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Wilhelm Uhde (1874-1947) war zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine der schillerndsten Figuren des Kunsthandels. Der Wahlfranzose entdeckte in Paris damals noch unbekannte Künstler wie Pablo Picasso und wurde so zum Geburtshelfer der künstlerischen Moderne. 1928 organisierte er für Bauchant, Bombois, Rousseau, Louis und Vivin die erste Gemeinschaftsausstellung unter dem Titel Maler des Heiligen Herzens.
Nebst seinen Büchern zu Kunst und Kultur verfasste Uhde autobiographische Reflexionen, die seine verschiedenen Lebensphasen beleuchten. In zahlreichen Anekdoten und mit selbstironischem Blick
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Produktbeschreibung
Wilhelm Uhde (1874-1947) war zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine der schillerndsten Figuren des Kunsthandels. Der Wahlfranzose entdeckte in Paris damals noch unbekannte Künstler wie Pablo Picasso und wurde so zum Geburtshelfer der künstlerischen Moderne. 1928 organisierte er für Bauchant, Bombois, Rousseau, Louis und Vivin die erste Gemeinschaftsausstellung unter dem Titel Maler des Heiligen Herzens.

Nebst seinen Büchern zu Kunst und Kultur verfasste Uhde autobiographische Reflexionen, die seine verschiedenen Lebensphasen beleuchten. In zahlreichen Anekdoten und mit selbstironischem Blick erzählt er von den Begegnungen mit herausragenden Künstlern in einer Zeit, in der sich die Kunst der Moderne ihren Weg bahnt.

In einem begleitenden Essay setzt der renommierte Historiker Bernd Roeck das Leben Wilhelm Uhdes in den kunsthistorischen Kontext des frühen 20. Jahrhunderts und veranschaulicht so dessen komplexe Betrachtungsweise der Kunst.
Autorenporträt
Wilhelm Uhde, geb. 1874, studierte zunächst Rechtswissenschaft. Für das Studium der Kunstgeschichte zog er unter anderem nach Florenz und ließ sich schließlich in Paris nieder. Ab 1904 war er dort als Kunsthändler und Galerist tätig. Nachdem der Erste Weltkrieg ihn zur Abreise nach Deutschland gezwungen und der französische Staat seine Sammlung konfisziert hatte, kehrte er 1924 zurück nach Paris. Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs ereilte Uhde noch einmal das gleiche Schicksal. Dieses Mal flüchtete er in den Süden Frankreichs, wo er versteckt lebte. Seine letzten Jahre verbrachte Uhde wiederum in der französischen Hauptstadt, wo er 1947 starb.

Bernd Roeck, geboren 1953, ist seit 1999 Professor für Allgemeine und Schweizer Geschichte der Neueren und Neuesten Zeit an der Universität Zürich. Von 1991 bis 1999 war er Professor für Mittlere und Neuere Geschichte an der Universität Bonn und von 1996 bis 1999 zugleich Generalsekretär des deutsch-italienischen Kulturzentrums Villa Vigoni.

Zahlreiche Veröffentlichungen zur Wirtschafts-, Sozial- und Kulturgeschichte. 2001 erhielt er den Philip Morris Forschungspreis für Geisteswissenschaften.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.05.2010

Die Sammlung als strenges Kunstwerk

Ein Leben in Polaritäten und in vielen Rollen: Die "Erinnerungen und Bekenntnisse" des deutschen Kunstsammlers, Händlers und Förderers der Avantgarde Wilhelm Uhde in einer neuen Ausgabe.

Picasso hat 1910 sein Porträt gemalt. Der Kubist konnte natürlich nicht an dem präkubistischen Accessoir des Mannes vorbeigehen, den spitzen, umgeknickten Enden seines Stehkragens. Aber er nahm sich die Freiheit, den eigentlich runden Kopf lang auszuziehen, um seinem Gegenüber ein Aussehen zu verleihen, das zusammen mit dem spitzen Kragen die Korrektheit und Nüchternheit des Beamten preisgibt.

