Das Titelzitat "Vom Segen des Krieges" macht deutlich: Die Mehrheit der katholischen Studierenden und Studierten erhoffte sich vom Ersten Weltkrieg eine heilende Wirkung auf die von ihnen beklagten Krankheiten der modernen Gesellschaft. Die Studie liefert grundlegende Erkenntnisse über die Elite des deutschen Katholizismus in den Jahren 1914-1918 und ihre Deutung eines Krieges, der als "Urkatastrophe" in die Geschichtsbücher der Welt eingehen sollte.
Anhand vieler neu erschlossener Quellen und Bilddokumente kann der Autor aufzeigen, daß auch für die gebildeten Katholiken die militärische Niederlage des Deutschen Reiches im Ersten Weltkrieg völlig unerwartet kam und insofern eine schwere Hypothek für die nachfolgende erste deutsche Republik bedeuten mußte.
Anhand vieler neu erschlossener Quellen und Bilddokumente kann der Autor aufzeigen, daß auch für die gebildeten Katholiken die militärische Niederlage des Deutschen Reiches im Ersten Weltkrieg völlig unerwartet kam und insofern eine schwere Hypothek für die nachfolgende erste deutsche Republik bedeuten mußte.
KATHOLIZISMUS. Der Nationalismus war in Deutschland um 1900 vor allem Sache des protestantischen Bürgertums, das schon Bismarcks Reichsgründung als Erfüllung der gesamten deutschen Geschichte betrachtet hatte und daraus sowohl eine nationale wie ein protestantische Mission in Europa ableitete. Die Katholiken hielten sich wegen ihrer großdeutschen Erinnerungen wie wegen des Kulturkampfes zurück, aber nach dessen Beilegung entschied sich auch die Zentrumspartei für eine nationalere Politik. Vor allem Akademiker öffneten sich nun dem Nationalismus. Und den katholischen Akademikern und ihren Studentenverbindungen widmet sich Stephan Fuchs, der allerdings kaum über seinen Gegenstand hinausblickt. Beispielsweise verzichtet er auch auf einen Vergleich mit Frankreich und Italien. Trotz päpstlicher Mahnungen zu Frieden oder Neutralität hat sich der Katholizismus um 1914 dem Nationalismus nicht so entgegengestellt, wie es seiner Idee entsprochen hätte. Wann und wie die Nationalisierung katholischer Akademikerverbände erfolgte, schildert Fuchs sehr detailliert anhand von Publikationen aus der Zeit des Weltkrieges. Aber zu Recht greift er erklärend zurück. Noch im Jahrzehnt nach 1900 hatten Corps und Burschenschaften die katholischen Korporationen als national unzuverlässig und ultramontan beschimpft und ihnen wegen ihrer Ablehnung von Duell und Mensur die "Waffenfähigkeit" abgesprochen. Daß Wilhelm II., der ja durchaus die Versöhnung der Konfessionen wollte, den katholischen Studenten damals zur Seite trat, bestärkte nicht wenige von ihnen auf dem Weg nach rechts. Besonders die farbentragenden Korporationen des C.V. sahen seitdem im Kaiser eine Identifikationsfigur, 1914 dann selbst in Hindenburg und Bismarck. Auch der deutsche Nationalismus vieler Österreicher wirkte im C.V. Aus den Kommentaren in den Publikationen aller katholischen akademischen Verbände entnimmt Fuchs, daß auch diese "Teilöffentlichkeit" davon überzeugt war, daß Deutschland sich "gegen verräterische und von niederen Motiven geleitet Feinde verteidigen" müsse. Nur zu dem mit dem Nationalismus inzwischen oft einhergehenden Antisemitismus hielten die Katholiken weiterhin Distanz, nur Mitglieder des C.V. wurden auch dafür anfällig. Überhaupt blieben Unterschiede zwischen den farbentragenden und den nichtfarbentragenden Studentenvereinen bestehen. Letztere blieben mehr in katholischen Traditionen und fragten mehr nach dem Sinn des Krieges, welchen erstere vorbehaltlos akzeptierten. Das Pathos von Krieg und Sieg übertönte die Vernunft. Die 1917 erfolgte Wende des Zentrums zu einer Friedenspolitik, für die exemplarisch Matthias Erzberger erwähnt wird, wurde von den untersuchten Zeitschriften nicht mitvollzogen. Hier werden Brüche deutlich, von denen es leider abschließend nur heißt, daß sie "nicht mehr Gegenstand dieser Studie" sind. Aber sagen sollte man doch, daß nach 1918/19 Akademiker den Kern jenes Rechtskatholizismus bildeten. (Stephan Fuchs: "Vom Segen des Krieges". Katholische Gebildete im Ersten Weltkrieg. Eine Studie zur Kriegsdeutung im akademischen Katholizismus. Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2004. 372 Seiten, 60,- [Euro].)
RUDOLF LILL
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Insgesamt zufrieden zeigt sich Rezensent Rudolf Lill mit Stephan Fuchs' Studie über die Rolle von katholischen Akademikern und ihren Studentenverbindungen im Ersten Weltkrieg. Trotz päpstlicher Mahnungen zu Frieden oder Neutralität habe sich der Katholizismus um 1914 dem Nationalismus nicht so entgegengestellt, wie es seiner Idee entsprochen hätte, berichtet Lill. "Sehr detailliert", schildere Fuchs, wann und wie die Nationalisierung katholischer Akademikerverbände erfolgte. Zu Recht greife er dazu erklärend zurück. Dass Wilhelm II. ihnen zur Seite trat, habe viele katholischen Studenten auf dem Weg nach rechts bestärkt. Etwas Bedauerlich findet Lill allerdings, dass Fuchs kaum über seinen Gegenstand hinausblickt. So vermisst er etwa einen Vergleich mit Frankreich und Italien.
© Perlentaucher Medien GmbH
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"...eine merkliche Bereicherung..." "Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte 68, 2005/3