Norbert Finzsch, James und Lois Horton schildern die Geschichte der »African Americans« von den Anfängen des transatlantischen Sklavenhandels im 15. Jahrhundert bis in die neueste Zeit.
Von den afrikanischen Hochkulturen über die wirtschaftliche und demografische Entwicklung in Britisch-Nordamerika, den Bürgerkrieg und die Abschaffung der Sklaverei bis hin zu Bürgerrechtsbewegung und Black Power spannen die Autoren den Bogen der Geschichte.
Sie porträtieren »African Americans« nicht als wehrlose Opfer, sondern als handelnde Subjekte und lassen sie mit Hilfe von umfangreichem Quellenmaterial selbst zu Wort kommen.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Von den afrikanischen Hochkulturen über die wirtschaftliche und demografische Entwicklung in Britisch-Nordamerika, den Bürgerkrieg und die Abschaffung der Sklaverei bis hin zu Bürgerrechtsbewegung und Black Power spannen die Autoren den Bogen der Geschichte.
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 11.02.2000Zurück nach Benin, heim nach Baltimore
Als die Republikaner die Hoffnung der Schwarzen waren – eine populäre Geschichte der Afroamerikaner in den USA
In Abraham Lincoln einen Freund der Afroamerikaner, einen vehementen Verteidiger ihrer Rechte zu sehen, wäre der Ehre zu viel für den 16. Präsidenten der Vereinigten Staaten. Gleichwohl war er (zunehmend) sensibilisiert für die Belange der Schwarzen. Er hat einen Krieg geführt, der nicht zuletzt gegen die Sklaverei gerichtet war. Und er hat als erster Präsident Schwarze im Weißen Haus empfangen. Dieser Delegation teilte er allerdings mit, dass Afroamerikaner eine Last für sein Land seien und am besten daran täten, nach Afrika oder auf die Westindischen Inseln auszuwandern.
Die Forschungsliteratur zur Geschichte der African Americans ist inzwischen ziemlich umfangreich. Norbert Finzsch, James Oliver Horton und Lois E. Horton haben den Versuch unternommen, die zahlreichen Einzelbetrachtungen in einem Gesamtüberblick zu bündeln – eine gewagte Tour auf nicht ganz 600 Seiten, „von Benin nach Baltimore”. Dabei mussten sie straffen, auslassen, verallgemeinern – schon deshalb, weil ihr Überblick, das betont Finzsch, Professor für nordamerikanische Geschichte an der Universität Hamburg, für die interessierte große Leserschaft konzipiert wurde. Anschaulichkeit war gefordert – doch viele der autobiografischen Aufzeichnungen, die zitiert werden, gaukeln plastische Unmittelbarkeit nur vor, ihr Informationswert bleibt zweifelhaft.
Viele der ausgewählten Passagen werden ohne konkreten Kontext präsentiert, manchmal bleibt sogar die Identität des Schreibers geheim: „Ein junger Pflanzer war so sehr von Angst geplagt, dass er mit einem Gewehr unter dem Kopfkissen schlief. Eines Morgens erwachte er und löste durch eine unvorsichtige Bewegung einen Schuss. Er war auf der Stelle tot. ” Der Leser weiß nur, dass sich dieser Unfall zu Beginn des 19. Jahrhunderts in einem der Südstaaten zugetragen hat, zu einer Zeit, als Sklavenbesitzer Aufstände fürchteten.
Unklar bleibt in diesem wie in vielen anderen Fällen, wie derartige Passagen zu gewichten sind – ob es sich um exemplarische Vorgänge handelt oder um außerordentlich drastische. Dabei war gerade in der Vor- und Frühphase der Vereinigten Staaten, also im Grunde bis zum Bürgerkrieg, der juristische und soziale Status der African Americans in den einzelnen Staaten sehr unterschiedlich. Und die demografische Struktur differierte erheblich. Die Autoren weisen vielfach auf diese Umstände hin. Sie verzichten jedoch darauf, innerhalb größerer geografischer Einheiten kontinuierliche Entwicklungen nachzuzeichnen, beschränken sich auf punktuelle Betrachtungen.
