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Haruki Murakami verkörpert den Typus des zurückgezogenen Schriftstellers wie wenige andere. Der japanische Bestsellerautor gilt als ausgesprochen scheu. Doch nun bricht Murakami das Schweigen und lässt uns an seiner reichen Erfahrung als Schriftsteller teilhaben. Anhand von Kafka, Raymond Chandler, Dostojewski und Hemingway sowie anderen Vertretern der Weltliteratur reflektiert er über Literatur und ihre Bedeutung für ihn selbst. Und der Leser begegnet zum ersten Mal dem Menschen Murakami. Wer weiß schon von seiner großen Kennerschaft der klassischen Musik, seiner Leidenschaft für Jazz? Ein…mehr

Produktbeschreibung
Haruki Murakami verkörpert den Typus des zurückgezogenen Schriftstellers wie wenige andere. Der japanische Bestsellerautor gilt als ausgesprochen scheu. Doch nun bricht Murakami das Schweigen und lässt uns an seiner reichen Erfahrung als Schriftsteller teilhaben. Anhand von Kafka, Raymond Chandler, Dostojewski und Hemingway sowie anderen Vertretern der Weltliteratur reflektiert er über Literatur und ihre Bedeutung für ihn selbst. Und der Leser begegnet zum ersten Mal dem Menschen Murakami. Wer weiß schon von seiner großen Kennerschaft der klassischen Musik, seiner Leidenschaft für Jazz? Ein einmaliger Blick in die Werkstatt und das Herz eines der größten und erfolgreichsten Schriftsteller unserer Zeit. Und im Grunde das, was Murakami in seiner Zurückhaltung nie schreiben würde: eine Autobiographie.
Autorenporträt
Haruki Murakami, geboren 1949 in Kyoto, ist der international gefeierte und mit den höchsten japanischen Literaturpreisen ausgezeichnete Autor zahlreicher Romane und Erzählungen. Sein Roman "Gefährliche Geliebte" entzweite das Literarische Quartett, mit "Mister Aufziehvogel" schrieb er das Kultbuch seiner Generation. Ferner hat er die Werke von Raymond Chandler, John Irving, Truman Capote und Raymond Carver ins Japanische übersetzt.
Rezensionen
»Hier schreibt einer, der sich seines Könnens zu sicher ist, um damit noch prahlen zu müssen.« Britta Heidemann, LITERARISCHE WELT

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.11.2016

11. Ein Mann für die Langstrecke

Er redet wenig und läuft viel. Das wusste man über den Schriftsteller Haruki Murakami, wenn auch nicht sehr viel mehr, denn der 1949 geborene Autor ist als Mensch mit einer intakten Privatsphäre bekannt. Mit dem Buch "Von Beruf Schriftsteller" öffnet er sich jetzt und berichtet im gewohnt ruhigen Murakami-Ton von 35 Jahren Schreiben. In anderen Berufen gibt es da eine goldene Uhr, einen Blumenstrauß oder wenigstens einen warmen Händedruck. Und was bekommt der Schriftsteller, der nirgends angestellt ist? Er bekommt die Gelegenheit, über das Schreiben zu schreiben. In dem ungewohnt autobiographischen Text offenbart Haruki Murakami, wie er an die Sache herangeht und warum der Roman seine eigentliche Form ist, sein "Hauptschlachtfeld": "Da ich die Konstitution eines Langstreckenläufers habe, brauche ich eine gewisse Menge an Zeit und Distanz, damit verschiedene Gegenstände für mich verständlich und greifbar werden. Wenn ich etwas wirklich tun will, brauche ich - wie ein Flugzeug - eine ziemlich lange Startbahn."

