Ein besonderes Stück Kulturgut lassen Karsten Förster und Gerhard Flick wieder aufleben - den Weinbau in Mecklenburg-Vorpommern und in Ostbrandenburg. Sie fanden Erstaunliches in alter Literatur, stellten historische Beiträge zusammen und schrieben auch ganz Gegenwärtiges über den Anbau der köstlichen Reben. Das Interesse der Weinliebhaber wird geweckt, und darüber hinaus möchte der Band neugierig machen auf Regionen, die nur auf den ersten Blick 'zu kalt' für das Gedeihen von Trauben scheinen, denen schon unsere Altvorderen ein Getränk verdankten - ein Getränk, das Geschichte machte, denn: Vom Weine wird ewig gesungen und selten erzählt; er ist ja zunächst Funken der Freude und des Genusses, dann erst der Freund der 'Weisheit'.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.04.2000Trauben aus dem kühlen Norden
Ein dicker Kopf kann dem Weinanbau auch nutzen
Von alters her gehört für die Dichter der Wein zu einem schönen und gesegneten Land. Wo er nicht kultiviert wird, beginnt bei Homer das Gebiet der Barbaren und Zyklopen. In deutschen Gefilden haben ihn die Römer an Rhein und Mosel eingeführt, und mit der Ausdehnung des Christentums erfasst der Rebbau im frühen Mittelalter auch das Maingebiet; benötigten doch die Priester Wein zum Messopfer. Noch im zehnten Jahrhundert wurde die Anbaugrenze kurzerhand in den kühleren Nordosten vorgeschoben, bis in die Bistümer Hildesheim, Merseburg, Zeitz und Meißen hinein. Äbte und Bischöfe ließen schließlich im dreizehnten Jahrhundert auch in Brandenburg, Mecklenburg und Pommern Rebstöcke anpflanzen, und erst als sich das Klima hundert Jahre später verschlechterte, merkte man, dass man zu weit gegangen war.
Gerhard Flick und Karsten Förster haben historische Texte gesammelt, die den Weinbau in Mecklenburg-Vorpommern und Ostbrandenburg belegen. Man erfährt etwas von der Sehnsucht nach der Gunst des Südens, hört von Narren und Toren, die sich immer wieder der trügerischen Hoffnung hingaben, sie könnten die Natur überlisten. Obwohl gegenüber den südwestlichen Weinbaugebieten das Klima in Nordostdeutschland um etwa zwei Grad Celsius kühler ist, obwohl hier der Frühling drei Wochen später beginnt und den Trauben weniger Zeit zum Reifen bleibt, und obwohl hier schließlich häufiger kräftige Winde wehen, die zu "Verrieselungen" führen und somit die Befruchtung des Weins verhindern, haben norddeutsche Dickschädel immer wieder neue Anläufe unternommen, um guten Wein zu gewinnen.
Im sechzehnten Jahrhundert, als das Wetter wieder etwas besser geworden war, begann die zweite Welle des Weinbaus im Nordosten. Nicht Bischöfe wie im Hochmittelalter, sondern weltliche Fürsten waren nun die Förderer. In Frankfurt an der Oder, Guben, Berlin, Schwerin, Plau und anderen Orten wurde Wein gekeltert. Doch vor allem in Mecklenburg ließ der Eifer für den Weinbau bald wieder nach, weil man keine Freude am eigenen Rebensaft hatte. Das Inventar der Johanniterkomturei in Mirow aus dem Jahr 1552 spricht vom "Mirowschen saueren Wein".
Schließlich kam Mitte des neunzehnten Jahrhunderts der Weinbau im deutschen Nordosten fast völlig zum Erliegen, da man nun mit Hilfe der Eisenbahn süße Tropfen aus dem Süden beziehen konnte. Allein die beiden Autoren dieses Büchleins erweisen sich als unverbesserlich. Sie haben sich im letzten Jahr an einem neuen Weinberg in Rattey bei Neubrandenburg beteiligt.
