waren die Verstrickungen in den Nationalsozialismus unter den Mitbürgern im privaten wie im öffentlichen Zusammenleben nur in Ausnahmefällen ein Thema. Dieses Beschweigen erleichterte politisch die Integration der Vergangenheitsbelasteten in die Bürgerschaft der Bundesrepublik. Gegen diese zuerst 1983 vorgetragene These erhob sich anfangs scharfer Widerspruch. Inzwischen wird sie eher in zustimmender Meinung zitiert. Das passt zu einer historisch-politischen Lage, in der der Nationalsozialismus, statt verdrängt zu sein, vollendet historisiert ist. Es passt zugleich zu einem neuen bürgerlichen Selbstgefühl, das für intellektuelle Wunschbilder einer ganz anderen Republik unempfänglich geworden ist und sich stattdessen reformpolitisch um die Erhaltung der bestehenden Republik sorgt.
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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension
Mit diesem Buch legt Hermann Lübbe seinen berühmten Aufsatz von 1983 wieder auf, in dem er das Beschweigen der NS-Vergangenheit in der frühen Bundesrepublik als notwendig für den Aufbau eines neuen Gemeinwesens wertete. Gegen die "Atmosphäre des intellektuellen Verdachts" oder den angeblichen "Sündenstolz" setzte er die Maxime, dass es wichtiger gewesen sei, wohin jemand gehe, als woher er komme. Rezensent David Oels hat die neuerliche Publikation zwar gern zum Anlass genommen, noch einmal über Lübbes Thesen nachzudenken, aber schlüssig findet er sie immer noch nicht. Nicht nur retrospektive Argumentation stört ihn (die Bundesrepublik sei ein Erfolg, also muss der eingeschlagene Weg richtig gewesen sein). Vor allem sieht er hier ein Missverständnis am Werk: In der frühen Bundesrepublik wurden nicht Taten beschwiegen, sondern die eigenen Opfer beklagt.
© Perlentaucher Medien GmbH
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