Immer wieder hat sich Virginia Woolf mit der Frauenfrage befasst. Am berühmtesten ist wohl ihr hellsichtiger Essay Ein Zimmer für sich allein (1929). In Vom Verachtetwerden, zehn Jahre spater erschienen, ist Woolfs Ton weniger ironisch, ihre Haltung unnachgiebiger. Kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs fragt sie sich, wie Frauen einen Krieg verhindern sollen, wenn sie ausgeschlossen sind von Aufgaben in Offentlichkeit und Politik, und übt damit grundsatzliche Kritik am Patriarchat. Auf eindrückliche Weise verbindet Woolf hier schon früh das Private mit dem Politischen, den Aufstieg der Faschisten mit grundsatzlichen gesellschaftlichen Macht- und Denkstrukturen: Die Wurzel des Faschismus liege in der Vorherrschaft des Mannes in samtlichen Lebensbereichen. Aber Woolf kritisiert nicht nur, sondern entwirft auch ein utopisches Gesellschaftmodell, eine Welt, in der Frauen Familie und Erwerbstatigkeit verbinden, sich in Ausbildung und Beruf frei entfalten, wirtschaftliche Unabhangigkeit und intellektuelle Freiheit erreichen: So konnten Frauen für dieselbe Sache arbeiten und kampfen wie Manner, auf Augenhohe mit ihnen. Woolfs noch heute hochaktueller Essay macht deutlich, dass Terror, Unrecht, Autoritarismus nur dann wirklich aus der Welt zu schaffen sind, wenn sie auch im »Kleinen« erkannt und bekampft werden.