ERWIN SEITZ
Gerhard Flick, Karsten Förster: "Vom Weine wird ewig gesungen". Beiträge zum Weinbau in Mecklenburg-Vorpommern und Ostbrandenburg. Hinstorff Verlag, Rostock 2000. 116 S., geb., 19,90 DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Ein dicker Kopf kann dem Weinanbau auch nutzen
Von alters her gehört für die Dichter der Wein zu einem schönen und gesegneten Land. Wo er nicht kultiviert wird, beginnt bei Homer das Gebiet der Barbaren und Zyklopen. In deutschen Gefilden haben ihn die Römer an Rhein und Mosel eingeführt, und mit der Ausdehnung des Christentums erfasst der Rebbau im frühen Mittelalter auch das Maingebiet; benötigten doch die Priester Wein zum Messopfer. Noch im zehnten Jahrhundert wurde die Anbaugrenze kurzerhand in den kühleren Nordosten vorgeschoben, bis in die Bistümer Hildesheim, Merseburg, Zeitz und Meißen hinein. Äbte und Bischöfe ließen schließlich im dreizehnten Jahrhundert auch in Brandenburg, Mecklenburg und Pommern Rebstöcke anpflanzen, und erst als sich das Klima hundert Jahre später verschlechterte, merkte man, dass man zu weit gegangen war.
Gerhard Flick und Karsten Förster haben historische Texte gesammelt, die den Weinbau in Mecklenburg-Vorpommern und Ostbrandenburg belegen. Man erfährt etwas von der Sehnsucht nach der Gunst des Südens, hört von Narren und Toren, die sich immer wieder der trügerischen Hoffnung hingaben, sie könnten die Natur überlisten. Obwohl gegenüber den südwestlichen Weinbaugebieten das Klima in Nordostdeutschland um etwa zwei Grad Celsius kühler ist, obwohl hier der Frühling drei Wochen später beginnt und den Trauben weniger Zeit zum Reifen bleibt, und obwohl hier schließlich häufiger kräftige Winde wehen, die zu "Verrieselungen" führen und somit die Befruchtung des Weins verhindern, haben norddeutsche Dickschädel immer wieder neue Anläufe unternommen, um guten Wein zu gewinnen.
Im sechzehnten Jahrhundert, als das Wetter wieder etwas besser geworden war, begann die zweite Welle des Weinbaus im Nordosten. Nicht Bischöfe wie im Hochmittelalter, sondern weltliche Fürsten waren nun die Förderer. In Frankfurt an der Oder, Guben, Berlin, Schwerin, Plau und anderen Orten wurde Wein gekeltert. Doch vor allem in Mecklenburg ließ der Eifer für den Weinbau bald wieder nach, weil man keine Freude am eigenen Rebensaft hatte. Das Inventar der Johanniterkomturei in Mirow aus dem Jahr 1552 spricht vom "Mirowschen saueren Wein".
Schließlich kam Mitte des neunzehnten Jahrhunderts der Weinbau im deutschen Nordosten fast völlig zum Erliegen, da man nun mit Hilfe der Eisenbahn süße Tropfen aus dem Süden beziehen konnte. Allein die beiden Autoren dieses Büchleins erweisen sich als unverbesserlich. Sie haben sich im letzten Jahr an einem neuen Weinberg in Rattey bei Neubrandenburg beteiligt.
ERWIN SEITZ
Gerhard Flick, Karsten Förster: "Vom Weine wird ewig gesungen". Beiträge zum Weinbau in Mecklenburg-Vorpommern und Ostbrandenburg. Hinstorff Verlag, Rostock 2000. 116 S., geb., 19,90 DM.
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Für Erwin Seitz erweisen sich die Autoren Gerhard Flick und Karsten Förster als unverbesserliche Liebhaber von Weinen aus dem rauhen Norden: obwohl man seit der Erfindung der Eisenbahnen und dem damit erleichterten Transport von Wein aus geeigneteren Anbaugebieten von der Kelterung Mecklenburger und Bandenburger Weine fast völlig abgekommen ist, weiß er zu berichten, daß Flick und Förster Mitbesitzer eines Weinbergs in Neubrandenburg sind. Zwar enthält sich Seitz einer expliziten Wertung, doch hat er an der historischen Textsammlung der Autoren zum Weinbau in Mecklenburg-Vorpommern und Ostbrandenburg nichts zu bemängeln.
© Perlentaucher Medien GmbH
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