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Sind wir zu natürlicher oder politischer Feindschaft unvermeidlich verurteilt? Der vorliegende Band zeigt, dass Feindschaft immer wieder neu in Prozessen der Verfeindung entsteht, deren fragwürdiger "Sinn" hier zur Diskussion gestellt wird. Zu einer "realistischen", nüchternen Betrachtung dieser Prozesse, gehört es auch, das Verhältnis zwischen Feindschaft und Fremdheit zu befragen, Beispiele der näheren und ferneren Vergangenheit heranzuziehen, das scheinbar natürliche Verhältnis von Feindschaft und Krieg zu hinterfragen, Radikalisierungen der Feindschaft zu untersuchen, Feindschaft in ihrer…mehr

Produktbeschreibung
Sind wir zu natürlicher oder politischer Feindschaft unvermeidlich verurteilt? Der vorliegende Band zeigt, dass Feindschaft immer wieder neu in Prozessen der Verfeindung entsteht, deren fragwürdiger "Sinn" hier zur Diskussion gestellt wird. Zu einer "realistischen", nüchternen Betrachtung dieser Prozesse, gehört es auch, das Verhältnis zwischen Feindschaft und Fremdheit zu befragen, Beispiele der näheren und ferneren Vergangenheit heranzuziehen, das scheinbar natürliche Verhältnis von Feindschaft und Krieg zu hinterfragen, Radikalisierungen der Feindschaft zu untersuchen, Feindschaft in ihrer Funktion als Identitäts- oder Gemeinschaftsbegründung in den Blick zu nehmen, den moralischen Umgang mit Feindschaft zu überprüfen, die Formen und Strukturen der Imagination von Feinden zu interpretieren – und selbstverständlich die klassischen Bestimmungen von Feindschaft in der modernen politischen Philosophie zu reflektieren. Der interdisziplinär angelegte Band verbindet exemplarische mit systematisch ansetzenden Studien, die sich gleichsam als Probebohrungen im Nährboden von Gewalt und Krieg verstehen lassen. Sie versprechen, einem neuen, nicht einfach auf zweifelhafte Anthropologien zurückgreifenden Nachdenken über Feindschaft den Weg zu bahnen.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Autorenporträt
Burkhard Liebsch ist Privatdozent an der philosophischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum.

Christian Geulen ist Professor für Neuere/Neueste Geschichte und deren Didaktik an der Universität Koblenz-Landau.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.01.2003

Krieg und Krieger
"Enemy Mine": Ein Sammelband erklärt den Sinn der Feindschaft

Die politische Erörterung von Detailfragen einer Kriegsvorbereitung kann eine solche Eigendynamik entwickeln, daß die grundsätzliche Frage nach der Rechtfertigung dieses Krieges nicht nur verschwindet, sondern dort, wo sie noch gestellt wird, als realitätsfern und veraltet erscheint. Ein Sammelband geht jetzt den wechselwirkenden Prozessen von Verfeindung und Krieg nach, ihren Identitäts- und Gemeinschaftsbildungen sowie ihren "paradoxen Verfestigungen durch moralische Bewertungen" (Clemens Knobloch), die vorgeblich immer De-Eskalationsstrategien anmahnen, faktisch aber oft zur Radikalisierung öffentlicher Feindbilder beitragen.

Am Beispiel der Historiographie des Ersten Weltkriegs wird gezeigt, daß kaum ein anderer Krieg im Zeichen der Metapher des Pulverfasses so herbeigeredet und noch vor seinem Beginn als eigentlich schon lange stattfindend gedacht wurde. So genau sich die Ursachen des Krieges rekonstruieren lassen, das Jahr 1914 "markiert immer auch einen Überschuß an historischer Bedeutung, an geschichtlicher Notwendigkeit, der in Kausalerklärungen nicht aufgeht" (Christian Geulen). Gegen eine von Hobbes bis Schmitt reichende Tradition der Feindtheoretiker wird im Sinne Arendts erklärt, daß die systematische Verkettung von Feindschaft und Krieg letztlich immer auf ihre Enthistorisierung hinausläuft, auf die Ersetzung von Geschichte durch einen vorausgesetzten natürlichen Prozeß.