Multitasking ist seine Sache nicht. Schon als unbekannter junger Mann igelte sich Murakami völlig ein, wenn er einen Roman schrieb, er ging dann lieber körperlicher Arbeit nach, als irgendwas für Geld zu schreiben oder zu übersetzen. Viertausend Zeichen am Tag ist das Pensum, das er erreichen muss, jeden Tag. Murakami hat die Literatur seines Landes um einen ganz neuen Ton bereichert, und er ist der einzige japanische Autor, der weltweite Bestseller schreibt, Letzteres am liebsten außerhalb von Japan. Dazu schrieb er seine Texte erst auf Englisch und übersetze sie dann ins Japanische - ein lakonischer Ton war geboren, in den wohl auch Murakamis Übersetzungen aus dem Englischen einflossen.

Seit den achtziger Jahren lebte er im Ausland und wurde sportlich, denn ein Schriftsteller, meint der Triathlet, "braucht mehr als gewöhnliche Körperkraft", so auszehrend ist das Leben in der Imagination. Immer tiefer steigt der athletische Autor hinab in den Keller seiner Erzählung, denn "je dichter er die Geschichte erzählen will, desto massiver wird die Dunkelheit in diesem Keller. Im Dunkel dieses Kellers sucht sich der Autor die Nahrung, also den Stoff, den er für seine Geschichte braucht, und trägt ihn in den oberen Teil des Bewusstseins."

Boris Pofalla.

Haruki Murakami: "Von Beruf Schriftsteller". Übersetzt von Ursula Gräfe. Dumont, 240 Seiten, 23 Euro

