Nichts ist heute dringlicher als die Frage nach unserem Verhältnis zur Natur und insbesondere zum Tier. Ein neues Denken ist vonnöten, das den Menschen und seine Kultur fundamental ökologisch begreift. Die aktuellen Diskurse um Tierphilosophie, Ökologie und Spiegelneuronen geben einer zeitgemäßen Kulturtheorie zu verstehen, dass das Menschsein immer schon von seiner historischen Beziehung zum Tier bestimmt war. Gerade die Kulturgeschichte des Frosches, in dem der Mensch sich selbst nicht wie im Affen narzisstisch wiederzuerkennen vermag, liest sich wie ein Spiegelbild der Geschichte der Zivilisation und ihrer gefährlichen Entfremdung von der Natur: Vom magischen Fruchtbarkeitssymbol in den frühen Kulturen wurde der Frosch im christlichen Mittelalter zum Inbegriff des Bösen und Hässlichen umgedeutet - um schließlich in der wissenschaftlich-technischen Welt als Labortier vernutzt und im ökologischen Desaster vom Aussterben bedroht zu werden. Doch auf dem Höhepunkt der Öko-Krisegibt die Kulturgeschichte des Frosches auch Anlass zur Hoffnung: Im Tierbild der Gegenwart wird der »Ökofrosch« zum Totemtier der Umweltbewegung. Ist er das Zeichen für das Aufbrechen eines neuen, eines wahrhaft ökologischen Zeitalters?
Die Kulturgeschichte des Frosches gibt uns nicht weniger zu denken als die Zukunft der Natur.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.03.2011Sei ein Frosch!
Von Michael Adrian
Von der hässlichen Kröte über die dicke Kröte, die einer schlucken muss, verbindet der Sprachgebrauch vor allem Abwehr und Ekel mit Frosch & Co. In der Figur des Märchenprinzen, in die sich ein Frosch verwandeln möge, hat sich indes auch eine Ahnung erhalten, dass in dem Tier noch etwas mehr stecken könnte. Dem gleichsam Unabgegoltenen des Frosches widmet der Germanist Bernd Hüppauf eine glänzende kulturgeschichtliche Untersuchung. Es ist ein wahres Tier der Wandlungen, das der Autor in seiner profunden Monographie vorführt. Ob der Frosch in der ägyptischen Mythologie ins Reich der Mischwesen und damit Sakrale gehörte, ob er in China als Symbol für Geld stehen kann oder in Japan für den Frühling, wir erfahren, wie wenig selbstverständlich unsere einschlägigen Assoziationen sind. Frühe und außereuropäische Kulturen verbinden den Frosch mit Verwandlung und Fruchtbarkeit, nicht mit dem Bösen oder Hässlichen, ja nicht einmal mit schleimiger Haut oder dissonanten Lauten.
Den Verfasser interessieren nicht einfach die historisch wechselnden Bilder, sondern ihre Konstruktionsprinzipien, also etwa die Frage, wie sich theologische und moralische Zuschreibungen in Teufelsgestank verwandeln, in sinnlich wahrnehmbare Eigenschaften, die über Jahrhunderte nachzuwirken vermögen. Mit diesem Erkenntnisinteresse folgt das gewinnbringend illustrierte Buch mannigfaltigen Gestalten des Frosches in Magie und Literatur, um schließlich seine elendige Laufbahn als Objekt der Naturwissenschaft zu umreißen - von der tierischen Elektrizität über das Labor als Folterkammer bis zum genmanipulierten "gläsernen Frosch".
Im "Ökofrosch" sieht Hüppauf die einstweilen letzte Metamorphose dieses schlechthin nichtidentischen Tiers. Von einem Indikator für Umweltschäden mutiert das alte Inbild der Fruchtbarkeit und des Gewimmels zu einer fragilen, vom Tod gezeichneten Kreatur, einem "Tier der Sorge". So weitet sich schließlich eine becircend nachdenkliche Kulturgeschichte zum engagierten Ausblick auf eine ökologische Ethik, die das Tier aus der Passivität als Objekt menschlichen Handelns befreien und gemeinsam mit dem Menschen in die Konstruktion der Natur einsetzen möchte.
