Die Studie von Florian Kienzle widmet sich erstmals in breitem Umfang einer Untersuchung der albanischen Literatur anhand der Konzeption von Räumen. Nicht Persönlichkeiten oder Epochen stehen im Mittelpunkt, sondern Orte und Motive. So wird die Geschichte des Landes und seiner Menschen mit vielfältigen Stimmen erzählt.Kienzle beschreibt fünf für Albanien charakteristische Schauplätze. Der Raum ist dabei vom jeweils vorherrschenden historischen und sozialen System geprägt. So wandelt sich das "Haus" als kleinste Einheit der albanischen Gesellschaft vom Wehrturm des Patriarchats zur "Streichholzschachtel" als Metapher für den beengten Wohnraum der Moderne. Ebenso ist die "Stadt" Umbrüchen wie Krieg, Revolution und Transformation unterworfen. Eingehend untersucht wird das "Gefängnis" als archetypischer Ort der Diktatur, der zwar in der Literatur, aber noch nicht gesellschaftlich aufgearbeitet ist. Die Schauplätze im "Jahr Null" sind in Übergangsphasen zwischen verschiedenen Systemenangesiedelt. Bei der Darstellung von "Grenzen" wie dem Meer wird sichtbar, wie diese der Bevölkerung durch den totalitären Staat oder den Westen auferlegt werden. Insgesamt zeigt sich, dass Albanien nicht so exotisch ist, wie es gerne behauptet wird, sondern vielmehr in potenzierter Form aufzeigt, was sich auch global vollzieht. Ein Anhang mit Übersetzungen literarischer Texte von im deutschen Sprachraum bisher vernachlässigten albanischen Autoren bietet eine reichhaltige Stoffsammlung zum untersuchten Themenkreis.