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Krise und Untergang der Römischen Republik, Caesar und die Triumvirn, Prinzipat und Kaiserzeit, römische Geschichtsschreibung und Wissenschaftsgeschichte bilden die großen Forschungsgebiete, auf denen sich Karl Christ durch eine Fülle von Aufsätzen und Monographien ausgewiesen hat. Der vorliegende Sammelband enthält zu diesem Themenkreis neuere und neueste Studien des Autors.

Produktbeschreibung
Krise und Untergang der Römischen Republik, Caesar und die Triumvirn, Prinzipat und Kaiserzeit, römische Geschichtsschreibung und Wissenschaftsgeschichte bilden die großen Forschungsgebiete, auf denen sich Karl Christ durch eine Fülle von Aufsätzen und Monographien ausgewiesen hat. Der vorliegende Sammelband enthält zu diesem Themenkreis neuere und neueste Studien des Autors.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.12.1997

Paradigmenwechsel sind ungedeckt
Bei seinen Ausflügen in die Wissenschaftsgeschichte gibt Karl Christ der Theorie keinen Kredit

Nicht ohne Not, ermahnte Karl Christ vor drei Jahrzehnten seine Kollegen in einer Studie über die Griechen und das Geld, solle man an der Nachricht Herodots rütteln, die Lyder hätten als erste Gold und Silber geprägt. Den Fachgenossen des Marburger Althistorikers wird die Botschaft schwerlich genehm gewesen sein. Wissenschaftler rütteln gern; wären Philologen nicht mit der Korrektur der Überlieferung beschäftigt, hätten sie nichts zu tun. Schriebe man die Erfindung der Münze gegen Herodots Zeugnis den Griechen zu, so Christs Befürchtung, entstünde das verführerische Bild einer autarken Kultur. Selbst wenn vom Mythos der Selbstgenügsamkeit des griechischen Geistes heute keine ideologische Faszination ausgehen sollte, erschiene Christ die Geschlossenheit des Modells zu schön, um wahr zu sein. Mit hartnäckigem Mißtrauen verfolgt er, daß die moderne Altertumswissenschaft, indem sie Quellenkritik und Abstraktion kombiniert, das historische Material isoliert, idealisiert und intellektualisiert. In Christs Augen scheint in der Wissenschaftsgeschichte Greshams Gesetz zu gelten: Quellenaussagen werden gegen Hypothesen getauscht, alte Hypothesen gegen neue, und immerzu wird gutes Geld durch schlechtes Geld verdrängt. Am Ende wird die glatte Münze der universalen Theorie zwar überall gehandelt, doch kann man sich dafür nichts kaufen.

Gleichwohl will Christ die Geschichte nicht rückgängig machen. Liest man die beiden neuen Bände seiner kleinen Schriften, die die dreiteilige Sammlung "Römische Geschichte und Wissenschaftsgeschichte" ergänzen, dann stößt man zwar auf die Warnung vor der Mode, aber nicht auf humanistische Phrasen vom Klassischen und Unvergänglichen. Man könnte meinen, dieser seltsame Konservative wolle die Tradition gerade deshalb bewahren, um sich ihrer Fragwürdigkeit zu versichern. An den Gründerfiguren seiner Disziplin betont er das Schroffe; die dunklen Seiten der Alten Welt rückt er ins Licht, die Sklavenwirtschaft der griechischen Städte, den Expansionismus der römischen Republik.

Als Gibbon nach Rom kam, erschütterte ihn die Größe der Ruinen so sehr, daß er seinem Vater schrieb, um des Glücks der Menschheit willen hoffe er, es werde nie wieder ein solches Volk geben. So bewundert Christ an Mommsen oder Burckhardt gerade die gedankliche Kühnheit, von der er weiß, daß der spezialistisch arbeitende Fachmann sie nicht nachahmen kann. Die Herleitung der Gesellschaft aus dem Totenkult in der "Antiken Stadt" von Fustel de Coulanges beeindruckt ihn durch "die konsequente geschichtsphilosophische Gesamtkonzeption", der die deutsche Fachwelt nicht folgen wollte. Deutschen Philologen, deren Religion die Kritik war, mußte Fustel schon als passionierter Verteidiger der Quellen suspekt sein, der sich lieber mit Livius als mit Niebuhr täuschen wollte. Christ teilt diese Leidenschaft, weiß sie aber zu bändigen. Ohne Not soll man nicht an Herodot rütteln, aber der Ausnahmezustand ist die wissenschaftliche Normalität: Das Schicksal der Gelehrtenrepublik ist die Krise ohne Alternative.

