Was waren das für Zeiten, als Franz-Josef Strauß und Herbert Wehner wort-gewaltig über die großen Fragen der Politik stritten, für ihre Überzeugungen fochten mit Florett, Degen oder Kanonen. Sie sind längst vorbei. Die Kunst der politischen Rede ist auf den Hund gekommen und damit die Politik selbst. Überzeugungen wurden durch Meinungsumfragen ersetzt, Charisma durch Wahlkampf-Management, politischer Instinkt durch Zielgruppenforschung und Medienanalysen. Politikberater beherrschen das Feld, die Politiker sind so austauschbar geworden wie ihre Parteien und Programme. Was im "Mutterland der Demokratie" beklemmend weit vorangeschritten ist, greift auch bei uns lähmend um sich.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.05.2008Kampf um das Weiße Haus
Die vermarktete Politik
Der Autor dieser Streitschrift ist ein bekannter amerikanischer Journalist, der es besonders 1996 zu nationaler Berühmtheit brachte, als er mitten im Präsidentschaftswahlkampf anonym ein skandalträchtiges Enthüllungsbuch über Bill und Hillary Clinton veröffentlichte - einen Seitensprung Hillarys eingeschlossen. Mit seiner neuen Publikation greift Klein die Vermarktungsindustrie amerikanischer Politik an, ein Milieu, in dem er sich offensichtlich persönlich bestens auskennt. Seit dem Präsidentschaftswahlkampf von Jimmy Carter 1976 werde, so die Hauptthese, die amerikanische Demokratie zunehmend durch diese Industrie ruiniert, durch Demoskopen, Wahlkampfstrategen, Imageberater, Redenschreiber und "Spin Doctors", die der "Botschaft" eines Politikers einen gewissen, für ihn positiven "Dreh" geben sollen. Diese Industrie stützt sich auf immer verfeinerte Umfragetechniken, Gruppeninterviews, Austüfteln neuer Zielgruppen, elektronische Post und Telefonumfragen. Ziel solcher Demoskopie sei es nicht, den Wählerwillen festzustellen, sondern ihn aktiv zu verändern, ja zu manipulieren. Sie produziert laut Klein "Bananenschalen-Worte", glattgeschliffene Formulierungen, die dem politischen Gegner keine Angriffsfläche mehr bieten. Sie verkaufen keine realen Politiker und keine realen politischen Programme, sondern marktgetestete Kunstprodukte, die auf die Wirkung von Emotionen, Bildern, Slogans und Fiktionen, zunehmend auch auf Verunglimpfung und persönliche Attacken (negative campaigning) setzen.
Die Entwicklung hat sich nach Klein parallel zum Aufstieg des Fernsehens vollzogen. In den Wahlkampagnen gehe es kaum noch um Inhalte, sondern um das Bild, die Form, nichtssagende und damit nicht angreifbare Slogans - zum Beispiel Hoffnung gegen Erfahrung - und den schönen Schein des öffentlichen Auftritts. Der Wahlkampf werde dadurch nicht zum Wettstreit der Politiker, sondern ihrer Trainer. Ausgangspunkt sei die marktgetestete Hypothese, dass der Wähler grundsätzlich denkfaul sei. Er müsse mit Emotionalität, Wettstreit und Show unterhalten werden. Mit der Realität habe das nichts mehr zu tun. Klein erinnert an eine Politikkomödie Warren Beattys, in der ein Senator beschließt, aus dem Leben zu scheiden, nachdem er die Fernsehwerbung für seine Wiederwahl gesehen hat. Die Jeremiade Kleins ist eingebunden in eine bruchstückhafte Erzählung über den wachsenden Einfluss dieser Industrie auf die Wahlkämpfe von Siegern wie Jimmy Carter, Ronald Reagan, George H. W. Bush, Bill Clinton und George W. Bush, aber auch auf einige Verlierer wie etwa George McGovern, Michael Dukakis, Al Gore oder John Kerry.
