»Viele Menschen stimmen Beschlussvorlagen zu, um nicht länger mit Zahlen gequält zu werden.«Mit seinem ersten Buch Abschied vom Schlaraffenland sorgte Manfred Rommel 1987 für Furore. Darin beschrieb er das Ende des Wirtschaftswunders. In seinem aktuellen Buch will Rommel den Deutschen das Selbstmitleid austreiben. Mit Ironie und spitzer Feder hält er der Politik einen Spiegel vor. Er äußert sich zum Thema »Heimat«, Deutschland und die Deutschen, zu Politik, Wirtschaft und Kultur und zu Globalisierung, Gerechtigkeit und Finanzpolitik. Sein Hauptthema, das sich als roter Faden durch das Buch zieht, ist die Finanzierbarkeit von Politik.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.10.2006Kunterbunte schwäbische Geistesblitze
Manfred Rommel über deutsches Selbstmitleid / Von Dirk Klose
Die ersten Jahrzehnte der Bundesrepublik waren auch die Zeit großer Oberbürgermeister. Nevermann in Hamburg, Reuter in Berlin, Kolb in Frankfurt, Burauen in Köln sowie Wimmer und Vogel in München sind nur die bekanntesten Namen. Sie alle stehen für den Wiederaufbau, den sie mit großer Energie voranbrachten, wobei sie sich im Einklang mit den Bewohnern ihrer Städte wußten. Besonderes Glück hatte Stuttgart, das in vier Jahrzehnten nur zwei Bürgermeister brauchte, zum einen den legendären Arnulf Klett, zum anderen Manfred Rommel. Klett war das Urbild des "Schaffe, schaffe"-Schwaben, nach außen etwas spröde wirkend, bei seinen Stuttgartern aber wegen seines schier unglaublichen Fleißes und der großen Erfolge ungemein populär. Als Rommel nachfolgte, war man zunächst skeptisch, aber er überzeugte rasch durch ebensolchen Fleiß sowie durch Toleranz und Esprit, den er sich bis heute trotz bedrückender Krankheit (Parkinson) bewahrt hat. Seinen dreizehn Büchern, die er bisher veröffentlicht hat und von denen nicht nur die Erinnerungen von 1998 ("Trotz allem heiter") ein Bestseller wurden, hat er jetzt ein weiteres hinzugefügt in der Absicht, das deutsche Selbstmitleid an der Wurzel zu packen.
Wie ein roter Faden ziehen sich diese Gedanken durch das Buch: realistisch bleiben, solide wirtschaften, Finanzen wieder in Ordnung bringen, die demokratische Ordnung als die letztlich doch beste aller Möglichkeiten hegen und pflegen. Rommel hat sein Buch in neun Kapitel unterteilt, die ausgehen von "Heimat" und "Grundlagen" und über das Machbare in Politik und Kultur bis zu Fragen der Globalisierung und der deutschen Nachkriegsgeschichte reichen. Es sind bewußt subjektiv geschriebene Texte, die sich in ihrer Mischung aus Nüchternheit, schnoddrigem Humor und schwäbischer Eigenwilligkeit nur eines verbieten: Larmoyanz und Wehleidigkeit.
Rommel einen bekennenden Schwaben zu nennen würde ihn wohl nicht stören. Zur Untermauerung vieler Ansichten dienen ihm immer wieder pointierte schwäbische Redensarten, die - nur gelesen - so gar nicht gemütlich sind, eher brummig, ja mitunter fast herzlos. Aber als Schwabe hat man es auch leicht: Es stehen genügend große Geister als Referenz zur Verfügung. Rommel zieht den Philosophen Georg Wilhelm Friedrich Hegel heran, und schon hat man den Weltgeist im Boot, wodurch dann alles nicht mehr beliebig ist, sondern ehrfurchtgebietend und bedeutungsvoll. Als sparsamer Hausvater, auch darin ganz Schwabe, kommt Rommel nicht von ungefähr wiederholt auf die Finanzpolitik von Bund und Ländern zu sprechen. Auf keinen Fall könne sich die Bundesrepublik neben den vielen Problemen, die sie aus vielerlei Gründen habe, auch noch eine Unordnung in der Finanzwirtschaft leisten. Ohne Namen zu nennen, liest er besonders der vorletzten Bundesregierung die Leviten: "Die Politik muß sich ausrichten an einem langfristigen Finanzkonzept, das Ziele vorgibt und für die großen Aufgabenbereiche und Ausgabenblöcke die Grenzen des Möglichen bestimmt." Ein solches Konzept müsse realistische Schritte für die Konsolidierung vorsehen, Änderungen müßten möglich sein, "aber nur, wenn die Folgen für das Ganze einbezogen werden".
