Zwei wichtige geistliche Klassiker Ramon Llulls in einem Band
Der geistliche Klassiker „Das Buch vom Freund und dem Geliebten“ gehört zu den bekannteren Werken des Philosophen und franziskanischen Theologen Ramon Llull (1232–1316). Etabliert ist die christozentrische Deutung, dass in diesen 365
kurzen mystischen Erzählungen „der Freund“ jeder einzelne Christusgläubige ist, und „der Geliebte“…mehrZwei wichtige geistliche Klassiker Ramon Llulls in einem Band
Der geistliche Klassiker „Das Buch vom Freund und dem Geliebten“ gehört zu den bekannteren Werken des Philosophen und franziskanischen Theologen Ramon Llull (1232–1316). Etabliert ist die christozentrische Deutung, dass in diesen 365 kurzen mystischen Erzählungen „der Freund“ jeder einzelne Christusgläubige ist, und „der Geliebte“ der erhöhte Herr Jesus Christus, welcher in der allegorischen Deutungstradition des Hohelieds der „Seelenbräutigam“ der einzelnen Seele ist. In diesen Sinnsprüchen, die entfernt auch an Sufi-Traditionen erinnern könnten, geht es zentral um die Liebe zu Gott, dem der Gottliebende immer ähnlicher werden soll. Als Beispiel für Umfang, Stil und Inhalt dieser Mini-Erzählungen mag Nummer 57 dienen:
„Man fragte den Freund: Welches sind deine Reichtümer?
Er antwortete: Die Armut, die ich um meines Geliebten willen ertrage.
Und wo findest du deine Ruhe? – In der Sehnsucht, die mir die Liebe schenkt.
Und wer ist dein Arzt? – Das Vertrauen, das ich in meinen Geliebten setze.
Und wer ist dein Meister? – Er antwortete und sagte, es seien die Bedeutungen, die uns die Geschöpfe von seinem Geliebten offenbaren.“ (Seite 43)
(Nicht erklärt wird, warum die vorliegende Benziger-Edition nur 357 der ursprünglich 365 Sinnsprüche des Gesamtwerkes enthält.)
Der Schriftsteller, Seelsorger und Kirchenlieddichter Gerhard Tersteegen (1697–1769) trug in Deutschland zur Bekanntheit von Llulls Schriften bei. Spätestens seit Tersteegens Buch „Kleine Perlenschnur“ (1767) war Llulls Werk überall im christlichen Pietismus bekannt, da die „Perlenschnur“ einige Auszüge enthält, nämlich 80 der insgesamt 365 Sinnsprüche.
Zusätzlich enthält die vorliegende Benziger-Edition auch Llulls Werk „Die Kunst der Kontemplation“ bzw. „Die Kunst der Betrachtung“ (S. 117–181). Hauptperson dieser kleinen Meditationsschrift über die Eigenschaften Gottes und die Grundwahrheiten des christlichen Glaubens ist die fiktive Figur des Einsiedlers Blanquerna, bekannt aus dem gleichnamigen Roman Llulls.
Eine umfangreiche Einleitung des Theologen und Publizisten Manfred Baumotte führt kenntnisreich in die beiden Schriften Llulls und in die zeitgeschichtlichen Zusammenhänge ein.