Zusätzliche Verwirrung stiften Finzsch, James Horton (Professor für Geschichte und American Studies an der George Washington University) und Lois Horton (Professorin für Soziologie an der George Mason University), indem sie sich relativ starr an eine chronologische Erzählweise halten und daher häufig den Schauplatz wechseln müssen – so dass nicht selten innerhalb weniger Absätze zwischen verschiedenen „Welten” hin- und hergesprungen wird. Später, als sich die USA einheitlicher präsentieren, hat die Chronologie Redundanzen zur Folge. Statt etwa der Emanzipation der Afroamerikaner als Sportler und Künstler, speziell als Musiker, einen eigenen geschlossenen Komplex zu widmen, gibt es einzelne Abschnitte und Häppchen: schwarze Boxer am Ende des 19. Jahrhunderts, Jazzmusiker in den zwanziger Jahren, dann Leichtathleten, nach dem Zweiten Weltkrieg Tennisspieler und endlich Rapper.
Auf dem Weg von Benin nach Baltimore finden sich freilich auch gelungene Passagen. Prägnant haben Finzsch und die Hortons etwa die Rolle der Anführer der Schwarzenbewegung im 20. Jahrhundert herausgearbeitet. Deren Ideologien werden klar dargelegt wie auch die daraus resultierenden Konflikte unter den African Americans selbst – etwa zwischen William E. B. DuBois und Booker T. Washington oder zwischen Malcolm X und Martin Luther King.
Plastisch nachgezeichnet ist auch die Entwicklung der Republikanischen Partei, die sich 1854 gründete – mit zunächst einem einzigen Punkt auf dem Parteiprogramm: Kampf gegen die Ausweitung der Sklaverei. Rasch avancierten die Republikaner zur Partei der Nordstaaten und zur Hoffnung der Schwarzen, die mehrheitlich im Süden lebten. In der Wirtschaftkrise ab 1873 wandelte sich die Partei zur Fürsprecherin des Großkapitals. Dennoch wurde sie von der großen Mehrheit der African Americans weiterhin gewählt, weil sie die Partei des kleineren Übels war. Rechts überholt haben die Republikaner die Demokraten erst zwischen den Weltkriegen.
Was zwangsläufig zu kurz kommt, sind ausführliche soziologische Studien. Ansätze sind vorhanden, so finden sich Tabellen zur Einkommensentwicklung, auch zeichnen die Autoren die wichtigsten inneramerikanischen Migrationsbewegungen der Schwarzen nach und untersuchen ansatzweise die Rolle von Mann und Frau in afroamerikanischen Familien. Am Ende steht auch hier die alte Beobachtung: dass die Gesamtheit der African Americans sich als Gemeinschaft, als geschlossene Gruppe nicht definieren lässt.
STEFAN FISCHER
NORBERT FINZSCH, JAMES O. HORTON, LOIS E. HORTON: Von Benin nach Baltimore. Die Geschichte der African Americans. Hamburger Edition 1999. 674 Seiten, 68 Mark.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
Als die Republikaner die Hoffnung der Schwarzen waren – eine populäre Geschichte der Afroamerikaner in den USA
In Abraham Lincoln einen Freund der Afroamerikaner, einen vehementen Verteidiger ihrer Rechte zu sehen, wäre der Ehre zu viel für den 16. Präsidenten der Vereinigten Staaten. Gleichwohl war er (zunehmend) sensibilisiert für die Belange der Schwarzen. Er hat einen Krieg geführt, der nicht zuletzt gegen die Sklaverei gerichtet war. Und er hat als erster Präsident Schwarze im Weißen Haus empfangen. Dieser Delegation teilte er allerdings mit, dass Afroamerikaner eine Last für sein Land seien und am besten daran täten, nach Afrika oder auf die Westindischen Inseln auszuwandern.
