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Die Kulturhistorikerin Caroline Hanken beschäftigt sich seit Jahren mit der Stellung der königlichen Mätressen am französischen Hof des siebzehnten und achtzehnten Jahrhunderts. "Vom König geküßt" wurde vom niederländischen Publikum begeistert aufgenommen und fand bei Presse und Fernsehen sofort große Beachtung. Es ist das erste Buch der Autorin.

Produktbeschreibung
Die Kulturhistorikerin Caroline Hanken beschäftigt sich seit Jahren mit der Stellung der königlichen Mätressen am französischen Hof des siebzehnten und achtzehnten Jahrhunderts. "Vom König geküßt" wurde vom niederländischen Publikum begeistert aufgenommen und fand bei Presse und Fernsehen sofort große Beachtung. Es ist das erste Buch der Autorin.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.03.1997

Mit Durchlaucht durchgebrannt
Caroline Hanken würdigt die Mätressen / Von Hans Pleschinski

Wenn der Sonnenkönig mit dem Wagen ausfuhr, dann war das ein spektakuläres und nicht immer ganz friedliches Ereignis: "Dann saß der König in seiner Kutsche, rechts neben sich die Königin, links seine Mätresse und ihm gegenüber seine vorige Mätresse, die aufzugeben er sich weigerte. Dieser Umstand führte zu Spannungen, an denen die Königin jedoch wenig ändern konnte."

Nicht diesem unvergleichlichen König und seiner Frau, sondern den Damen linkerhand und ihm gegenüber ist Caroline Hankens Buch gewidmet. Die eine war vermutlich Madame de Montespan, die andere Louise de la Vallière. Über letztere schrieb Sainte-Beuve: "Madame de la Vallière bedeutet für uns das verkörperte Ideal der Geliebten mit allen Eigenschaften, die wir erträumen: Treue, Uneigennützigkeit, empfindsame Zartheit . . . Das Aschblond ihres Haares, die durchsichtige und doch lebendige Weiße, die Sanftmut ihrer blauen Augen verbanden sich mit dem süßen, herzgewinnenden Klang ihrer Stimme, alles vereinte sich bei ihr zu vollkommener Harmonie."

Louise de la Vallière nahm später in jungen Jahren heiter den Schleier. Gleichfalls in ein von ihr selbst gegründetes Kloster mußte sich Athénaïs de Montespan zurückziehen, die bei der Kutschpartie des Königs noch die tonangebende Dame Frankreichs gewesen war.

"Vom König geküßt. Das Leben der großen Mätressen" lautet der Titel der Studie von Caroline Hanken, er führt unnötig in die Irre. Im Zentrum stehen nämlich die Grandes Dames Frankreichs, nicht ihre Kollegin in Dresden-Warschau, die Gräfin Cosel, oder Madame des Ursins, die von Madrid aus über das spanische Weltreich gebot. Überdies kommt auch die gewaltige "maîtresse-en-tître" Madame de Maintenon, die spätere heimliche Gattin Ludwigs XIV., etwas kurz. Sie galt als eine derartige europäische Attraktion, daß Peter der Große noch bei der über achtzigjährigen, verwitweten Greisin ins Schlafgemach drang, um sie wortlos von allen Seiten anzustarren.

Caroline Hanken geht es nicht darum, süffig und lückenlos Lebensläufe zu rekonstruieren. Die gelungen ausgeführte Absicht der Niederländerin war es, mit den Klischees über die Liebesgefährtinnen der Monarchen aufzuräumen und, wohl erstmals, eine Entwicklung der öffentlichen Rolle dieser mitunter leider vergessenen Frauengestalten nachzuzeichnen. Einige von ihnen hatten gewichtige, offizielle Ämter in der europäischen Politik inne, als "maîtresse-déclarée" oder sogar als "maîtresse-en-tître".

Hofhaltungen hatten sich bis ins siebzehnte Jahrhundert oft auf Wanderschaft von Schloß zu Schloß befunden. Zu solcher Instabilität schienen sich auch die Liebschaften zu fügen, welche die Herzen da oder dort entflammten, verwirrten, bereicherten. Schwer zu fassen ist daher auch das kulturpolitische Gewicht einer Diane de Poitiers, Favoritin Heinrichs II., oder der Gabrielle d'Estrées, die irdische Seligkeit für Heinrich IV. verkörperte. 1661 ist für Caroline Hanken das Jahr, in dem die bis dato undefinierte Rolle der Geliebten staatlich-offiziell definiert wurde. Denn 1661 erklärte der frisch verheiratete Ludwig XIV. Louise de la Vallière zu seiner "maîtresse" von Amts wegen. Mit ungeheurem Mut erzwang der König ihre Aufwertung. Die Königin war dadurch zu Recht erbittert und bemühte sich (vergeblich) um die Rettung ihrer gesellschaftlichen Reputation. Auch Teile der Geistlichkeit waren aufs tiefste düpiert. Hundert Jahre später hatte sie ihre Haltung wohlweislich geändert: "Die Funktion der Mätresse war so selbstverständlich geworden, daß sogar die Vertreter der Kirche sich gezwungen sahen, eine Kandidatin ins Gefecht zu schicken. So drängten sie den König (Ludwig XV.) sogar, Madame du Barry bei Hofe einzuführen."

