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Der Gaza-Krieg hat die Fragen wieder aufgeworfen: Wie scharf darf man Israel kritisieren? Messen die Israel-Kritiker mit zweierlei Maß - oder die Israel-Verteidiger? Und wann ist die Grenze zum Antisemitismus überschritten? Wenn es um den jüdischen Staat geht, kochen sechzig Jahre nach dessen Gründung die Emotionen regelmäßig hoch. Zumal insbesondere in Deutschland bei der Debatte unterschiedliche Auffassungen darüber aufeinanderprallen, welche Lehren aus Auschwitz zu ziehen sind. Aus der Per spektive eines Franzosen, der als jüdischer Deutscher geboren wurde, bringt Alfred Grosser Klarheit in…mehr

Produktbeschreibung
Der Gaza-Krieg hat die Fragen wieder aufgeworfen:
Wie scharf darf man Israel kritisieren? Messen die Israel-Kritiker mit zweierlei Maß - oder die Israel-Verteidiger? Und wann ist die Grenze zum Antisemitismus überschritten?
Wenn es um den jüdischen Staat geht, kochen sechzig Jahre nach dessen Gründung die Emotionen regelmäßig hoch. Zumal insbesondere in Deutschland bei der Debatte unterschiedliche Auffassungen darüber aufeinanderprallen, welche Lehren aus Auschwitz zu ziehen sind. Aus der Per spektive eines Franzosen, der als jüdischer Deutscher geboren wurde, bringt Alfred Grosser Klarheit in dieses von Polemik, Unter stellungen und Verzerrungen geprägte Feld.

Autorenporträt
Grosser, AlfredAlfred Grosser, geb. 1925 in Frankfurt/Main, war Professor am Institut d'études politiques, Paris. In Deutschland ist er seit den fünfziger Jahren durch seine Zeitungsartikel, Reden und Bücher und durch seine Auftritte in Radio und Fernsehen bekannt. 1975 erhielt er den Friedenspreis des deutschen Buchhandels, danach zahlreiche weitere Ehrungen. Er schrieb mehr als 30 Bücher, zuletzt bei Rowohlt: «Von Auschwitz nach Jerusalem» (2009).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.01.2010

Bilanz eines Lebens
Alfred Grossers Essay über Deutsche und Juden

Alfred Grosser, 1926 als jüdischer Deutscher in Frankfurt/Main geboren, 1933 mit seiner Familie nach Frankreich emigriert und seit 1937 französischer Staatsbürger, legt so etwas wie eine Bilanz seines Lebens vor. Seit Ende des Zweiten Weltkrieges hat er sich mitverantwortlich gefühlt für die demokratische Entwicklung Deutschlands und hat sich für die deutsch-französische Verständigung eingesetzt. Durch zahlreiche Beiträge und Auftritte in den Medien ist er in Deutschland bekannt geworden. Er erhielt zahlreiche Ehrungen, so 1975 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Der vorliegende Essay ist wie eine tour d'horizon der deutschen Nachkriegsgeschichte. Im Kapitel "Schuldfrage" geht es um den Nürnberger Prozess, um die Entnazifizierung, aber auch um das Ermächtigungsgesetz 1933 und über die Debatte über die Wehrmacht in der Bundesrepublik, über Antisemitismus und Diskriminierung der Juden im "Dritten Reich" - "die versuchte Vernichtung aller greifbaren Juden" -, über die Rolle der Kirche vor und nach 1945. Beim "Vergleichen" zwischen Hitler, Stalin und Mao stellt Grosser das "radikale Anderssein der Schoa" fest, das auf dem Willen zur Ausrottung aller Juden beruhte, und als weitere Unterscheidung, dass nirgendwo anders ein derartiges Verbrechen "von einem so kulturreichen Volk begangen worden" sei.

Er erwähnt kurz auch den Islam - der "vereinfachte Feind" - und gibt zu bedenken, dass bei der Debatte um islamische Gewalt "natürlich auch die in der Vergangenheit von den Muslimen selbst erlittene Gewalt" einbezogen werden sollte, um dann zum eigentlichen Thema des Buches zu kommen, nämlich das "schwierige Israel". Da stellt er gleich zu Beginn fest: "Nichts ist wohl schwieriger, als sich die Geschichte Palästinas im 20. Jahrhundert unvoreingenommen anzueignen." Was folgt, ist in großen Zügen eine Vorgeschichte der Gründung Israels, angefangen mit der Balfour-Deklaration 1917, mit den Massakern an den Juden in Palästina 1929, dem arabischen Aufstand und der britischen Besatzungspolitik. Nichts wird ausgelassen, weder das Todesschiff "Struma", das 1942 mit 769 jüdischen Flüchtlingen an Bord torpediert wurde, noch die Sprengung des King David Hotels 1946 oder die Geschichte des Flüchtlingsschiffes Exodus 1947.