Die Forschungsliteratur zur Geschichte der African Americans ist inzwischen ziemlich umfangreich. Norbert Finzsch, James Oliver Horton und Lois E. Horton haben den Versuch unternommen, die zahlreichen Einzelbetrachtungen in einem Gesamtüberblick zu bündeln – eine gewagte Tour auf nicht ganz 600 Seiten, „von Benin nach Baltimore”. Dabei mussten sie straffen, auslassen, verallgemeinern – schon deshalb, weil ihr Überblick, das betont Finzsch, Professor für nordamerikanische Geschichte an der Universität Hamburg, für die interessierte große Leserschaft konzipiert wurde. Anschaulichkeit war gefordert – doch viele der autobiografischen Aufzeichnungen, die zitiert werden, gaukeln plastische Unmittelbarkeit nur vor, ihr Informationswert bleibt zweifelhaft.
Viele der ausgewählten Passagen werden ohne konkreten Kontext präsentiert, manchmal bleibt sogar die Identität des Schreibers geheim: „Ein junger Pflanzer war so sehr von Angst geplagt, dass er mit einem Gewehr unter dem Kopfkissen schlief. Eines Morgens erwachte er und löste durch eine unvorsichtige Bewegung einen Schuss. Er war auf der Stelle tot. ” Der Leser weiß nur, dass sich dieser Unfall zu Beginn des 19. Jahrhunderts in einem der Südstaaten zugetragen hat, zu einer Zeit, als Sklavenbesitzer Aufstände fürchteten.
Unklar bleibt in diesem wie in vielen anderen Fällen, wie derartige Passagen zu gewichten sind – ob es sich um exemplarische Vorgänge handelt oder um außerordentlich drastische. Dabei war gerade in der Vor- und Frühphase der Vereinigten Staaten, also im Grunde bis zum Bürgerkrieg, der juristische und soziale Status der African Americans in den einzelnen Staaten sehr unterschiedlich. Und die demografische Struktur differierte erheblich. Die Autoren weisen vielfach auf diese Umstände hin. Sie verzichten jedoch darauf, innerhalb größerer geografischer Einheiten kontinuierliche Entwicklungen nachzuzeichnen, beschränken sich auf punktuelle Betrachtungen.
Zusätzliche Verwirrung stiften Finzsch, James Horton (Professor für Geschichte und American Studies an der George Washington University) und Lois Horton (Professorin für Soziologie an der George Mason University), indem sie sich relativ starr an eine chronologische Erzählweise halten und daher häufig den Schauplatz wechseln müssen – so dass nicht selten innerhalb weniger Absätze zwischen verschiedenen „Welten” hin- und hergesprungen wird. Später, als sich die USA einheitlicher präsentieren, hat die Chronologie Redundanzen zur Folge. Statt etwa der Emanzipation der Afroamerikaner als Sportler und Künstler, speziell als Musiker, einen eigenen geschlossenen Komplex zu widmen, gibt es einzelne Abschnitte und Häppchen: schwarze Boxer am Ende des 19. Jahrhunderts, Jazzmusiker in den zwanziger Jahren, dann Leichtathleten, nach dem Zweiten Weltkrieg Tennisspieler und endlich Rapper.
Auf dem Weg von Benin nach Baltimore finden sich freilich auch gelungene Passagen. Prägnant haben Finzsch und die Hortons etwa die Rolle der Anführer der Schwarzenbewegung im 20. Jahrhundert herausgearbeitet. Deren Ideologien werden klar dargelegt wie auch die daraus resultierenden Konflikte unter den African Americans selbst – etwa zwischen William E. B. DuBois und Booker T. Washington oder zwischen Malcolm X und Martin Luther King.
Plastisch nachgezeichnet ist auch die Entwicklung der Republikanischen Partei, die sich 1854 gründete – mit zunächst einem einzigen Punkt auf dem Parteiprogramm: Kampf gegen die Ausweitung der Sklaverei. Rasch avancierten die Republikaner zur Partei der Nordstaaten und zur Hoffnung der Schwarzen, die mehrheitlich im Süden lebten. In der Wirtschaftkrise ab 1873 wandelte sich die Partei zur Fürsprecherin des Großkapitals. Dennoch wurde sie von der großen Mehrheit der African Americans weiterhin gewählt, weil sie die Partei des kleineren Übels war. Rechts überholt haben die Republikaner die Demokraten erst zwischen den Weltkriegen.
