Im Jahr 2022 wählte Italien Giorgia Meloni an die Macht. Der große Erfolg der neuen extrem rechten Regierungschefin, die nie ein böses Wort über Mussolini verlor und einen neuen »italienischen Stolz« propagiert, kam keineswegs aus dem Nichts. Der windige Medientycoon und Politiker Silvio Berlusconi bereitete Italien über 30 Jahre einen konsequenten Weg in den Postfaschismus. Die Popularität harter rechter Politiker:innen wuchs und ist bis heute ungebrochen. Wie lässt sich das erklären? Was heißt das für Italiens Demokratie? Wie wirkt sich das auf die Zukunft Europas aus?Als »Underdog« habe sie den Aufstieg geschafft, erklärte Meloni und spielte damit auf ihre radikal rechten Wurzeln an. Doch ein Underdog war sie nie. Allerdings ließ sich ein Großteil der italienischen Wählerinnen und Wähler früher als in anderen westeuropäischen Ländern davon überzeugen, dass das »Establishment« der wahre Gegner sei. In der zweitgrößten Industrienation der EU stagnieren seit Jahren Wirtschaft undProduktivität, die Realeinkommen sinken, junge Menschen verlieren die Perspektive. Bekommt Italien sie mit dem Motto »Gott, Vaterland, Familie!« zurück?
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Rezensent Stefan Ulrich fühlt sich von Michael Brauns Buch gut informiert über den italienischen Rechtsruck. Braun, der als taz-Korrespondent in Italien arbeitet, berichtet kenntnisreich und ohne Panikmache von den Entwicklungen in der italienischen Politik, in den Ausführungen bekommt auch die oft schwach agierende Linke Kritik ab, zentral geht es jedoch um den Aufstieg der Rechten nach dem Zusammenbruch des alten Parteiensystems nach 1989. Wie Silvio Berlusconi so lange so erfolgreich sein konnte, allen Skandalen zum Trotz, versteht Ulrich auch nach der Lektüre des Buches nicht ganz. Die raschen Umschwünge in der Wählergunst wiederum erkläre Braun mit den ökonomischen Sorgen der Italiener, die derzeit auf Meloni setzen, deren Politik von Braun ambivalent bewertet wird: So radikal wie befürchtet agiert die Regierungschefin bislang gerade außenpolitisch nicht, sie steht an der Seite der NATO, aber gleichzeitig versucht sie, das Land Stück für Stück in ihrem Sinne umzubauen. Wie erfolgreich sie damit sein wird, steht laut Ulrich, Braun zusammenfassend, noch in den Sternen. Außerdem widerlegt Braun, lesen wir, einige Mythen, die Meloni über sich selbst verbreitet - so ist die Politikerin etwa keineswegs der politische Underdog, als den sie sich gerne inszeniert. Lediglich einen Blick über die Grenze hinsichtlich möglicher Auswirkungen der italienischen Politik zum Beispiel in den USA und in Frankreich hätte der Rezensent sich noch gewünscht, ansonsten gefällt ihm das Buch sehr gut.
© Perlentaucher Medien GmbH
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