Und auch das ist für ihn unumgänglich: "Wenn Deutschland seine sozialen Fragen sinnvoll beantworten soll, braucht es mehr wirtschaftliches Wachstum. Deshalb müßten Wachstumshemmnisse beseitigt werden, auch wenn es sozialpolitische ,Errungenschaften' vergangener Jahre sind." Überhaupt sollten sich die Deutschen angewöhnen, in Gedanken und Taten flexibler zu werden: "Was richtig ist und was falsch, hängt von den Umständen ab. Die Möglichkeiten von Entscheidungen bewegen sich zwischen ,grob falsch' und ,einigermaßen richtig'. ,Grob falsch' ist jedenfalls die Meinung, daß erreichte Vorteile auf jeden Fall bleiben müssen. Eine solche Einstellung konserviert Vergangenes, löst sich von der Wirklichkeit und wird zu einer Utopie der Katastrophe."
Rommels Buch ist eine bunte Mischung geistreicher Kurzessays, denen der Leser gerne folgt, auch wenn er - merkwürdigerweise gerade in den "Kulturkapiteln" - auch auf manche Gemeinplätze stößt. Beim Räsonieren will der Autor letztlich nicht stehenbleiben: "Bei der Frage, wer und was moralisch ist, kommt es auf Taten an, die Tatsachen im Sinne der Moral verbessern." Und er setzt auf die Frauen. Zeiten, in denen ein preußischer Abgeordneter fragen konnte: "Zu was brauchen die Frauen mehr Geld? Sie saufen nicht, sie rauchen nicht, und Weiber sind sie selber!", sind für ihn (und hoffentlich für alle Politiker heute) längst vorbei. Rommel ist sich ganz sicher: "Wie überall werden die Frauen auch in der Kultur die Zügel in die Hand nehmen, und das ist gut so."
Manfred Rommel: "Vom Schlaraffenland ins Jammertal?" Wir machen uns schlechter, als wir sind. Hohenheim Verlag, Stuttgart 2006. 286 S., 19,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Manfred Rommel über deutsches Selbstmitleid / Von Dirk Klose
Die ersten Jahrzehnte der Bundesrepublik waren auch die Zeit großer Oberbürgermeister. Nevermann in Hamburg, Reuter in Berlin, Kolb in Frankfurt, Burauen in Köln sowie Wimmer und Vogel in München sind nur die bekanntesten Namen. Sie alle stehen für den Wiederaufbau, den sie mit großer Energie voranbrachten, wobei sie sich im Einklang mit den Bewohnern ihrer Städte wußten. Besonderes Glück hatte Stuttgart, das in vier Jahrzehnten nur zwei Bürgermeister brauchte, zum einen den legendären Arnulf Klett, zum anderen Manfred Rommel. Klett war das Urbild des "Schaffe, schaffe"-Schwaben, nach außen etwas spröde wirkend, bei seinen Stuttgartern aber wegen seines schier unglaublichen Fleißes und der großen Erfolge ungemein populär. Als Rommel nachfolgte, war man zunächst skeptisch, aber er überzeugte rasch durch ebensolchen Fleiß sowie durch Toleranz und Esprit, den er sich bis heute trotz bedrückender Krankheit (Parkinson) bewahrt hat. Seinen dreizehn Büchern, die er bisher veröffentlicht hat und von denen nicht nur die Erinnerungen von 1998 ("Trotz allem heiter") ein Bestseller wurden, hat er jetzt ein weiteres hinzugefügt in der Absicht, das deutsche Selbstmitleid an der Wurzel zu packen.
Wie ein roter Faden ziehen sich diese Gedanken durch das Buch: realistisch bleiben, solide wirtschaften, Finanzen wieder in Ordnung bringen, die demokratische Ordnung als die letztlich doch beste aller Möglichkeiten hegen und pflegen. Rommel hat sein Buch in neun Kapitel unterteilt, die ausgehen von "Heimat" und "Grundlagen" und über das Machbare in Politik und Kultur bis zu Fragen der Globalisierung und der deutschen Nachkriegsgeschichte reichen. Es sind bewußt subjektiv geschriebene Texte, die sich in ihrer Mischung aus Nüchternheit, schnoddrigem Humor und schwäbischer Eigenwilligkeit nur eines verbieten: Larmoyanz und Wehleidigkeit.