Was zwangsläufig zu kurz kommt, sind ausführliche soziologische Studien. Ansätze sind vorhanden, so finden sich Tabellen zur Einkommensentwicklung, auch zeichnen die Autoren die wichtigsten inneramerikanischen Migrationsbewegungen der Schwarzen nach und untersuchen ansatzweise die Rolle von Mann und Frau in afroamerikanischen Familien. Am Ende steht auch hier die alte Beobachtung: dass die Gesamtheit der African Americans sich als Gemeinschaft, als geschlossene Gruppe nicht definieren lässt.
STEFAN FISCHER
NORBERT FINZSCH, JAMES O. HORTON, LOIS E. HORTON: Von Benin nach Baltimore. Die Geschichte der African Americans. Hamburger Edition 1999. 674 Seiten, 68 Mark.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.08.2000Auch Soldat kennt Schmerz
Gut gedient, schlecht behandelt: Gleich zwei Bücher zur Geschichte der Schwarzen in Amerika
Im Jahr 1898 hielten vier Regimenter afroamerikanischer Soldaten ihren Kopf für die Vereinigten Staaten bei der Eroberung Kubas hin. Im gleichen Jahr wurden in den Vereinigten Staaten mehr als hundert Schwarze von weißen Rassisten gelyncht. Erste Integrations- und Anpassungsleistungen einerseits, brutaler Rassismus und konsequente Rassentrennung andererseits prägten das Zusammenleben von Schwarzen und Weißen nach dem Ende der Sklaverei. Die Jahre zwischen dem Ende des amerikanischen Bürgerkrieges 1865 und dem Ersten Weltkrieg bildeten eine Achsenzeit in diesem Rassenkonflikt.
Norbert Finzsch, James und Lois Horton beleuchten in ihrem Buch "Von Benin nach Baltimore" die Epoche der Afrikaner in Amerika. Ihr Buch hatte einen so schlichten wie zwingenden Auslöser: Seit Jahrzehnten gab es keine zusammenfassende Darstellung dieses Themas auf dem deutschen Buchmarkt. Diese Lücke fiel aber nicht nur Finzsch und den Hortons auf. So kommt es, daß für deutsche Leser fast zeitgleich die Übersetzung des amerikanischen Klassikers von John H. Franklin und Raphael A. Moss auf Grundlage der amerikanischen Ausgabe von 1994 greifbar ist. Aufbau und Struktur beider Bücher sind praktisch identisch. In chronologischer Ordnung, mit gelegentlichen themenzentrierten Einschüben wird die Geschichte von der Situation im präkolonialen Afrika bis zur Rassenpolitik der 1990er Jahre erzählt.
Das Spektrum der Themen ist beeindruckend breit. Der Arbeitsalltag, die Rolle der Frau in der Sklaverei und in der afroamerikanischen "Gemeinschaft" sowie das brutale Strafsystem werden ausführlich beschrieben und an Hand biographischer Skizzen illustriert. Unterschiede in der Bewertung sind hier kaum auszumachen. Die gilt auch für die Zeit vor und nach dem amerikanischen Bürgerkrieg. In beiden Büchern wird deutlich, daß die Afroamerikaner nicht in einer Opferrolle verharrten. Sie zeigen Formen des Widerstands und erste Organisationsstrukturen im Kampf gegen die Sklaverei. Neben verschiedenen weißen Organisationen kam den freien Schwarzen eine Schlüsselrolle zu. Sie wurden zu den "wirkungsvollsten Propagandisten" (Finzsch und die Hortons) der Anti-Sklaverei-Bewegung unter den Weißen der Nordstaaten und organisierten für die Sklaven des Südens Fluchtwege in die Freiheit. Finzsch und die Hortons gehen dabei den Organisationsstrukturen etwas ausführlicher nach als Franklin und Moss.
In beiden Büchern wird immer wieder die überdurchschnittliche Rekrutierung von Amerikanern afrikanischer Herkunft und ihre Einsatzbereitschaft in der amerikanischen Armee hervorgehoben. Doch an der "Heimatfront" in den Südstaaten änderte dieses Engagement weder nach dem Ersten noch nach dem Zweiten Weltkrieg etwas. Rassenunruhen, Segregation und die Herrschaft des Ku-Klux-Klan bestimmten das Bild. Das Urteil des Supreme Court aus dem Jahr 1954 - "Getrennte Bildungseinrichtungen sind ihrem Wesen nach ungleich" - machte den Weg frei für die Auflösung der Rassentrennung im Schulwesen. Leider erfährt man in keinem der Bücher, weshalb das Gericht diese liberale Linie gegen mannigfaltige Widerstände durchsetzen konnte und wollte.
