"Denn das Schöne ist nichts als des Schrecklichen Anfang." So umreißt Rilke in seiner ersten Duineser Elegie mit wenigen Worten das Spannungsfeld der Ästhetik: Vom Reizvollen über das leidenschaftlich Begehrenswerte bis hin zum Riskanten, Übermächtigen, Zerstörerischen. Gehört das Schöne gemeinsam mit der Wahrheit und dem Guten noch zu den Fundamenten des abendländischen Denkens? Oder ist es zu einem begehrten Erfolgsfaktor in der Wettbewerbsgesellschaft geworden? Über die Reize und Verlockungen des Schönen, aber auch über seine Tücken und Gefahren diskutierten renommierte Größen aus Philosophie, Kultur-, Sozial- und Naturwissenschaft beim 13. Philosophicum Lech.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.03.2010Fehlsignale
Seit dem Schönen mit dem Verlust des Wahren und Guten auch alle Selbstverständlichkeit abhandenkam, ist es anfällig für allerhand Imperalisierungsversuche, die seinem flüchtigen Reiz nicht mehr viel abgewinnen können. Der evolutionstheoretischen Deutung ist Schönheit nur noch Oberflächensignal einer tieferen Fitnessebene; die Neuroästhetik bietet mit dem Verweis auf Gehirnvorgänge einen objektiven, statistischen Maßstab des Schönen an; der Kapitalismus macht Schönheit zur Wettbewerbspflicht und bannt sie auf einen Mittelwert. So wenig Grazie war selten im Musenhain. Der Entriegelung eines festgestellten Gegenstands gelten die Essays, die auf das letztjährige Philosophicum Lech zurückgehen. Martin Seel verweist auf die Unverzichtbarkeit des Naturschönen. Winfried Menninghaus lockert die Sexbesessenheit evolutionistischer Herleitungen zugunsten des souveränen Spiels frei gewordener Vermögen. Konrad Paul Liessmann blickt in den schmerzlichen Abgrund des Schönen, das in seinem jähen Aufleuchten nie ausschöpfbare Möglichkeitshorizonte biete. Eine schöne Pointe gewinnt Bernadette Wegenstein der vermeintlich geschlossen voranmarschierenden Phalanx von Evolutionismus und Kapitalismus ab: Wenn eine verblassende Hollywood-Schönheit dank neurochirurgischen Eingriffs sagenhaft verjüngt erscheint, sichert sie ihren Marktwert, sendet aber evolutionstheoretisch betrachtet missverständliche Signale aus: Dann verheißt ihre Schönheit eine Fitness, die der verwandelte Körper gar nicht mehr garantieren kann. ("Vom Zauber des Schönen". Reiz, Begehren und Zerstörung. Hrsg. von Konrad Paul Liessmann. Paul Zsolnay Verlag, Wien 2010. 286 S., br., 19,90 [Euro].)
thom
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Seit dem Schönen mit dem Verlust des Wahren und Guten auch alle Selbstverständlichkeit abhandenkam, ist es anfällig für allerhand Imperalisierungsversuche, die seinem flüchtigen Reiz nicht mehr viel abgewinnen können. Der evolutionstheoretischen Deutung ist Schönheit nur noch Oberflächensignal einer tieferen Fitnessebene; die Neuroästhetik bietet mit dem Verweis auf Gehirnvorgänge einen objektiven, statistischen Maßstab des Schönen an; der Kapitalismus macht Schönheit zur Wettbewerbspflicht und bannt sie auf einen Mittelwert. So wenig Grazie war selten im Musenhain. Der Entriegelung eines festgestellten Gegenstands gelten die Essays, die auf das letztjährige Philosophicum Lech zurückgehen. Martin Seel verweist auf die Unverzichtbarkeit des Naturschönen. Winfried Menninghaus lockert die Sexbesessenheit evolutionistischer Herleitungen zugunsten des souveränen Spiels frei gewordener Vermögen. Konrad Paul Liessmann blickt in den schmerzlichen Abgrund des Schönen, das in seinem jähen Aufleuchten nie ausschöpfbare Möglichkeitshorizonte biete. Eine schöne Pointe gewinnt Bernadette Wegenstein der vermeintlich geschlossen voranmarschierenden Phalanx von Evolutionismus und Kapitalismus ab: Wenn eine verblassende Hollywood-Schönheit dank neurochirurgischen Eingriffs sagenhaft verjüngt erscheint, sichert sie ihren Marktwert, sendet aber evolutionstheoretisch betrachtet missverständliche Signale aus: Dann verheißt ihre Schönheit eine Fitness, die der verwandelte Körper gar nicht mehr garantieren kann. ("Vom Zauber des Schönen". Reiz, Begehren und Zerstörung. Hrsg. von Konrad Paul Liessmann. Paul Zsolnay Verlag, Wien 2010. 286 S., br., 19,90 [Euro].)
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