Der Einfluss bleibt nicht ohne Konsequenzen, wie Klein zeigt. So habe es unter Präsident Reagan ein einziger Imageberater fast im Alleingang geschafft, das Wort "liberal" bei der Mehrheit der amerikanischen Bevölkerung in Verruf zu bringen. Newt Gingrichs berühmter "Vertrag für Amerika" aus dem Jahre 1994, mit dem eine konservative Revolution eingeleitet werden sollte, war Satz für Satz in Fokusgruppen vorgetestet worden. Al Gore wurde es von seinen Beratern im Wahlkampf 2000 gegen George W. Bush strikt untersagt, über sein Lebensthema, die Rettung des Planeten, überhaupt zu reden. Schließlich George W. Bush: Seinen Beratern gelang es, sowohl John McCain als auch John Kerry mit fiesen Negativ-Kampagnen zu diskreditieren. Anschließend verbrauchte er mehr Energien, um den Krieg gegen den Irak medial zu verkaufen, als um ihn zu gewinnen. Oder ein anderer Fall: Um herauszufinden, welche Position zur Abtreibungsfrage bei den Wählern "ankommen" würde, wurden ausgewählten Testgruppen zehn Alternativen vorgelegt. Der Gewinner war die Aussage: "Eine Frau sollte über die Abtreibung selbst entscheiden, nach Beratung mit ihrem Arzt und Priester."
Das Buch von Klein ist durch geschwätzige Längen und Übertreibungen gekennzeichnet. Viele Anspielungen wird der deutsche Leser nicht verstehen. Dennoch lohnt sich seine Lektüre, weil es den Finger auf eines der großen Strukturprobleme moderner Demokratien legt, nämlich auf die Aushöhlung des sach- und problemorientierten politischen Diskurses durch das Bild einerseits, einen sprechblasengetriebenen "Wortmaskenkostümverleih" (Karl Kraus) andererseits. Amerikaner und Europäer scheinen sich an diese manipulierte Normalität gewöhnt zu haben. Nur so kann man auch erklären, warum eine überraschend substantielle und realitätsnahe Rede von Barak Obama zur Rassenfrage auf beiden Seiten des Atlantiks als Sensation empfunden wird. Allerdings darf man nur hoffen, dass diese Rede von ihm selbst geschrieben wurde.
DETLEF JUNKER
Joe Klein: Vom Ende der Politik. Wie Meinungsforscher und Wahlkampfstrategen die Demokratie ruinieren. Propyläen Verlag, Berlin 2008. 304 S., 22,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Die vermarktete Politik
Der Autor dieser Streitschrift ist ein bekannter amerikanischer Journalist, der es besonders 1996 zu nationaler Berühmtheit brachte, als er mitten im Präsidentschaftswahlkampf anonym ein skandalträchtiges Enthüllungsbuch über Bill und Hillary Clinton veröffentlichte - einen Seitensprung Hillarys eingeschlossen. Mit seiner neuen Publikation greift Klein die Vermarktungsindustrie amerikanischer Politik an, ein Milieu, in dem er sich offensichtlich persönlich bestens auskennt. Seit dem Präsidentschaftswahlkampf von Jimmy Carter 1976 werde, so die Hauptthese, die amerikanische Demokratie zunehmend durch diese Industrie ruiniert, durch Demoskopen, Wahlkampfstrategen, Imageberater, Redenschreiber und "Spin Doctors", die der "Botschaft" eines Politikers einen gewissen, für ihn positiven "Dreh" geben sollen. Diese Industrie stützt sich auf immer verfeinerte Umfragetechniken, Gruppeninterviews, Austüfteln neuer Zielgruppen, elektronische Post und Telefonumfragen. Ziel solcher Demoskopie sei es nicht, den Wählerwillen festzustellen, sondern ihn aktiv zu verändern, ja zu manipulieren. Sie produziert laut Klein "Bananenschalen-Worte", glattgeschliffene Formulierungen, die dem politischen Gegner keine Angriffsfläche mehr bieten. Sie verkaufen keine realen Politiker und keine realen politischen Programme, sondern marktgetestete Kunstprodukte, die auf die Wirkung von Emotionen, Bildern, Slogans und Fiktionen, zunehmend auch auf Verunglimpfung und persönliche Attacken (negative campaigning) setzen.
Die Entwicklung hat sich nach Klein parallel zum Aufstieg des Fernsehens vollzogen. In den Wahlkampagnen gehe es kaum noch um Inhalte, sondern um das Bild, die Form, nichtssagende und damit nicht angreifbare Slogans - zum Beispiel Hoffnung gegen Erfahrung - und den schönen Schein des öffentlichen Auftritts. Der Wahlkampf werde dadurch nicht zum Wettstreit der Politiker, sondern ihrer Trainer. Ausgangspunkt sei die marktgetestete Hypothese, dass der Wähler grundsätzlich denkfaul sei. Er müsse mit Emotionalität, Wettstreit und Show unterhalten werden. Mit der Realität habe das nichts mehr zu tun. Klein erinnert an eine Politikkomödie Warren Beattys, in der ein Senator beschließt, aus dem Leben zu scheiden, nachdem er die Fernsehwerbung für seine Wiederwahl gesehen hat. Die Jeremiade Kleins ist eingebunden in eine bruchstückhafte Erzählung über den wachsenden Einfluss dieser Industrie auf die Wahlkämpfe von Siegern wie Jimmy Carter, Ronald Reagan, George H. W. Bush, Bill Clinton und George W. Bush, aber auch auf einige Verlierer wie etwa George McGovern, Michael Dukakis, Al Gore oder John Kerry.