Intensiv und mit detailliertem Blick auf die äußeren Ereignisse schildern beide Bücher den Kampf der Bürgerrechtsbewegung und ihrer Führungsfiguren Martin Luther King und Malcolm X. Manchen vom weißen Hollywood geliebten Stoff, wie der vom unbestechlichen FBI-Agenten, der den mordenden Rassisten das Handwerk legt ("Mississippi Burning"), verweisen Finzsch und die Hortons ins Reich der Legende. Sie zeigen, wie tief das FBI in das System der Rassentrennung verstrickt war und wie massiv es gegen die Bürgerrechtsbewegung vorging.
Beide Bücher verweisen in ausführlichen Kapiteln auf die kulturellen Leistungen der Afroamerikaner. In Nuancen lassen sich hierbei Unterschiede feststellen. Während bei Finzsch und den Hortons eher die unübersehbaren "Cross-over-Effekte" betont werden, spricht aus dem Buch von Franklin und Moss eher der Stolz über das Geleistete. Ohne die Tradition afrikanischer Musik wäre die populäre Musik heute nicht vorstellbar. Schwarze Basketball- und Baseballspieler, Boxer und Leichtathleten prägen das Bild des amerikanischen Profisports.
Zwei weitere Unterschiede zeichnen sich ab. Zum einen bieten Finzsch und die Hortons in der Einleitung einen theoretischen Rahmen, in dem sie über Begriffe wie Afroamerikaner, Rasse, Gemeinschaft ("community") und die Schwierigkeit ihrer Übersetzung reflektieren. Erfreulich ist dabei, daß das in den Vordergrund gestellte theoretische Konzept der "community" nicht krampfhaft verfolgt wird. Schließlich bestätigt die Absetzbewegung der schwarzen Mittelschicht, daß die Gemeinschaft der Schwarzen in eine Vielzahl afroamerikanischer Teilmilieus zerfällt.
Franklin und Moss dagegen gehen in ihrer Einführung sehr viel unbefangener mit ihrem Gegenstand um. Sie betonen, daß sich die Bezeichnung "Afroamerikaner" heute zwar im wesentlichen durchgesetzt habe, aber für die Zeit vor dem Bürgerkrieg völlig unpassend sei und deshalb die damals zeitgenössischen Begriffe Neger oder Schwarze benutzt würden. Zum anderen strahlt aus dem Buch von Franklin und Moss in den letzten Abschnitten ein beeindruckendes Sendungsbewußtsein. Die Afroamerikaner waren demnach die "Mahner der Nation", die in ihrem Kampf um Freiheit und Gleichheit das gesamte Land vorangebracht hätten. Finzsch, James und Lois Horton betonen dagegen die nach wie vor unübersehbare "color line".
"Von Benin nach Baltimore" ist gegenüber "Von der Sklaverei zur Freiheit" die modernere, knappere Zusammenfassung der Geschichte der Afroamerikaner, die unübersehbar von dem älteren Klassiker profitierte. Dieser wiederum ist detailreicher und erzählfreudiger, ohne daß Finzsch und die Hortons in trockene Wissenschaftsprosa verfielen. Durch die zahlreichen Überschneidungen und die ähnliche Anlage kann man sich getrost für eines der beiden Bücher entscheiden. Wählen Sie selbst.
JÜRGEN SCHMIDT.
Norbert Finzsch/James O. Horton/Lois E. Horton: "Von Benin nach Baltimore". Die Geschichte der African Americans. Hamburger Edition, Hamburg 1999. 673 S., Abb., geb., 68,- DM.