Abgesehen von gelegentlichen argumentativen Unschärfen, die die kritisierten Protagonisten in zentralen Aussagen bisweilen grob verkürzen, wird die Grundthese des Bandes doch eindrucksvoll belegt: daß ein mit dem Krieg identifizierter Begriff der Feindschaft im Kern ein unpolitischer ist. Was Hobbes betrifft, räumen die Herausgeber selbst ein, daß man ihn zu Unrecht gern als Kronzeugen eines ewigen, unaufhebbaren und anthropologisch vorgegebenen Kriegszustandes zitiert. Hobbes hat genau unterschieden: Der latente Kriegszustand, in dem einer dem anderen "das Größte" antun kann (nämlich ihn physisch oder symbolisch zu töten), wird sich nicht abschaffen lassen, wohl aber die manifeste kriegerische Gewalt - wenn nur alle auf sie "zu verzichten versprechen".

"Wer hat als erster gedacht, daß die Politik der mit anderen Mitteln fortgesetzte Krieg ist?" fragt Foucault in der "Verteidigung der Gesellschaft". Für Hans Ulrich Wehler war Ludendorff zwar nicht der erste, wohl aber der radikalste Vertreter einer Kriegstheorie, die in der Politik nur ein Mittel zum Krieg sah und in diesem Sinne die Clausewitzsche auf den Kopf stellte. Schon zu Beginn der zwanziger Jahre hatte Ludendorff gemeint, daß "die Gesamtpolitik dem Kriege zu dienen" habe, da "Politik" im Grunde nichts anderes sei als "eben Krieg". Aus dem von Clausewitz bis Jünger immer noch theoretischen Diskurs zum Verhältnis von Krieg und Politik wurde bei Ludendorff eine praktische Kriegspolitik, in der die Unterscheidung zwischen Politik und Krieg ebenso verschwand wie die zwischen Theorie und Praxis.

Daß der Feind natürlich nicht "an sich" der absolute Feind ist, sich vielmehr erst aufgrund von Unterscheidungen und Entscheidungen zu dem entwickelt, der er am Ende als unbedingt zu Vernichtender sein wird, veranschaulicht der Band mit psychologischen, soziologischen und politologischen Analysen. Dabei spielen, wie es im Vorwort heißt, "neben Projektionen, Surrogatbildungen und paranoiden Momenten vor allem Antizipationen der extremen Bedrohung, die der Feind bedeuten kann, eine nicht zu übersehende Rolle. Die Wahrnehmung des ,realen' Anderen und die ,imaginäre' Aufladung des von diesen Antizipationen bestimmten Bildes, das man sich vom Anderen macht, sind oft kaum mehr auseinanderzuhalten."

Daß die Entwirklichung geradezu die Bedingung der Möglichkeit von Feindschaft sein kann, pointiert Christian Geulen mit Wolfgang Petersens Science-fiction-Film "Enemy Mine", in welchem der Plot von Robinson und Freitag auf der einsamen Insel in Form einer Geschichte der scheinbaren Verwandlung von Feindschaft in Freundschaft auf dem Weg einer doppelten Adoption variiert wird. Obwohl der Film eine Geschichte erzählen muß, versucht er, von dieser zu abstrahieren. Ebensowenig wie man im Film je Näheres über die Ursache des Kriegs zwischen Menschen und außerirdischen Dracs erfährt, gibt es Raum für die behauptete Freundschaft zwischen irdischer und außerirdischer Hauptfigur. In mechanischer Konsequenz führt die bloße Feindschaft vielmehr zur - Verwandtschaft. Die künstliche, jeder politisch-historischen Dimension entratenden Begriffsverdichtung "Enemy Mine" ließe sich denn auch so übersetzen: Schlag ich dir nicht den Schädel ein, mußt du schon mein Bruder sein.

CHRISTIAN GEYER

"Vom Sinn der Feindschaft", herausgegeben von Christian Geulen, Anne von der Heiden, Burkhard Liebsch. Akademie Verlag, Berlin 2002. 253 S., geb., 49,80 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Rezensent Tim B. Müller zeigt sich recht angetan von diesem Band. Als herausragend beurteilt er Joseph Vogls und Ethel Matala de Mazzas Beitrag "Versuch über politische Zoologie", der die wahre Geschichte politischer Metamorphosen an Licht bringe. Auch der Beitrag von Christian Geulen, der die traditionelle Vorstellung vom Krieg als Urzustand der Gesellschaft und Ursprung alles Politischen als unpolitische Fiktion entlarve, hat Müller überzeugt. Ein Lob spendet er außerdem dem Beitrag von Friedrich Balke, der erklärt, wie Carl Schmitt, der die verhasste Ambivalenz der Moderne in den Juden verkörpert glaubte, blind dafür wurde, dass die nationalsozialistische Rückkehr zur Souveränität die Biopolitik nicht überwand, sondern mit deren grenzenloser Ausweitung und Radikalisierung einherging.

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