Der Einfluss bleibt nicht ohne Konsequenzen, wie Klein zeigt. So habe es unter Präsident Reagan ein einziger Imageberater fast im Alleingang geschafft, das Wort "liberal" bei der Mehrheit der amerikanischen Bevölkerung in Verruf zu bringen. Newt Gingrichs berühmter "Vertrag für Amerika" aus dem Jahre 1994, mit dem eine konservative Revolution eingeleitet werden sollte, war Satz für Satz in Fokusgruppen vorgetestet worden. Al Gore wurde es von seinen Beratern im Wahlkampf 2000 gegen George W. Bush strikt untersagt, über sein Lebensthema, die Rettung des Planeten, überhaupt zu reden. Schließlich George W. Bush: Seinen Beratern gelang es, sowohl John McCain als auch John Kerry mit fiesen Negativ-Kampagnen zu diskreditieren. Anschließend verbrauchte er mehr Energien, um den Krieg gegen den Irak medial zu verkaufen, als um ihn zu gewinnen. Oder ein anderer Fall: Um herauszufinden, welche Position zur Abtreibungsfrage bei den Wählern "ankommen" würde, wurden ausgewählten Testgruppen zehn Alternativen vorgelegt. Der Gewinner war die Aussage: "Eine Frau sollte über die Abtreibung selbst entscheiden, nach Beratung mit ihrem Arzt und Priester."
Das Buch von Klein ist durch geschwätzige Längen und Übertreibungen gekennzeichnet. Viele Anspielungen wird der deutsche Leser nicht verstehen. Dennoch lohnt sich seine Lektüre, weil es den Finger auf eines der großen Strukturprobleme moderner Demokratien legt, nämlich auf die Aushöhlung des sach- und problemorientierten politischen Diskurses durch das Bild einerseits, einen sprechblasengetriebenen "Wortmaskenkostümverleih" (Karl Kraus) andererseits. Amerikaner und Europäer scheinen sich an diese manipulierte Normalität gewöhnt zu haben. Nur so kann man auch erklären, warum eine überraschend substantielle und realitätsnahe Rede von Barak Obama zur Rassenfrage auf beiden Seiten des Atlantiks als Sensation empfunden wird. Allerdings darf man nur hoffen, dass diese Rede von ihm selbst geschrieben wurde.
DETLEF JUNKER
Joe Klein: Vom Ende der Politik. Wie Meinungsforscher und Wahlkampfstrategen die Demokratie ruinieren. Propyläen Verlag, Berlin 2008. 304 S., 22,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 02.09.2008Verräterische Seufzer
Eine Abrechnung mit den Beratern in den US-Wahlkämpfen
Den beleidigenden Mahlstrom aus sterilisierten Redeergüssen, albernen PR-Fotos und idiotischer Werbung, der heutzutage als öffentlicher Diskurs durchgeht, habe ich satt.” Joe Klein ist ein Freund deutlicher Worte. Seit langem zählt er zur ersten Garnitur des US-Journalismus. In einem erstmals 2006 in den USA publizierten und jetzt in einer aktualisierten deutschen Übersetzung vorliegenden Buch geht er mit den politischen Verhältnissen in seinem Land hart ins Gericht. Klein selbst bezeichnet sein Werk als eine Mischung aus Lamento und Strafpredigt. Das Lamento gilt der Trivialisierung, ja dem Niedergang der Politik, die Strafpredigt jenen Leuten, denen er die Hauptschuld an der Misere gibt: den Beratern, Wahlkampfmanagern, Marketingstrategen, Demoskopen.