John Hope Franklin/Raphael A. Moss jr.: "Von der Sklaverei zur Freiheit". Die Geschichte der Schwarzen in den USA. Aus dem Amerikanischen von Angela Adams. Ullstein Taschenbuch Verlag, Berlin 1999. 864 S., Abb., br., 34,90 DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Gut gedient, schlecht behandelt: Gleich zwei Bücher zur Geschichte der Schwarzen in Amerika
Im Jahr 1898 hielten vier Regimenter afroamerikanischer Soldaten ihren Kopf für die Vereinigten Staaten bei der Eroberung Kubas hin. Im gleichen Jahr wurden in den Vereinigten Staaten mehr als hundert Schwarze von weißen Rassisten gelyncht. Erste Integrations- und Anpassungsleistungen einerseits, brutaler Rassismus und konsequente Rassentrennung andererseits prägten das Zusammenleben von Schwarzen und Weißen nach dem Ende der Sklaverei. Die Jahre zwischen dem Ende des amerikanischen Bürgerkrieges 1865 und dem Ersten Weltkrieg bildeten eine Achsenzeit in diesem Rassenkonflikt.
Norbert Finzsch, James und Lois Horton beleuchten in ihrem Buch "Von Benin nach Baltimore" die Epoche der Afrikaner in Amerika. Ihr Buch hatte einen so schlichten wie zwingenden Auslöser: Seit Jahrzehnten gab es keine zusammenfassende Darstellung dieses Themas auf dem deutschen Buchmarkt. Diese Lücke fiel aber nicht nur Finzsch und den Hortons auf. So kommt es, daß für deutsche Leser fast zeitgleich die Übersetzung des amerikanischen Klassikers von John H. Franklin und Raphael A. Moss auf Grundlage der amerikanischen Ausgabe von 1994 greifbar ist. Aufbau und Struktur beider Bücher sind praktisch identisch. In chronologischer Ordnung, mit gelegentlichen themenzentrierten Einschüben wird die Geschichte von der Situation im präkolonialen Afrika bis zur Rassenpolitik der 1990er Jahre erzählt.
Das Spektrum der Themen ist beeindruckend breit. Der Arbeitsalltag, die Rolle der Frau in der Sklaverei und in der afroamerikanischen "Gemeinschaft" sowie das brutale Strafsystem werden ausführlich beschrieben und an Hand biographischer Skizzen illustriert. Unterschiede in der Bewertung sind hier kaum auszumachen. Die gilt auch für die Zeit vor und nach dem amerikanischen Bürgerkrieg. In beiden Büchern wird deutlich, daß die Afroamerikaner nicht in einer Opferrolle verharrten. Sie zeigen Formen des Widerstands und erste Organisationsstrukturen im Kampf gegen die Sklaverei. Neben verschiedenen weißen Organisationen kam den freien Schwarzen eine Schlüsselrolle zu. Sie wurden zu den "wirkungsvollsten Propagandisten" (Finzsch und die Hortons) der Anti-Sklaverei-Bewegung unter den Weißen der Nordstaaten und organisierten für die Sklaven des Südens Fluchtwege in die Freiheit. Finzsch und die Hortons gehen dabei den Organisationsstrukturen etwas ausführlicher nach als Franklin und Moss.
In beiden Büchern wird immer wieder die überdurchschnittliche Rekrutierung von Amerikanern afrikanischer Herkunft und ihre Einsatzbereitschaft in der amerikanischen Armee hervorgehoben. Doch an der "Heimatfront" in den Südstaaten änderte dieses Engagement weder nach dem Ersten noch nach dem Zweiten Weltkrieg etwas. Rassenunruhen, Segregation und die Herrschaft des Ku-Klux-Klan bestimmten das Bild. Das Urteil des Supreme Court aus dem Jahr 1954 - "Getrennte Bildungseinrichtungen sind ihrem Wesen nach ungleich" - machte den Weg frei für die Auflösung der Rassentrennung im Schulwesen. Leider erfährt man in keinem der Bücher, weshalb das Gericht diese liberale Linie gegen mannigfaltige Widerstände durchsetzen konnte und wollte.