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 03.12.2016

Offene Worte
Haruki Murakami und Thomas Glavinic
könnten unterschiedlicher nicht sein. Und doch
verbindet die Autoren mehr, als man denkt
VON ALEX RÜHLE
Geister tauchen in seinen Romanen auf, Menschen gehen durch Wände, und plötzlich steht ein zweiter grüner Mond am Himmel. Ein älterer Herr kann mit Katzen reden, und ein Junge kommt in einer Bibliothek mit einem Mann ins Gespräch, der ein Schafskostüm trägt. All das passiert stets leise, en passant, so als sei das eben so, als würde uns alle nur ein Schritt von einer sehr viel seltsameren Welt als der hiesigen trennen.
Haruki Murakami selbst sind anscheinend mehrmals ähnlich merkwürdige Dinge widerfahren: So überkam ihn der Entschluss, Schriftsteller zu werden, völlig unvermutet, am 1. April 1982, während er, ein Bier in der Hand, einem Baseballspiel der Yakult Swallows zuschaute. Murakami betrieb damals einen Jazzclub in Tokio, es war sein freier Tag, er lag im Gras, durchs Stadion hallte gerade der satte Klang eines geglückten Schlags, „und just in diesem Moment kam mir völlig zusammenhanglos der Gedanke: ,Das ist es! Ich werde einen Roman schreiben.‘ Ich erinnere mich noch ganz genau an diesen Augenblick. Ich hatte das Gefühl, etwas wäre langsam vom Himmel gesegelt und ich hätte es mit den Händen aufgefangen.“
Murakami schaute das Spiel seinerzeit zu Ende an, kaufte danach in einem Schreibwarengeschäft Papier und Füller, ging ganz normal arbeiten und setzte sich dann erstmals nachts an den Küchentisch. Als er nach ein paar Monaten seinen ersten Roman fertig hatte, war er allerdings nicht gerade beeindruckt: „Junge, Junge, dachte ich verzagt. Was soll ich jetzt damit machen?“
Andere hätten den Versuch vielleicht weggeworfen. Murakami warf stattdessen alle Vorstellungen, die er über das literarische Schreiben hatte, über Bord. Warum muss man in der japanischen Muttersprache schreiben? Warum nicht das Ganze noch mal versuchen, diesmal auf Englisch. Dass er die Sprache nicht gut beherrschte, gefiel ihm gerade gut, schließlich ist unser „inneres System“ mit den Wörtern und Begriffen unserer Muttersprache „beladen wie ein bis unters Dach vollgestopfter Schuppen“. Also Platz für Neues – weg mit dem Füller, her mit einer Olivetti mit lateinischen Buchstaben. Die englische Version wurde kompakter, roher, direkter. Am Ende übersetzte Murakami diesen englischen Text wiederum zurück ins Japanische, und siehe da, ein neuer Stil war entstanden.
Haruki Murakami lebt sehr zurückgezogen. Er steht seit über dreißig Jahren jeden Tag um fünf Uhr auf, macht sich Kaffee und schreibt dann vier bis fünf Stunden, je nachdem wann er zehn Seiten voll hat. Egal ob er an diesem Tag gerne mehr schreiben würde oder es ihm umgekehrt schwer von der Hand geht: Er füllt seine zehn Seiten, ganz nüchtern, „ohne Hoffnung, ohne Verzweiflung“, wie es Karen Dinesen, besser bekannt unter ihrem Pseudonym Tania Blixen, mal, sehr zum Gefallen Murakamis, formuliert hat. Dann geht er eine Stunde laufen, hört Musik und legt sich um neun oder zehn Uhr schlafen. Mal verbringt er ein Jahr in Hawaii, mal in Italien, Griechenland oder New Jersey, aber sein Rhythmus bleibt immer derselbe. Er mag es, unerkannt zu bleiben, und tritt so gut wie nie bei Lesungen auf.
Umso wertvoller ist für Murakami-Leser sein neues Buch „Von Beruf Schriftsteller“, gibt er hier doch in elf Essays erstmals ausführlich Auskunft über sich selbst. Wobei dieses Selbst, so versichert er, völlig langweilig und einzig und allein dazu da sei, seinem Schreiben zu dienen. Sogar das Laufen hat er nur zu dem Zweck angefangen, seinen Körper für die lange, ausdauernde Romanarbeit zu stärken. Was ihn auszeichnet, sind eine unerschrockene Hartnäckigkeit, ein stabiles Selbstbewusstsein, die Fähigkeit, sich über lange Zeit auf ein und dieselbe Sache zu konzentrieren, ein beeindruckend starkes Grundgefühl der Freude und seine langsame Art, ja, er sagt mehrmals, nur wer langsam denkt, solle Schriftsteller werden.