Spätestens seit Richard Nixons erfolgreichem Präsidentschaftswahlkampf von 1968, so Klein, ordnen sich die Berater immer weniger den strategischen Vorgaben der Politik unter. Vielmehr drehen sie den Spieß um und zwingen die Politiker in ein vermeintlich erfolgsträchtiges Korsett. Und weil ihr Kalkül nicht selten aufgeht, kann kaum ein karriereorientierter Politiker mehr auf den Beistand verzichten. Je renommierter die Beratungsfirma ist, desto sicherer darf sich der Kandidat im Übrigen der Unterstützung durch die eigene Partei sein, desto großzügiger fließen die Wahlkampfspenden. Auch wenn die Beratungsindustrie gelegentlich nützlich sein mag – aufs Ganze gesehen, so Klein, übt sie einen unheilvollen, verheerenden Einfluss aus.
Klein zufolge agieren die Politstrategen mit einer fast neurotischen Vorsicht, halten spontane Eingebungen eines Politikers prinzipiell für gefährlich. Sie bevorzugen eine sterile, marketinggetestete Sprache, arbeiten mit glattgeschliffenen Versatzstücken, schreiben ihrem Kandidaten ein bestimmtes Argument erst dann in seine Reden, wenn sie es zuvor an Fokus-Gruppen getestet und für unbedenklich befunden haben. Wirklich zur Sache gehen Wahlkampfmanager nur im Bereich der Negativwerbung, also im herabsetzenden Angriff auf den Gegenkandidaten.
Klein veranschaulicht seine Thesen – sarkastisch, polemisch, witzig – primär am Beispiel der US-Präsidentschaftswahlkämpfe, die er journalistisch begleitet hat. Die meisten Akteure kennt er persönlich. Dennoch hält er kritische Distanz, macht aus seiner Abneigung gegen manche der Protagonisten kein Geheimnis. Zuweilen gerät seine Strafpredigt dann zu einer regelrechten Abrechnung.
Klein erinnert an den Wahlkampf Al Gores im Jahr 2000. Der Kandidat hätte gerne sein großes Thema Ökologie in den Vordergrund gerückt. Doch seine Berater redeten ihm das aus – mit dem Ergebnis, dass sich Gore während seiner Kampagne permanent unwohl fühlte, was beim Wähler nicht gut ankam. Wer weiß, wie die Wahl ausgegangen wäre, wenn man Gore freieren Lauf gelassen oder er sich größere Freiheiten erlaubt hätte.
Es sind Erfahrungen wie diese, aus denen Klein die Hoffnung schöpft, dass sich echte politische Führerschaft gegen die Machenschaften der Beratungsindustrie wieder durchsetzen könnte. Doch wir leben, wie der Autor konzediert, noch in einer Zeit, in der ein unbedachtes Wort, ein Seufzer vor laufender Kamera oder ein verstohlener Blick auf die Armbanduhr während eines Rededuells über eine Politikerkarriere entscheiden können. Auch wenn Joe Klein also am Ende eine gewisse Ratlosigkeit nicht verbergen kann, so bietet sein Buch doch einen höchst informativen, aufklärerischen Blick hinter die Kulissen der US-Politikpropaganda – eine empfehlenswerte Begleitlektüre zum aktuellen Präsidentschaftswahlkampf. ULRICH TEUSCH
JOE KLEIN: Vom Ende der Politik. Wie Meinungsforscher und Wahlkampfstrategen die Demokratie ruinieren. Propyläen Verlag, Berlin 2008. 335 S., 22,90 Euro.
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Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
Eine Abrechnung mit den Beratern in den US-Wahlkämpfen
Den beleidigenden Mahlstrom aus sterilisierten Redeergüssen, albernen PR-Fotos und idiotischer Werbung, der heutzutage als öffentlicher Diskurs durchgeht, habe ich satt.” Joe Klein ist ein Freund deutlicher Worte. Seit langem zählt er zur ersten Garnitur des US-Journalismus. In einem erstmals 2006 in den USA publizierten und jetzt in einer aktualisierten deutschen Übersetzung vorliegenden Buch geht er mit den politischen Verhältnissen in seinem Land hart ins Gericht. Klein selbst bezeichnet sein Werk als eine Mischung aus Lamento und Strafpredigt. Das Lamento gilt der Trivialisierung, ja dem Niedergang der Politik, die Strafpredigt jenen Leuten, denen er die Hauptschuld an der Misere gibt: den Beratern, Wahlkampfmanagern, Marketingstrategen, Demoskopen.