1661 mußte der Sonnenkönig immerhin noch seine Exkommunikation befürchten, doch besaß er gerade in den Jesuiten bewegliche Beichtväter, die er zudem jederzeit aus ihrem profitablen Amt entfernen konnte. Bei heiligen Handlungen Seiner Majestät, etwa dem alljährlichen Berühren der Skrofulose-Kranken, hatten die frühen Mätressen sich kurzzeitig aus der Nähe des Souveräns zu entfernen.

Mademoiselle de la Vallière war der neuen, zentralen Position im Königreich nicht gewachsen; ihr folgte Athénaïs de Montespan. Mit ihr nun begannen Mätressen spürbar kulturpolitisch zu wirken. Die Madame de Montespan wurde zur Mit-Erfinderin des Glanzes von Versailles. Die repräsentativen, exquisiten Vergnügungen im Königsschloß, die ins ganze Abendland ausstrahlten, gingen auf ihre Einfälle, ihre Konversation, ihr Ingenium zurück. Ihre Bedeutung unterstrich sie auch durch planvolle Innovationen: "Eine neue Mode hatte nämlich die meiste Aussicht auf Erfolg, wenn sie von mehreren Frauen gleichzeitig lanciert wurde. Darum ließ Madame de Montespan ihre Hofdamen alle am selben Tag mit der gleichen Frisur bei Hof erscheinen." Durch fortdauernde Perfektion ihres Auftretens forcierten die Mätressen geradezu die Etikette des höflichen Tons und der mustergültigen Erscheinung.

Antoinette Poisson, später gemarkgrafte Madame de Pompadour, vollendete den Weg ihrer Vorgängerinnen hin zu einem Amt, das schwieriger kaum sein konnte. Die melancholische Geliebte und Ratgeberin eines melancholischen Monarchen war die erste Bürgerliche, die durch Geist und Liebreiz den Posten der "maîtresse-en-tître" einnahm. Sie protegierte Literaten und Architekten; unter anderem schanzte sie ihrem Stiefvater das Amt des Generalintendanten der Königlichen Bauten zu und plante mit ihrem Bruder die Manufaktur von Sèvres.

Madame de Pompadour wurde zu einem zweiten Ministerkollegium, nicht schlechter und nicht besser als das eigentliche. "Das Arbeitsgebiet, das sie sich selbst schuf, war um vieles größer als das ihrer Vorgängerinnen, und das machte ihr Leben anstrengend. Offiziell fing ihr Tag um acht Uhr mit der Morgenmesse an, doch dann war sie schon Stunden mit ihrer Toilette beschäftigt gewesen. Nach der Messe machte sie der Königin und der Dauphine ihre Aufwartung. Danach empfing sie Höflinge, schrieb Briefe, stellte die Liste der Geladenen zusammen und traf Vorbereitungen für das Dinner des Königs. Mittags ritt sie aus oder ging auf die Jagd; der Rest des Tages war dann bis zur Nacht mit geselligem Zusammensein bei Hofe gefüllt. Oft war sie bis zwei oder drei Uhr in der Nacht auf den Beinen. Darunter litt ihre Gesundheit, doch sie sah keinerlei Möglichkeit, etwas daran zu ändern. Die Angst, durch eine andere ersetzt zu werden . . . begleitete sie ständig. 1764 starb sie dreiundvierzigjährig an Erschöpfung."

Der Glanz des Königtums verlosch allmählich. Mit dem Kulturzentrum Paris, seiner Vielfalt des geistigen Lebens, seiner bürgerlichen Gewissenhaftigkeit konnte selbst die einfallsreichste Mätresse nur noch mit Mühe konkurrieren. Aus intimem Klatsch über die Liebhaberinnen wurden Schmähungen, die den großen Umsturz andeuteten: "Man legte mir das allgemeine Elend zur Last, die verkehrten Pläne des Kabinetts, den Mißerfolg des Krieges und die Triumphe unserer Feinde. Man klagt mich an, daß ich alles verkaufte, in allem meine Hände hatte, alles beherrschte. Eines Tages passierte es tatsächlich, daß ein wackerer alter Mann sich beim Dinner dem König näherte und ihn bat, er möchte ihn doch gütigst der Frau von Pompadour empfehlen. Alle lachten hell auf über die Einfalt des armen Mannes: aber ich - ich lachte nicht."

Nach Athénaïs de Montespan, den vier Schwestern de Nesle und der Pompadour kann der Epilog des Buchs über die langwierige Institutionalisierung von Mätressen nur noch als fader Abspann daherkommen. Bis auf wenige Ausnahmen, etwa bei Ludwig I. und Lola Montez, war von verfassungsrechtlich gebundenen Staatslenkern keine Erhebung einer Mit-Herrscherin mehr zu befürchten. Heute ist die Privatsphäre ein Luxusgut, das je nach Marktwert von den Medien respektiert oder entblößt werden kann. Geschieht letzteres, bleibt Zartes und Schwieriges selten vor Banalisierung bewahrt.

Caroline Hanken schließt ihr Buch mit einem ungewöhnlichen Fall: "Mitterrands Geliebte Anne Pingeot und ihre Tochter Mazarine standen neben seiner Ehefrau Danielle und deren beiden Söhnen am Grab des einstigen Staatsoberhaupts. So wurde die Mätresse des Präsidenten noch nach seinem Tod von der Öffentlichkeit anerkannt."

Caroline Hanken: "Vom König geküßt." Das Leben der großen Mätressen. Aus dem Niederländischen von Christiane Kuby. Berlin Verlag, Berlin 1997. 280 S., Abb., geb., 39,80 DM.

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