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Susanne Hirzel war mit Sophie Scholl befreundet und ist mit der "Weißen Rose" den Weg des Widerstands gegen das Naziregime gegangen. Die schwäbische Pfarrerstochter erzählt ihre Jugend während des Dritten Reiches. Sie beschreibt ihre eigene Begeisterung, dann die erste Kritik, die zu bohrendem Zweifel wurde. Darauf folgte der aufkeimende Wille, auszuscheren, und schließlich der Akt, "dagegen" zu sein. 1943 wurde sie inhaftiert und zu einer Gefängnisstrafe verurteilt.

Produktbeschreibung
Susanne Hirzel war mit Sophie Scholl befreundet und ist mit der "Weißen Rose" den Weg des Widerstands gegen das Naziregime gegangen. Die schwäbische Pfarrerstochter erzählt ihre Jugend während des Dritten Reiches. Sie beschreibt ihre eigene Begeisterung, dann die erste Kritik, die zu bohrendem Zweifel wurde. Darauf folgte der aufkeimende Wille, auszuscheren, und schließlich der Akt, "dagegen" zu sein. 1943 wurde sie inhaftiert und zu einer Gefängnisstrafe verurteilt.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.12.1999

Ein Stachel an der Weißen Rose
Wie eine Pfarrerstochter in den Widerstand gegen Hitler geriet

Susanne Hirzel: Vom Ja zum Nein. Eine schwäbische Jugend 1933-1945", Verlag Klöpfer & Meyer, Tübingen 1999. 262 Seiten, Abbildungen, 38,- Mark.

Das humanistische Gymnasium in Ulm, das Susanne Hirzel besuchte, muss eine besondere Schule gewesen sein. Die Autorin vermittelt dem Leser einen beträchtlichen Teil der bewundernswerten Bildung, die ihr dort vermittelt wurde, und sie zitiert den Präsidenten des Volksgerichtshofs, Freisler, der 1943 befand: "An diesem Ulmer Gymnasium ist etwas nicht in Ordnung, dem sollte nachgegangen werden." Der Satz fiel im zweiten Prozess gegen Angehörige der "Weißen Rose", einer studentischen Widerstandsgruppe gegen Hitler, die auf dem Ulmer Gymnasium etliche Sympathisanten hatte, unter ihnen Susanne Hirzel und deren Bruder Hans. Die Anführer der "Weißen Rose", die Geschwister Sofie und Hans Scholl, wurden 1943 zum Tode verurteilt und hingerichtet. Susanne Hirzel kam mit einer Gefängnisstrafe von einem halben Jahr davon, ihr Bruder Hans wurde zu fünf Jahren Haft verurteilt.

Frau Hirzel, Tochter eines Pfarrers, der im "Dritten Reich" der Bekennenden Kirche angehörte, berichtet in nüchterner Sprache über ihre im Schwäbischen verbrachte Kindheit und ihren Eintritt in den "Jungmädelbund" (JM), die Unterorganisation des nationalsozialistischen "Bundes Deutscher Mädchen" (BDM). Diese Organisation, bekennt die Autorin, habe sie zunächst gar nicht als politische Vereinigung empfunden. Auch die Geschwister Scholl seien der Hitlerjugend "begeistert beigetreten".

Die Begeisterung ließ bald nach, schlug schließlich in Entsetzen um. Die junge Schwäbin Hirzel bekommt die Zerstörung der Synagogen in der "Reichskristallnacht" mit, stört sich auch an der ordinären Hetze gegen Juden, vermag aber das Ausmaß der Gräuel nicht zu fassen. Was den Juden angetan worden sei, habe das deutsche Volk erst nach dem Krieg erfahren. Und sie bekennt, wie sie sich seinerzeit verhielt, nachdem sie gehört hatte, die einzigen ihr bekannten Juden, die Familien Nathan und Dannhauser, bereiteten sich auf die Emigration nach England und Palästina vor: "Leider haben wir in diesen scheußlichen Tagen weder Dannhausers noch Nathans aufgesucht. Ich erinnere mich an meine Gefühle: Die Peinlichkeit war zu groß, es fehlte mir der Mut."

Susanne Hirzel und ihr Bruder Hans, seit langem bekannt mit den Geschwistern Scholl, werden zu Widerstandkämpfern. Frau Hirzel erhält von ihrem Bruder anti-nationalsozialistische Flugblätter der "Weißen Rose", die sie verteilen soll. Sie überlegt, ob sie sich auf das gefährliche Spiel einlassen soll oder ob es nicht besser wäre, die Papiere im Ofen zu verbrennen. Sie entscheidet sich schließlich für den gefahrvollen Weg und steckt die Flugblätter in Stuttgarter Briefkästen. In ihrem Buch schreibt sie: "Es ist vielleicht nicht unangebracht, über folgende Gegebenheiten der Nazi-Zeit etwas zu erfahren. Der Münchner Scharfrichter Reichhart war der letzte einer 200-jährigen Scharfrichter-Dynastie. Im Jahr 1943 tötete er 876 Menschen, insgesamt von 1924 bis 1945 3008. Dass Hitler von Anfang an vorgehabt hatte, eine Schreckensherrschaft zu führen, zeigt die Tatsache, dass er schon 1933 zwanzig Guillotinen bestellte, die von den Insassen des Tegeler Gefängnisses angefertigt werden mussten. Von 1933 bis 1945 wurden 24 559 Todesurteile vollstreckt . . ."

Die Hirzels hatten das Glück, von dem aufrechten Rechtsanwalt Eble verteidigt zu werden, der es geschickt verstand, auf die Mentalität Freislers so einzugehen, dass der furchtbare Jurist seinen Beweisanträgen stattgab. Eble, Mitglied der NSDAP, habe ihr und anderen Angeklagten, schreibt Frau Hirzel, das Leben gerettet. Sie möchte Eble, so die Autorin, ehrend erwähnen, denn noch nie sei in der einschlägigen Literatur der Name dieses Anwalts genannt worden, des einzigen unter den Amtsträgern des Verfahrens, der mutig gewesen sei und ein großes persönliches Risiko auf sich genommen habe.

Mit Wehmut schreibt Frau Hirzel über die Nachkriegsjahre: "Die ,Weiße Rose' interessierte niemanden, die Assoziation mit ihr konnte sogar ungünstig wirken. Hans gab bei Stellenbewerbungen, in denen er seinen Lebenslauf darlegen musste, immer an, er sei ,in Gefangenschaft' (nicht im Gefängnis) gewesen. Später lehnte die Generation der 68er die ,Weiße Rose' ab; das sei ein dilettantisches Unterfangen gewesen. Es wurden sogar Gedenkfeiern gestört."

In dem sonst so sachlich verfassten Buch verwundert, dass die Autorin dem Hinweis, die Gestapo habe ihr einst in Ulm mitgeteilt, ihre Post werde fortan kontrolliert, die Frage anfügt: "Wie macht das der Verfassungsschutz heute eigentlich?" Was mag sie veranlasst haben, unseren bieder-harmlosen Verfassungsschutz in einem Atemzug mit Hitlers Gestapo zu nennen? In ihrem Buch erwähnt Frau Hirzel nicht, dass ihr Bruder Hans 1993, fünfzig Jahre nach seiner Verurteilung durch Freislers Volksgerichtshof, der rechtsradikalen Partei der Republikaner beigetreten ist. Die Republikaner haben ein gestörtes Verhältnis zum Verfassungsschutz, seit sie von ihm beobachtet werden. Das könnte eine Erklärung für diese merkwürdige Frage der Autorin Hirzel sein.

ALFRED BEHR

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