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Mit ungeheurem Witz, Schärfe und Esprit nimmt Rivarol seine Mitmenschen, Gott, Tiere, die Politik, die Kunst und die Deutschen ins Visier seiner unvergleichlichen Formulierkunst. Er erweist sich - ein älterer Bruder Nietzsches - als vollendeter und tiefer Menschenkenner, der die menschlichen Leidenschaften rücksichtslos durchleuchtet und sich von keiner noch so perfekten Maske täuschen lässt. Von Ernst Jünger 1956 erstmals in einem biografischen Essay und mit einer kleinen Auswahl dem deutschen Publikum vorgestellt, ist es jetzt möglich, Rivarol, der eine bedeutende subkutane…mehr

Produktbeschreibung
Mit ungeheurem Witz, Schärfe und Esprit nimmt Rivarol seine Mitmenschen, Gott, Tiere, die Politik, die Kunst und die Deutschen ins Visier seiner unvergleichlichen Formulierkunst. Er erweist sich - ein älterer Bruder Nietzsches - als vollendeter und tiefer Menschenkenner, der die menschlichen Leidenschaften rücksichtslos durchleuchtet und sich von keiner noch so perfekten Maske täuschen lässt. Von Ernst Jünger 1956 erstmals in einem biografischen Essay und mit einer kleinen Auswahl dem deutschen Publikum vorgestellt, ist es jetzt möglich, Rivarol, der eine bedeutende subkutane Rezeptionsgeschichte in Deutschland hat, in seiner ganzen Bandbreite kennenzulernen. Ulrich Kunzmann hat alle veröffentlichten Texte dieses Ausnahmedenkers gesammelt und pointiert ins Deutsche übersetzt.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Autorenporträt
Rivarol, Antoine de§Antoine de Rivarol (1753-1801) wurde 1784 in ganz Europa berühmt, als er den Preis der Berliner Akademie für Discours sur l'universalité de la langue française (Rede über die Universalität der französischen Sprache) erhielt. 1792 wich er dem Druck der revolutionären Kräfte und floh nach etlichen Stationen im europäischen Ausland schließlich nach Hamburg. Er starb kurz vor seiner geplanten Rückkehr nach Frankreich in Berlin.

Kunzmann, Ulrich§Ulrich Kunzmann, 1943 geboren, übersetzt seit 1969 aus dem Französischen, Spanischen und Portugiesischen. Zuletzt bei Matthes & Seitz Berlin sind Jean-Henri Fabre: »Erinnerungen eines Insektenforschers«, Jean-Henri Fabre, Michael Ohl (Hg.): »Spinnen«, Napoleon Bonaparte: »Liebesbriefe« erschienen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.10.2012

Die Leute sind doch viel zu müde für Emanzipation

Mit den Idealen der Aufklärung und ihrer Verwirklichung in der Republik durfte man ihm nicht kommen: Ein Band versammelt Aufzeichnungen von Antoine de Rivarol.

Von Eberhard Straub

Was nicht klar ist, ist nicht französisch." Warum das so sein soll, erläuterte Graf Antoine de Rivarol in einem Essay über die Universalität der französischen Sprache, der 1784 Friedrich den Großen entzückte. Der König berief ihn sofort in seine Akademie. Diesen Franzosen schlechthin, wie Voltaire ihn charakterisierte, musste die Revolution schockieren. Eine Anthologie mit dem Titel "Vom Menschen" vereinigt eine stattliche Anzahl von Beobachtungen, Gedanken und Maximen aus den verschiedenen Schriften Rivarols, solchen vor allem, die während der Revolution entstanden.

Mit dem Menschen meint Rivarol den politisch-sozialen, den historischen und konkreten Menschen. Damit unterschied er sich von den revolutionären Menschenfreunden, die von der Natur des Menschen sprachen, von seiner Freiheit und seinen angeborenen Menschenrechten, vom möglichen Menschen also. Rivarol beharrte darauf, dass der Mensch nackt geboren wird und der Kleider, also der Ordnung und der Einordnung seit Beginn der Geschichte, bedarf Den Menschen, der als edler Wilder Sonne seines Sittentages ist, hielt er für eine phantastische Konstruktion. Die Freiheit des Menschen liegt nicht in seiner Natur, wie er gegen Rousseau argumentierte. Frei zu sein heißt das zu tun, was das Gesetz verlangt. Erst in der Geschichte beginnt die Freiheit.

Die Gesetze und die Freiheit freilich wandeln sich dauernd. Deshalb gibt es so viele Möglichkeiten der Freiheit wie unterschiedliche Organisationen rechtlich geordneten gesellschaftlichen Lebens. Die maximale Freiheit setzt die maximale Unfreiheit voraus. Rivarol verweist auf die attische Republik. Die öffentliche Selbstbestimmung und Mitbestimmung weniger Bürger im demokratisch-klassischen Athen war ohne die Sklaverei undenkbar. Diese nahmen ihren Herren die Mühe der Arbeit ab und gewährten ihnen die Muße, sich ausschließlich mit Politik und der Mitbestimmung des allgemeinen Wohles zu beschäftigen. Den Anhängern allumfassender Aufklärung hielt er entgegen, dass die überwältigende Mehrheit der Bürger gezwungen sei, sechs Tage zu arbeiten. Am siebten darf sie ausruhen, was nicht meint, nun unbedingt in Verfassungskommentaren zu blättern oder mit kritischen Theorien das Denken wach und biegsam zu halten, schon allein weil die Massen gar nicht lesen konnten.