Schreiben, das bedeutet für ihn in erster Linie umarbeiten. Klar, der Rohtext muss erst mal stehen, aber danach beginnt die eigentliche Arbeit, das Umschreiben und, ganz wichtig, die etwa einjährige Phase des Liegenlassens: „Bei einem umfangreichen Roman ( … ) ist die Zeit, in der ich nichts tue von zweitwichtigster Bedeutung. Sie entspricht der Phase der Ablagerung bei gewissen Herstellungsprozessen.“ In diesem Jahr, im Dunkel des Vergessens, reift der Text heran, dessen eigentlicher Ursprung ebenfalls im Dunkel liegt, im Nichtstun und Warten: „Man braucht eine ,Zeit der Stille‘, in der man den Keim des Romans, in sich heranzieht und wachsen lässt.“ Den Akt des Schreibens vergleicht er mit dem Spielen eines Instruments. Er, der zehn Jahre lang eine Jazzbar betrieben hat, hat beim Schreiben nicht so sehr das Gefühl, einen Text zu verfassen, als vielmehr ein Musikstück zu spielen. Was ihn selbst wundert, er erklärt es damit, dass er nicht so sehr einen Text in seinem Kopf erzeuge, sondern „aus einer sinnlichen Empfindung heraus“ schreibe.
Aber wie macht man das, dass aus einem Haufen Wörter ein literarischer Text wird? Dass sich die erwähnte musikalische Grundstimmung auf den Leser überträgt? Und wie geht Murakami in seinen einzelnen Werken vor? Wie hat er Themen verbunden, Motivstränge gelegt, Figuren gefunden? Dazu schreibt er kein Wort, ja es wirkt phasenweise, als wäre das ganze Buch um eine leere Mitte herum geschrieben, das Wunder des Schreibens selbst. Was ja bei einem, der seinen Beruf einem mystischen Moment verdankt – er spricht selbst zweimal von einer Epiphanie –, eine gewisse Stringenz hat.
Wer aber mehr erfahren will über das eigentliche Handwerk, der sollte vielleicht zum Kiosk gehen und fragen, ob sie da noch die aktuelle Ausgabe des Wiener Kultur-Magazins Fleisch haben. Darin haben sich Herausgeber Markus Huber und der Kulturjournalist Christian Seiler mit dem österreichischen Autor Thomas Glavinic unterhalten. Mehrere Tage lang, das ganze Heft hindurch. Schon klar, Murakami und Glavinic, das ist, als würde man von einer Arvo-Pärt-Séance in einem Kammermusiksaal auf ein krachledernes Jahrestreffen der Hells Angels irgendwo im dunklen Wald katapultiert. Die beiden Autoren könnten unterschiedlicher kaum sein. Von ihrer Physis. Von ihrem Verhältnis zur Öffentlichkeit. Vom Lebenswandel. Der eine steht jeden Morgen in aller Frühe auf und setzt sich an den Schreibtisch, der andere macht um diese Uhrzeit Dinge, an die er sich tags darauf nicht einmal mehr erinnern kann: Nacktfotos auf Facebook stellen, die Autorin Stefanie Sargnagel übelst beleidigen, Drogen aller Art. Glavinic hat ein irritierend großes Interesse an Unterweltsgestalten, er hat immer wieder ganz bewusst sein Lebens aufs Spiel gesetzt, ist mit Werner Tomanek, Österreichs schillerndstem Anwalt, eng befreundet und findet den Rechtspopulisten Heinz-Christian Strache okay.
Bevor man sich darüber aber empört, sollte man unbedingt dieses entwaffnend ehrliche Gespräch lesen, schon allein wegen Glavinics rückhaltloser Offenheit, aber auch weil er so interessant und das heißt in dem Fall präzise über das Schreiben selbst spricht. Wäre hier Platz, müsste man all die Parallelen zu Murakami genauer untersuchen: Die wohl beiden gegebene innere Autarkie als Grundvoraussetzung des Schreibens. Das immer neue Überarbeiten immer neuer Versionen. Die seltsam säkulare Mystik der beiden – wo Murakami von Epiphanien spricht, schreibt Glavinic vom „großen Geheimnis“, das man als Autor kennen müsse. Wo Murakami von musikalischer Grundstimmung als Grundformel für jeden Roman schreibt, spricht Glavinic von der „Atmosphäre“, die einen guten Text ausmache, von dem, was in der DNA eines Romans eingelagert ist und untergründig und konstant durch den ganzen Text strahlt.
Allein schon die genaue Beschreibung, wie er das macht, wie er sich „in den Hinterkopf meiner Leser“ schreibt, wie er etwa in seinem unheimlichen Roman „Die Arbeit der Nacht“ (2006) das Gefühl der Unsicherheit erzeugt, indem er Motive wiederholt, verschiedene Ebenen einzieht, ganz bestimmte Wörter über siebenhundert Seiten immer wieder neu aufscheinen lässt, ist den Kauf dieses im Übrigen saukomischen, fulminanten Heftes wert.
Haruki Murakami: Von Beruf Schriftsteller. Aus dem Japanischen von Ursula Gräfe. Dumont Buchverlag, Köln 2016. 240 Seiten, 23 Euro. E-Book 18,99 Euro.
Fleisch, Heft 3/2016: Wenn ich so weitermache, bin ich in zwei Jahren tot. Wien 2016, 5 Euro.
Murakamis Arbeitstag ist
streng duchgetaktet:
Schreiben, laufen, schlafen
Wenn die Rohfassung steht,
beginnt eine lange Phase des
Umschreibens und Reifens
Murakami spricht von
Epiphanien, Glavinic nennt
es „großes Geheimnis“
Haruki Murakami hatte verschiedene Gastprofessuren in den USA inne. Unser Bild entstand in seinem Büro in Harvard.
Foto: Kevin Trageser / Redux / laif
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