Intensiv und mit detailliertem Blick auf die äußeren Ereignisse schildern beide Bücher den Kampf der Bürgerrechtsbewegung und ihrer Führungsfiguren Martin Luther King und Malcolm X. Manchen vom weißen Hollywood geliebten Stoff, wie der vom unbestechlichen FBI-Agenten, der den mordenden Rassisten das Handwerk legt ("Mississippi Burning"), verweisen Finzsch und die Hortons ins Reich der Legende. Sie zeigen, wie tief das FBI in das System der Rassentrennung verstrickt war und wie massiv es gegen die Bürgerrechtsbewegung vorging.
Beide Bücher verweisen in ausführlichen Kapiteln auf die kulturellen Leistungen der Afroamerikaner. In Nuancen lassen sich hierbei Unterschiede feststellen. Während bei Finzsch und den Hortons eher die unübersehbaren "Cross-over-Effekte" betont werden, spricht aus dem Buch von Franklin und Moss eher der Stolz über das Geleistete. Ohne die Tradition afrikanischer Musik wäre die populäre Musik heute nicht vorstellbar. Schwarze Basketball- und Baseballspieler, Boxer und Leichtathleten prägen das Bild des amerikanischen Profisports.
Zwei weitere Unterschiede zeichnen sich ab. Zum einen bieten Finzsch und die Hortons in der Einleitung einen theoretischen Rahmen, in dem sie über Begriffe wie Afroamerikaner, Rasse, Gemeinschaft ("community") und die Schwierigkeit ihrer Übersetzung reflektieren. Erfreulich ist dabei, daß das in den Vordergrund gestellte theoretische Konzept der "community" nicht krampfhaft verfolgt wird. Schließlich bestätigt die Absetzbewegung der schwarzen Mittelschicht, daß die Gemeinschaft der Schwarzen in eine Vielzahl afroamerikanischer Teilmilieus zerfällt.
Franklin und Moss dagegen gehen in ihrer Einführung sehr viel unbefangener mit ihrem Gegenstand um. Sie betonen, daß sich die Bezeichnung "Afroamerikaner" heute zwar im wesentlichen durchgesetzt habe, aber für die Zeit vor dem Bürgerkrieg völlig unpassend sei und deshalb die damals zeitgenössischen Begriffe Neger oder Schwarze benutzt würden. Zum anderen strahlt aus dem Buch von Franklin und Moss in den letzten Abschnitten ein beeindruckendes Sendungsbewußtsein. Die Afroamerikaner waren demnach die "Mahner der Nation", die in ihrem Kampf um Freiheit und Gleichheit das gesamte Land vorangebracht hätten. Finzsch, James und Lois Horton betonen dagegen die nach wie vor unübersehbare "color line".
"Von Benin nach Baltimore" ist gegenüber "Von der Sklaverei zur Freiheit" die modernere, knappere Zusammenfassung der Geschichte der Afroamerikaner, die unübersehbar von dem älteren Klassiker profitierte. Dieser wiederum ist detailreicher und erzählfreudiger, ohne daß Finzsch und die Hortons in trockene Wissenschaftsprosa verfielen. Durch die zahlreichen Überschneidungen und die ähnliche Anlage kann man sich getrost für eines der beiden Bücher entscheiden. Wählen Sie selbst.
JÜRGEN SCHMIDT.
Norbert Finzsch/James O. Horton/Lois E. Horton: "Von Benin nach Baltimore". Die Geschichte der African Americans. Hamburger Edition, Hamburg 1999. 673 S., Abb., geb., 68,- DM.
John Hope Franklin/Raphael A. Moss jr.: "Von der Sklaverei zur Freiheit". Die Geschichte der Schwarzen in den USA. Aus dem Amerikanischen von Angela Adams. Ullstein Taschenbuch Verlag, Berlin 1999. 864 S., Abb., br., 34,90 DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension
Andreas Eckert bespricht in seiner Rezension Edward Balls "Die Plantagen am Cooper River" zusammen mit "Von Benin nach Baltimore" von Norbert Fintzsch, James Horton und Lois Horton. Denn beide, so Eckert widmen sich einem Thema, das in der deutschsprachigen Literatur bisher nur in hoffnungslos veralteten Studien behandelt wurde: Der Geschichte der afrikanischen Sklaven in den USA..
1) Norbert Fintzsch/James Horton/Lois Horton: "
1) Norbert Fintzsch/James Horton/Lois Horton: "