Nüchtern gab Rivarol zu bedenken, dass auch die zivilisiertesten Reiche trotz aller aufklärerischen Bemühungen der Barbarei so nahe sind wie das polierte Eisen dem Rost. Nationen und Metalle glänzen nur an der Oberfläche. Völker handeln häufig wie Nero, aber gleichen niemals Marc Aurel, dem philosophischen Kaiser. Der Verlauf der Revolution mit ihren Hinrichtungen, Massenerschießungen, Massenertränkungen und der erklärten Bereitschaft, ganze Provinzen zu entvölkern, veranschaulichte in seinen Augen eindringlich, wie verheerend der philosophische Fanatismus einer wehrhaften Demokratie sich auswirkte.

Von vornherein fürchtete er den Umschlag der Revolution in einen demokratischen Totalitarismus, in eine bislang unbekannte, eben totalitäre Despotie. Rivarol war der Erste, der von der Dialektik der Aufklärung sprach. Unablässig dachte er darüber nach, wie und warum die Freiheit den Terror heraufbeschwören, die Menschlichkeit unter Umständen zur Ausrottung des Nächsten als Menschenfeind führen und die Intoleranz die Konsequenz der Toleranz sein kann, auf die Verfassungsfeinde oder Dunkelmänner, die sich der Aufklärung verweigern, ihren Anspruch verwirken.

Es waren "die Freunde des Volkes", denen Rivarol misstraue, weil sie, von Mirabeau und Lafayette angefangen, als Menschenfreunde und Demokraten bestimmten, wer unmenschlich, undemokratisch oder intolerant dachte und handelte. Schon das Denken, nicht erst die Tat, konnte einen Bürger verdächtig machen, nicht fest genug in der Wertegemeinschaft als verschworener Gesinnungsgemeinschaft zu stehen.

Im September 1791 fasste Emanuel Schikaneder in der "Zauberflöte" diese Widersprüchlichkeit damaliger aufgeklärter Menschenliebe formelhaft zusammen, wenn er Sarastro verkünden lässt: "Wen solche Lehren nicht erfreuen, verdienet nicht, ein Mensch zu sein." Er muss, wie Rivarol beobachtete, "dem Schutz des Volkes" unterstellt, also verhaftet oder gleich hingerichtet werden. Für Rivarol ist die Bilanz eindeutig: "Wohin hast du uns geführt, moderne Philosophie, und wem hast du uns ausgeliefert? Eine düstere Nacht, die sich im Namen des Lichtes herabgesenkt hat! Eine allumfassende Tyrannei im Namen der Freiheit! Ein tiefes Delirium im Namen der Vernunft." Rivarol hielt die gesamte Revolution für eine Katastrophe, für die bislang schlimmste in der französischen, ja in der europäischen Geschichte, wegen der Anziehungskraft der vorbildlichen Nation. Er wollte deshalb die Revolution entmythologisieren. Das gefährdete lange Zeit seinen Ruf. Denn fast alle wollten doch zumindest an den sogenannten Ideen von 1789 festhalten und nicht in ihnen schon den Vorbereiter künftiger Verbrechen fürchten.

Die Forschungen François Furets und seiner Schule haben die Revolution in den letzten dreißig Jahren gründlich von ihrem mythischen Glanz gereinigt. Die Französische Revolution ist ein großer Zusammenhang, aus ihm lassen sich nicht Abschnitte isolieren und poetisieren. "Die Ordnung, die 1789 als fortschrittliche ihren Weg antrat, trug von Beginn an die Tendenz zum autoritären Staat in sich", wie 1939 Max Horkheimer bemerkte. Ein Urteil, das François Furet fast fünfzig Jahre später bestätigte. Gerade deswegen kam es in Frankreich zu einem sehr späten Nachruhm Rivarols. Wie Tacitus unterrichtet er über die Unsicherheit gesellschaftlicher und politischer Verfassungen und deren immer möglichen Zusammenbruch. Darin liegt seine bleibende Aktualität.

Antoine de Rivarol: "Vom Menschen".

Gedanken und Maximen - Portraits und Bonmots.

Hrsg. und übersetzt von Ulrich Kunzmann. Matthes & Seitz, Berlin 2012. 498 S., geb., 39,80 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Von bleibender Aktualität ist Antoine de Rivarol für den Rezensenten Eberhard Straub deshalb, weil dieser Kritiker der französischen Revolution vehement auf die Präkarität gesellschaftlicher und politischer Verfassungen hinwies. Die vorliegende von Ulrich Kunzmann herausgegebene Anthologie mit Beobachtungen, Gedanken und Maximen Rivarols aus der Zeit der Revolution liest Straub als Porträt des Menschen als eines sozialen, historischen Wesens. Eines Wesens, wie Straub erläutert, das Rivarol in Gefahr sah, von der Revolution in einen demokratischen Totalitarismus abzugleiten. Laut Rezensent erscheint der Autor in seinen Aufzeichnungen als der Erste, der derart auf die Dialektik der Aufklärung hinwies.

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