Picasso hatte recht und unrecht mit seiner Version von Wilhelm Uhde, dem damals sechsunddreißig Jahre alten Deutschen. Der letzte und einzige ordentliche Beruf, den dieser ausgeübt hatte, war das Referendariat an einem preußischen Amtsgericht, das er drei Tage lang aushielt, um sich, für immer beurlaubt, nach Florenz und Rom und dann nach Paris abzusetzen, wo er bis 1914 blieb. Aber wie viele seiner Kollegen in der damaligen Kunstwelt gab er nichts auf äußerliches Künstlertum, sondern trat lieber wie der ewige Referendar auf, um hinter dieser Attrappe sich Freiheiten zu gönnen. So weit hatte Picasso recht. Aber unrecht hatte er natürlich, indem so gar nicht erkennbar wird, warum ein derart streng und bürgerlich erscheinender Mensch sich von einem Kubisten porträtieren ließ. Und dies im Jahre 1910, als Picasso noch keineswegs anerkannt war.

Jetzt kann man der Frage wieder in Uhdes "Erinnerungen und Bekenntnissen" nachgehen, die zuerst 1938 unter dem Titel "Von Bismarck bis Picasso" in Zürich erschienen sind. Uhde war vermutlich der einzige Mensch, der Bismarck und Picasso gekannt und der beide Männer hoch geschätzt hat. Kein Wunder, dass er sein Buch mit einer kleinen Psychologie beginnt, welche das Leben, das zu leben sich lohnt, als ein Leben in Polaritäten versteht. "Diese Leben haben sich gegenseitig viel zu sagen." Kein Widerspruch.

Uhde hatte die übliche katastrophale Schullaufbahn der Zeit absolviert, das Studium verbummelt und war in Florenz in der späten Renaissance-Begeisterung versunken. Er war früh und in vieler Hinsicht vorlaut als Kritiker des wilhelminischen Deutschland hervorgetreten, hatte dann Kunstgeschichte studiert und wieder abgebrochen. Alles keine zwingenden Voraussetzungen, um in Paris ab 1904 als Propagandist, Händler und Förderer der Avantgarde aufzutreten.

Als er das ganze Terrain gesichtet hatte und er sich von den weniger überzeugenden Vertretern der Pariser Kunstszene wieder getrennt hatte, umfasste seine Sammlung ein "Dutzend wesentlicher Picassos", "ungefähr zwanzig Bilder von Braque, eine Anzahl der schönsten Bilder von Rousseau ...". Das war der Stand 1910/11. "Meiner Sammlung lag eine Gesinnung zugrunde, die Gesamtheit dieser Bilder war ein Bekenntnis, eine Deutung meiner seelischen Formation, war notwendig, persönlich und einmalig und dennoch im Zusammenhang mit einem großen allgemeinen Zeitgefühl."

Man nimmt Uhde diesen hohen Ton ab, erstens weil er gerne so schreibt, zweitens weil er zu kompensieren hatte, dass er als Sammler Händler und als Händler Sammler war und nicht als der große Mäzen und Initiator einer Kunstbewegung auftreten konnte. Und drittens, weil er 1938 als Autor längst vergessener und vergriffener Bücher in einer Art "Anche io sono pittore"-Haltung Ersatz suchte. Diese Sammlung, längst nicht mehr existent, als er das schrieb, war sein Kunstwerk gewesen. Sie war von "fast puritanischer Strenge".

Und damit schwingen wir wieder zum anderen Pol: Uhde begriff die kubistische Malerei und neben ihr das Werk des Zöllners Rousseau als eine Kunst des Essentialismus und damit als Antithese zu der Malerei der Oberfläche (Impressionismus) oder der starken Sinnesreize (Fauvismus, Expressionismus). Picasso sei "von der Erde fort in einen Himmel vorgedrungen, wo er sich an den Urformen, den platonischen Ideen inspirierte. Und es wurde sein Ziel, das Wesentliche und Ewige der Dinge zu geben ..." Das liegt so weit ab von allem, was heute über Kubismus und speziell Picasso gesagt wird, dass es fast schon wieder originell ist.