Spätestens seit Richard Nixons erfolgreichem Präsidentschaftswahlkampf von 1968, so Klein, ordnen sich die Berater immer weniger den strategischen Vorgaben der Politik unter. Vielmehr drehen sie den Spieß um und zwingen die Politiker in ein vermeintlich erfolgsträchtiges Korsett. Und weil ihr Kalkül nicht selten aufgeht, kann kaum ein karriereorientierter Politiker mehr auf den Beistand verzichten. Je renommierter die Beratungsfirma ist, desto sicherer darf sich der Kandidat im Übrigen der Unterstützung durch die eigene Partei sein, desto großzügiger fließen die Wahlkampfspenden. Auch wenn die Beratungsindustrie gelegentlich nützlich sein mag – aufs Ganze gesehen, so Klein, übt sie einen unheilvollen, verheerenden Einfluss aus.
Klein zufolge agieren die Politstrategen mit einer fast neurotischen Vorsicht, halten spontane Eingebungen eines Politikers prinzipiell für gefährlich. Sie bevorzugen eine sterile, marketinggetestete Sprache, arbeiten mit glattgeschliffenen Versatzstücken, schreiben ihrem Kandidaten ein bestimmtes Argument erst dann in seine Reden, wenn sie es zuvor an Fokus-Gruppen getestet und für unbedenklich befunden haben. Wirklich zur Sache gehen Wahlkampfmanager nur im Bereich der Negativwerbung, also im herabsetzenden Angriff auf den Gegenkandidaten.
Klein veranschaulicht seine Thesen – sarkastisch, polemisch, witzig – primär am Beispiel der US-Präsidentschaftswahlkämpfe, die er journalistisch begleitet hat. Die meisten Akteure kennt er persönlich. Dennoch hält er kritische Distanz, macht aus seiner Abneigung gegen manche der Protagonisten kein Geheimnis. Zuweilen gerät seine Strafpredigt dann zu einer regelrechten Abrechnung.
Klein erinnert an den Wahlkampf Al Gores im Jahr 2000. Der Kandidat hätte gerne sein großes Thema Ökologie in den Vordergrund gerückt. Doch seine Berater redeten ihm das aus – mit dem Ergebnis, dass sich Gore während seiner Kampagne permanent unwohl fühlte, was beim Wähler nicht gut ankam. Wer weiß, wie die Wahl ausgegangen wäre, wenn man Gore freieren Lauf gelassen oder er sich größere Freiheiten erlaubt hätte.
Es sind Erfahrungen wie diese, aus denen Klein die Hoffnung schöpft, dass sich echte politische Führerschaft gegen die Machenschaften der Beratungsindustrie wieder durchsetzen könnte. Doch wir leben, wie der Autor konzediert, noch in einer Zeit, in der ein unbedachtes Wort, ein Seufzer vor laufender Kamera oder ein verstohlener Blick auf die Armbanduhr während eines Rededuells über eine Politikerkarriere entscheiden können. Auch wenn Joe Klein also am Ende eine gewisse Ratlosigkeit nicht verbergen kann, so bietet sein Buch doch einen höchst informativen, aufklärerischen Blick hinter die Kulissen der US-Politikpropaganda – eine empfehlenswerte Begleitlektüre zum aktuellen Präsidentschaftswahlkampf. ULRICH TEUSCH
JOE KLEIN: Vom Ende der Politik. Wie Meinungsforscher und Wahlkampfstrategen die Demokratie ruinieren. Propyläen Verlag, Berlin 2008. 335 S., 22,90 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Durchaus empfehlenswert findet Rezensent Ulrich Teusch das neue Buch des US-Journalisten und "Primary-Colors"-Autors Joe Klein, der hier die zunehmende Entpolitisierung durch Politstrategen und die Beratungsindustrie in den USA kritisiert. Klein beschreibe die zunehmende Abhängigkeit der Politiker vom Kalkül der Berater, Marketingstrategen und Demoskopen am Beispiel der Präsidentschaftswahlkämpfe seit Nixon. Und zwar, wie der Rezensent freudig vermerkt, "sarkastisch, polemisch, witzig". Die Themensetzung der öffentlichen Agenda erfolge erst nach genauer Abgleichung mit Meinungsforschern, berichtet der Rezensent, den Politikern selbst seien kaum noch Freiheiten in Hinblick auf ihre Prioritätensetzung gewährt. Nicht nur die Vermarktung von Interessen, sondern auch den Verlust an Authentizität nehme Joe Klein zum Teil abgeklärt, zum Teil mit ratlosem Unterton ins Visier. Der Rezensent sieht in der Lektüre eine aufschlussreiche und lobenswerte Abrechnung mit der Beratungsindustrie.
© Perlentaucher Medien GmbH
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