Rommel einen bekennenden Schwaben zu nennen würde ihn wohl nicht stören. Zur Untermauerung vieler Ansichten dienen ihm immer wieder pointierte schwäbische Redensarten, die - nur gelesen - so gar nicht gemütlich sind, eher brummig, ja mitunter fast herzlos. Aber als Schwabe hat man es auch leicht: Es stehen genügend große Geister als Referenz zur Verfügung. Rommel zieht den Philosophen Georg Wilhelm Friedrich Hegel heran, und schon hat man den Weltgeist im Boot, wodurch dann alles nicht mehr beliebig ist, sondern ehrfurchtgebietend und bedeutungsvoll. Als sparsamer Hausvater, auch darin ganz Schwabe, kommt Rommel nicht von ungefähr wiederholt auf die Finanzpolitik von Bund und Ländern zu sprechen. Auf keinen Fall könne sich die Bundesrepublik neben den vielen Problemen, die sie aus vielerlei Gründen habe, auch noch eine Unordnung in der Finanzwirtschaft leisten. Ohne Namen zu nennen, liest er besonders der vorletzten Bundesregierung die Leviten: "Die Politik muß sich ausrichten an einem langfristigen Finanzkonzept, das Ziele vorgibt und für die großen Aufgabenbereiche und Ausgabenblöcke die Grenzen des Möglichen bestimmt." Ein solches Konzept müsse realistische Schritte für die Konsolidierung vorsehen, Änderungen müßten möglich sein, "aber nur, wenn die Folgen für das Ganze einbezogen werden".
Und auch das ist für ihn unumgänglich: "Wenn Deutschland seine sozialen Fragen sinnvoll beantworten soll, braucht es mehr wirtschaftliches Wachstum. Deshalb müßten Wachstumshemmnisse beseitigt werden, auch wenn es sozialpolitische ,Errungenschaften' vergangener Jahre sind." Überhaupt sollten sich die Deutschen angewöhnen, in Gedanken und Taten flexibler zu werden: "Was richtig ist und was falsch, hängt von den Umständen ab. Die Möglichkeiten von Entscheidungen bewegen sich zwischen ,grob falsch' und ,einigermaßen richtig'. ,Grob falsch' ist jedenfalls die Meinung, daß erreichte Vorteile auf jeden Fall bleiben müssen. Eine solche Einstellung konserviert Vergangenes, löst sich von der Wirklichkeit und wird zu einer Utopie der Katastrophe."
Rommels Buch ist eine bunte Mischung geistreicher Kurzessays, denen der Leser gerne folgt, auch wenn er - merkwürdigerweise gerade in den "Kulturkapiteln" - auch auf manche Gemeinplätze stößt. Beim Räsonieren will der Autor letztlich nicht stehenbleiben: "Bei der Frage, wer und was moralisch ist, kommt es auf Taten an, die Tatsachen im Sinne der Moral verbessern." Und er setzt auf die Frauen. Zeiten, in denen ein preußischer Abgeordneter fragen konnte: "Zu was brauchen die Frauen mehr Geld? Sie saufen nicht, sie rauchen nicht, und Weiber sind sie selber!", sind für ihn (und hoffentlich für alle Politiker heute) längst vorbei. Rommel ist sich ganz sicher: "Wie überall werden die Frauen auch in der Kultur die Zügel in die Hand nehmen, und das ist gut so."
Manfred Rommel: "Vom Schlaraffenland ins Jammertal?" Wir machen uns schlechter, als wir sind. Hohenheim Verlag, Stuttgart 2006. 286 S., 19,90 [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Eine "bunte Mischung geistreicher Kurzessays" findet Rezensent Dirk Klose in diesem Buch, mit dem Manfred Rommel den Deutschen das Selbstmitleid austreiben möchte. Wie ein roter Faden ziehen sich die Überzeugungen Rommels für Klose durch das Buch: Danach gelte es vor allem realistisch zu bleiben, solide zu wirtschaften, die Finanzen in Ordnung zu bringen, und die Demokratie hochzuhalten. Gefallen hat Klose der bewusst subjektive, nüchterne und schwäbisch eigenwillige Ton des Buchs. Die Ausführungen des Autors zu Themen wie Heimat, Politik, Kultur und Globalisierung hat er zumeist mit Gewinn gelesen. Nur gelegentlich haben sich seiner Ansicht nach einige Gemeinplätze eingeschlichen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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