Bernd Hüppauf: "Vom Frosch". Eine Kulturgeschichte zwischen Tierphilosophie und Ökologie.
transcript Verlag, Bielefeld 2011. 400 S., Abb., br., 24,80 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Von Michael Adrian
Von der hässlichen Kröte über die dicke Kröte, die einer schlucken muss, verbindet der Sprachgebrauch vor allem Abwehr und Ekel mit Frosch & Co. In der Figur des Märchenprinzen, in die sich ein Frosch verwandeln möge, hat sich indes auch eine Ahnung erhalten, dass in dem Tier noch etwas mehr stecken könnte. Dem gleichsam Unabgegoltenen des Frosches widmet der Germanist Bernd Hüppauf eine glänzende kulturgeschichtliche Untersuchung. Es ist ein wahres Tier der Wandlungen, das der Autor in seiner profunden Monographie vorführt. Ob der Frosch in der ägyptischen Mythologie ins Reich der Mischwesen und damit Sakrale gehörte, ob er in China als Symbol für Geld stehen kann oder in Japan für den Frühling, wir erfahren, wie wenig selbstverständlich unsere einschlägigen Assoziationen sind. Frühe und außereuropäische Kulturen verbinden den Frosch mit Verwandlung und Fruchtbarkeit, nicht mit dem Bösen oder Hässlichen, ja nicht einmal mit schleimiger Haut oder dissonanten Lauten.
Den Verfasser interessieren nicht einfach die historisch wechselnden Bilder, sondern ihre Konstruktionsprinzipien, also etwa die Frage, wie sich theologische und moralische Zuschreibungen in Teufelsgestank verwandeln, in sinnlich wahrnehmbare Eigenschaften, die über Jahrhunderte nachzuwirken vermögen. Mit diesem Erkenntnisinteresse folgt das gewinnbringend illustrierte Buch mannigfaltigen Gestalten des Frosches in Magie und Literatur, um schließlich seine elendige Laufbahn als Objekt der Naturwissenschaft zu umreißen - von der tierischen Elektrizität über das Labor als Folterkammer bis zum genmanipulierten "gläsernen Frosch".
Im "Ökofrosch" sieht Hüppauf die einstweilen letzte Metamorphose dieses schlechthin nichtidentischen Tiers. Von einem Indikator für Umweltschäden mutiert das alte Inbild der Fruchtbarkeit und des Gewimmels zu einer fragilen, vom Tod gezeichneten Kreatur, einem "Tier der Sorge". So weitet sich schließlich eine becircend nachdenkliche Kulturgeschichte zum engagierten Ausblick auf eine ökologische Ethik, die das Tier aus der Passivität als Objekt menschlichen Handelns befreien und gemeinsam mit dem Menschen in die Konstruktion der Natur einsetzen möchte.
Bernd Hüppauf: "Vom Frosch". Eine Kulturgeschichte zwischen Tierphilosophie und Ökologie.
transcript Verlag, Bielefeld 2011. 400 S., Abb., br., 24,80 [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Der Frosch hüpft als "schlechthin nichtidentisches Tier" durch die Kulturen. Der Germanist Bernd Hüppauf hüpft hinterher. Sehr lohnt sich das, lobt Rezensent Michael Adrian. "Profund" sei, was dabei herauskommt. Von Ägypten (Mischwesen) über Japan (Frühling) bis China (Geld) steht der Frosch mal für dies, mal für das. Als Tier der ständigen Wandlung hat man ihn gesehen, so eklig wie seiner schleimigen Haut wegen mitunter uns, erscheint er sonst allerdings selten. Weil Hüppauf sich für die "Konstruktionsprinzipien" der Zuschreibungen interessiere, komme er übers bloß Anekdotische weit hinaus. Darum empfiehlt Adrian dem Leser das Mithüpfen sehr.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH
»Das Werk ist anspruchsvoll zu lesen, Froschfreunde aber werden sicher Neues erfahren.«
Tierwelt, 26 (2011) 20110705
Tierwelt, 26 (2011) 20110705