Bei der Gründung des Staates Israel treibt auch Grosser die neue alte Frage um: Wie verhielt sich das israelische Militär im "Unabhängigkeitskrieg" 1948/49 gegenüber der arabischen Bevölkerung? Was war Vertreibung? Was war Flucht? Grosser geht auf die in Israel seit einigen Jahren geführte Debatte ein und auf die aktuelle Politik: Besatzung und Siedlungen. Er kritisiert die Hamas, die für eine mögliche Friedensregelung alles getan habe, um "jeglichen Kompromiss zu verhindern", um aber auch Israel zu kritisieren: "Israel wiederum kann den Anspruch, ein jüdischer und ein demokratischer Staat zu sein, immer weniger erfüllen." Das verbindet er mit Sympathie für die Palästinenser.

In einem eigenen Kapitel geht es um "Deutschland, Israel, Juden und Muslime" und hier um die Frage: Wer kann und darf Israel kritisieren? Mit der deutschen Selbstanklage, die "manchmal an einen reinen Masochismus grenzt", und der "Auschwitzkeule" kann Grosser selbst nicht sehr viel anfangen. Dabei konstatiert er eine Ähnlichkeit zwischen Deutschland und Frankreich. In Frankreich ist seiner Meinung nach eine neue Form des Antisemitismus entstanden, "die die israelische Politik und das Judentum schlechthin gleichsetzt, eben weil das organisierte Judentum sich völlig mit Israel identifiziert", eine Ähnlichkeit mit Deutschland also, obwohl in Frankreich doch "viel weniger wegen Auschwitz die Keule geschwungen wird". Kritik an Israel ist seiner Meinung nach berechtigt, "weil Israel zu unserem Westen gehört und weil somit jede Vertreibung, jeder Missbrauch der überlegenen Militärmacht, jede willkürliche Zerstörung, Ab- und Einsperrung, jede bewusste Demütigung unsere gemeinsame Moral verletzt". Grundwerte sollten überall verteidigt werden: "Gerade Deutsche sollten das tun, auch Israel gegenüber."

Grossers "Einsatzfeld" hat sich nach eigener Aussage in den vergangenen Jahren merklich verändert. Seit 2003 hat sich seine Grundeinstellung, seine Grundauffassung nicht verändert. Es geht ihm seither weniger um den deutsch-französischen Bereich; ihm ist weniger bange um die Entwicklung in Deutschland. Sein Einsatz gilt mehr und mehr der "Tragik Israels und der Palästinenser". Eine bemerkenswerte Entwicklung und ein bemerkenswertes Buch.

ROLF STEININGER

Alfred Grosser: Von Auschwitz nach Jerusalem. Über Deutschland und Israel. Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2009. 204 S., 18,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Als "flammende Entgegnung" auf die Vorwürfe, "jüdischen Selbsthass" zu praktizieren, hat Rezensent Willi Jasper dieses Buch gelesen und dämpft sogleich die Erwartungen jener, die hoffen oder befürchten würden, Alfred Grosser würde erneut hart mit Israel ins Gericht gehen. Vielmehr lege der bedeutende Publizist und Aussöhner in diesem Buch einige Beweggründe seines Denkens und Handelns offen, beschreibe in Grundzügen auch noch mal seine vom humanistischen Ideal angetriebene Überzeugung, die nicht in der Vergangenheit stehen bleibe, sondern sie lediglich als Erfahrungshorizont seines Denkens und Handelns betrachte, das dabei gegenwärtige Um- und Missstände stets im Auge behalte. Besonders beeindruckt Grosser den Rezensenten durch sein umstandsloses Eintreten für die Menschenrechte, durch seinen Blick auf islamischen und jüdischen Fundamentalismus ebenso wie auf die Tücken des deutsch-jüdischen Verhältnisses und das aktuelle Elend muslimischer Migranten in den westlichen Metropolen, das für Grosser Parallelen zu den jüdischen Ghettos von einst ausweise.

© Perlentaucher Medien GmbH
Als "flammende Entgegnung" auf die Vorwürfe, "jüdischen Selbsthass" zu praktizieren, hat Rezensent Willi Jasper dieses Buch gelesen und dämpft sogleich die Erwartungen jener, die hoffen oder befürchten würden, Alfred Grosser würde erneut hart mit Israel ins Gericht gehen. Vielmehr lege der bedeutende Publizist und Aussöhner in diesem Buch einige Beweggründe seines Denkens und Handelns offen, beschreibe in Grundzügen auch noch mal seine vom humanistischen Ideal angetriebene Überzeugung, die nicht in der Vergangenheit stehen bleibe, sondern sie lediglich als Erfahrungshorizont seines Denkens und Handelns betrachte, das dabei gegenwärtige Um- und Missstände stets im Auge behalte. Besonders beeindruckt Grosser den Rezensenten durch sein umstandsloses Eintreten für die Menschenrechte, durch seinen Blick auf islamischen und jüdischen Fundamentalismus ebenso wie auf die Tücken des deutsch-jüdischen Verhältnisses und das aktuelle Elend muslimischer Migranten in den westlichen Metropolen, das für Grosser Parallelen zu den jüdischen Ghettos von einst ausweise.

© Perlentaucher Medien GmbH