert gemessen an dem, was sie sich vorgenommen haben. Sie machen auch gar keinen Hehl daraus, schildern ihre Unsicherheit zu Beginn ganz offen. Weshalb sie einem auf Anhieb sympathisch sind.
Gaby Kinsberger und Rüdiger Hirche, 1957 und 1945 geboren, haben gemeinsam die Welt umsegelt und sich dafür sechs Jahre Zeit genommen. Die Geschichte beginnt mit der Sehnsucht der jungen Frau nach fernen Inseln und dem Meer, sie meldet sich für einen Bootsführerschein-Kursus an und schafft es, ihren Freund, der sich eher fürs Motorradfahren interessiert, nach und nach fürs Segeln zu begeistern. Nach einem ersten Chartertörn 1988 rund um Mallorca entsteht die Idee einer Weltumrundung. Fünf Jahre lang sparen die beiden Gymnasiallehrer eisern, erweitern im Urlaub ihr bescheidenes nautisches Wissen und lassen sich schließlich 1993 für sechs Jahre vom Schuldienst befreien. 30 Kilometer vom Wohnort entfernt, in Lampertheim, wird "Kaya", ihre Yacht, ins Wasser des Altrheins gesetzt. Das neue Zuhause wird mit Proviant und Ausrüstung beladen, Ende Oktober 1993 heißt es "Leinen los".
Über Rhein und Mosel erreichen sie Frankreich, über Kanäle und Flüsse das Mittelmeer. Durch die Straße von Gibraltar geht es auf den riesigen Atlantik - zum ersten Mal Hochsee, Blauwassersegeln. Das Paar folgt der klassischen "Barfußroute": Von den Kanaren aus führt der Weg in Richtung Karibik, durch den Panamakanal in den Pazifik. Südseeinseln, Neuseeland, Australien, Südostasien, das Rote Meer liegen auf der Strecke, durch den Suezkanal geht es zurück ins Mittelmeer. "Kaya" läuft die Küsten von 34 Ländern an. Auf den Fidschi-Inseln wird aus ihrer kleinen Crew ein Ehepaar.
Die beiden trotzen nicht nur eisern Stürmen und Flauten, sie unternehmen auch ausgedehnte Exkursionen an Land. Ganz große Erzählkunst ist es nicht, die den Leser an die Beschreibungen fesselt. Manche Landschaft, manche Bekanntschaft ist flüchtig dargestellt. Endlose Strände, einsame Buchten - vieles wiederholt sich. Was stört, ist das inzwischen scheinbar urdeutsche Klagen von Touristen über andere Touristen, die als störend empfunden werden. Dennoch folgt man den Autoren gern um die Welt und durchs Buch, denn aus den Berichten spricht Lebensfreude, Neugierde und die Bereitschaft, sich auf Land und Leute einzulassen. Für die seglerische Leistung, ein Boot 33 000 Seemeilen (etwa 61 000 Kilometer) sicher um den Globus zu führen, gebührt ihnen allemal Respekt und Bewunderung.
WALTER WILLE
Rüdiger Hirche/Gaby Kinsberger: "Vom Alltag in die Südsee", Delius Klasing Verlag, Bielefeld, 312 Seiten, 60 Farbfotos, zwei Abbildungen, zwei Karten, 42 Mark.
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