1914 musste Uhde Frankreich verlassen. Seine zurückgelassene Sammlung wurde beschlagnahmt und 1921 zugunsten des französischen Staates versteigert - als Entschädigung für die Kosten des Krieges. Bernd Roeck, der ein instruktives Nachwort beigesteuert hat, schreibt sehr interessant über das Klima, in dem die Versteigerung stattfand, über den Versuch, diese Sammlung eines Fremden als Sammlung einer fremden Kunst abzuwerten. Der Kunstmarkt war weniger beeinflussbar als die gereizte französische Nachkriegsseele. Die Sammlung brachte 247000 Francs. Uhde hatte seinen ersten Picasso für 10 Francs gekauft.

Nach einigen Umwegen in Deutschland ist Uhde 1924 wieder in Frankreich. Er macht weiter wie zuvor, kauft, sammelt, verkauft, schreibt Bücher über Picasso und Rousseau. Die Beziehungen zu Picasso und Braque waren stabil geblieben. Uhde versucht auch, für Rousseau Ersatz zu finden und neue "Naive" zu lancieren. Er bleibt offen: Zwar lehnt er die Surrealisten leidenschaftlich ab, aber für Klee, Kokoschka und Beckmann setzt er sich ein. Auch diese muss der Mann mit einer "Neigung zu Ideen" erst als "wesentlich" erkennen, als genuin deutsche Künstler, als Fortsetzer des "Geistes der Gotik (Klee) und des Barock (Kokoschka)". Das OEuvre des schwierigen Beckmann lebt dagegen "die großartige Qual von Geist und Willen" aus.

Dieses Buch ist in der Tat von einem polaren Geist verfasst: auf der einen Seite der Europäer, der Sammler-Künstler, der Sozialist und Gegner Nazideutschlands - das Buch kostete ihn die deutsche Staatsbürgerschaft -, auf der anderen Seite ein später Spengler-Adept, der Kunst, Denken, Personen strikt nach rassischen Gesichtspunkten beurteilt.

Uhde erlebt mit großer innerer Anteilnahme die Zeit des französischen Sozialismus in den dreißiger Jahren. Dann muss er Paris ein zweites Mal verlassen und sich in Südfrankreich verstecken. Nach Kriegsende kehrt er erneut nach Paris zurück, nimmt das alte Leben wieder auf und stirbt am 17. August 1947. In seinem politischen Testament ist er 1938 von der Endlichkeit des nationalsozialistischen Deutschland - "heute mein schlimmster Feind" - überzeugt. Es werde in einem "brüderlich geeinten Europa" "ein neues Deutschland entstehen", das auf "seine schönen alten Werte, die nicht im Widerspruch stehen zu den großen allgemeinen Werten der Menschheit, baut". Darunter zählt Uhde eine "unkapitalistische" Wirtschaftsordnung: "Wie Städte sich nach Westen ausdehnen, so entwickelt sich die menschliche Ideologie nach links." Das hat sich nicht alles in dieser Konsequenz und Reihenfolge ereignet, aber ganz unrecht hatte Uhde nicht. In den Kubisten die Neue Wesentlichkeit sehen zu wollen war doch keine schlechte Schulung.

WOLFGANG KEMP

Wilhelm Uhde: "Von Bismarck bis Picasso". Erinnerungen und Bekenntnisse. Mit einem Nachwort von Bernd Roeck. Römerhof Verlag, Zürich 2010. 391 S., geb., 29,70 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Schwer zu sagen, was Wolfgang Kemp von diesem Buch hält. Wilhelm Uhdes erstmals 1938 erschienene Erinnerungen scheinen ihm jedenfalls stark geprägt von einem Hang des Autors zu Polaritäten (siehe Titel). Wer kannte und schätzte schon Bismarck und Picasso gleichzeitig? Den hohen Ton, den Uhde bei seinen Reminiszenzen anschlägt, schreibt Kemp denn auch einem kleinen Minderwertigkeitskomplex des einst als Gerichtsreferendar angetretenen, ab 1904 in Paris nicht als großer Mäzen oder Initiator, aber als Sammler und Händler tätigen Uhde zu. Als höchst gegensätzlich erkennt Kemp schließlich auch Uhdes Rolle als europäischer Sammler-Künstler selbst: Hier Sozialist und Nazigegener, da ein "später Spengler-Adept", der, wie Kemp weiß, Kunst und Denken nach rassischen Gesichtspunkten beurteilte.

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