Überwindung der Überlieferung

Christs große Untersuchung über Spartabild und Spartaforschung macht deutlich, wie mühsam die Überwindung der überlieferten Legenden war. Eine kleine prosopographische Studie über die Frauen der zweiten Triumvirn erbringt das gewichtige Resultat, daß erst die Frauenemanzipation unserer Tage den unbefangenen Blick auf Verhaltensweisen ermöglicht habe, welche die patriarchalische Moral der römischen Führungsschicht verurteilte. Noch jüngere Gesamtdarstellungen sprachen die oktavianische Propaganda nach und malten Fulvia, die Gattin des Antonius, als "Mannweib übelster Sorte". Durch die Historisierung solcher Befangenheiten öffnet die Fachgeschichte der Sachgeschichte die Augen.

Die Absicht, die Erforschung der Meinungen in den Dienst der Erforschung der Dinge zu stellen, macht Christ zum Außenseiter. Wer an der Spitze des wissenschaftlichen Fortschritts zu marschieren glaubt, läßt sich ungern darüber belehren, daß er im Kreis geht. Die meisten Historiker der Historie wiederum ziehen aus dem Zirkulieren der Paradigmen den Schluß, daß es gar keine Geschichte gibt, sondern nur den Geschichtsdiskurs. Christ dagegen könnte mit seinem Lehrmeister Arnaldo Momigliano sagen: "Die Geschichte der Historiographie hat, wie jede andere historische Forschung, kein anderes Ziel, als zwischen Wahrheit und Irrtum zu unterscheiden." Befremdet notiert er, daß die Mediävistik die Urkunde über die Konstantinische Schenkung keine Fälschung mehr nennen möchte.

Es mag überraschen, daß ein Gelehrter, dem die "konkrete Realität" im Zweifel mehr gilt als die "bloße Theorie", sein Lebenswerk der Katalogisierung von Theorien gewidmet hat. Den Schlüssel zu diesem Rätsel enthält vielleicht Christs Abhandlung über die Beiträge deutscher Althistoriker zur Reichsideologie der Nationalsozialisten. Nicht methodologische Naivität erklärt, daß Quellenbegriffe in Parolen der Gegenwart übersetzt wurden; am Beispiel seines Lehrers Joseph Vogt skizziert Christ den Typus des "ehrgeizigen jüngeren Spezialisten, der sich mit denkbar großer Anspannung bemühte, jeweils dominierende moderne Ideen auf sein Fach anzuwenden". Die Modernität der Altertumswissenschaft - ihre Distanz zur Überlieferung, ihre Virtuosität routinierter Neuinterpretation - wurde ihr selbst zum Verhängnis. Die Zäsur des Nationalsozialismus erklärt auch, daß Christ die ältere und die jüngere Fachgeschichte mit zweierlei Maß mißt: Die aktualisierende Verfremdung des Stoffes, die ihm bei den heutigen Avantgardisten als frivoler Opportunismus erscheint, imponiert ihm bei Theodor Mommsen. 1933 hat der hermeneutische Cäsarismus seine Unschuld verloren.

Während andere Kritiker der historiographischen Tradition ihre Kollegen über die Theoriebedürftigkeit der Geschichtswissenschaft aufklärten, wurde Christ gerade der theoretische Gestus zweifelhaft, die Verachtung für die Tatsachen. Sein höchstes Lob spendet er, wenn er die Nüchternheit eines Vorgängers wie Sir Ronald Syme rühmt. Als bezeichnend für Mommsen hebt er das Urteil heraus, Tiberius habe "mehr auf die Sache als auf den Schein" gesehen. Diese Gerechtigkeit für den verschlossenen Nachfolger eines Meisters der Selbstdarstellung ist nicht weniger bezeichnend für Karl Christ, der als Autor mehrerer hundert Publikationen den Maximen folgte, die er bei Mark Aurel gefunden hat: "Freiheit, Einfachheit, Meiden von Geschwätz". PATRICK BAHNERS

Karl Christ: "Von Caesar zu Konstantin". Beiträge zur römischen Geschichte und ihrer Rezeption. Verlag C. H. Beck, München 1996. 350 S., br., 88,- DM.

Karl Christ: "Griechische Geschichte und Wissenschaftsgeschichte". Historia Einzelschriften, Heft 106. Franz Steiner Verlag, Stuttgart 1996. 238 S., Abb., br., 88,- DM.

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