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In seinen zwischen 1429 und 1450 in drei Versionen verfassten und mit unterschiedlichen Protagonisten ausgestatteten Dialogen Über die Lust oder über das wahre und das falsche Gute verfolgt Valla das doppelte Ziel, die philosophische Ethik, repräsentiert durch die stoische Tugendethik, zu widerlegen und eine neue - die wahre - christliche Ethik zu begründen. Zur Erreichung dieses Ziels lässt er die Unterredner die stoisch-christliche Lehre von der honestas, der Ehrbarkeit, als zutiefst unmoralisch und unnatürlich brandmarken und stattdessen die voluptas, die Lust, als höchstes Gut propagieren,…mehr

Produktbeschreibung
In seinen zwischen 1429 und 1450 in drei Versionen verfassten und mit unterschiedlichen Protagonisten ausgestatteten Dialogen Über die Lust oder über das wahre und das falsche Gute verfolgt Valla das doppelte Ziel, die philosophische Ethik, repräsentiert durch die stoische Tugendethik, zu widerlegen und eine neue - die wahre - christliche Ethik zu begründen. Zur Erreichung dieses Ziels lässt er die Unterredner die stoisch-christliche Lehre von der honestas, der Ehrbarkeit, als zutiefst unmoralisch und unnatürlich brandmarken und stattdessen die voluptas, die Lust, als höchstes Gut propagieren, dessen Natürlichkeit auch der durch Christus erlösten Natur des Menschen angemessen ist. Dabei wandelt sich die Sprache von der logisch-philosophischen über die rhetorische zur poetischen Argumentationsweise. Dank dieser methodischen Eigenart und der Dialogform bleibt Vallas eigene Position verborgen und hat dieses Meisterstück humanistischer Sprachkunst eine Vielzahl unterschiedlicher Interpretationen herausgefordert.
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Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 19.10.2004

Freund des Ehebruchs
Lorenzo Valla rehabilitierte die Sinne und pries die Lust
Über die Einnahmen und Ausgaben des Menschen weiß die Poesie einiges mehr zu vermelden, als die Ökonomie sich träumen lässt. Goethe, im „Buch des Sängers” aus dem Westöstlichen Divan, fand die „wunderbare Mischung des Lebens” am schönsten in den „zweierlei Gnaden” des Atemholens manifestiert: „Die Luft einziehen, sich ihrer entladen: Jenes bedrängt, dieses erfrischt.” Lorenzo Valla (1407 bis 1457), dem heute vorwiegend noch als Begründer einer philologisch-historischen Quellenkritik berühmten Humanisten, wäre die Seite der Einnahmen entschieden zu luftig, nicht stofflich genug erschienen.
Jedenfalls lässt er einen der Dialogpartner in seinem Frühwerk „De vero bono” statuieren: „In zwei Hinsichten sind die Menschen wohl den übrigen Lebewesen überlegen: Dass wir Gefühle aussprechen und Wein trinken können, dieses in uns hinein, jenes aus uns heraus”. Solche Auffassung von der spezifischen Differenz des Menschen, ohne Rekurs auf die sonst stets angeführte Vernunft, steht im Zeichen einer großangelegten Rehabilitierung der Sinnlichkeit. Unter der Maske seiner Dialogfiguren macht Valla sich zum Anwalt der souveränen Lust. Die „voluptas” sei unter den Tugenden nicht wie eine Hure unter ehrbaren Weibern, sondern gleichsam die Herrin unter Mägden, „welche der einen zu kommen, der andern zu gehen, dieser zu bleiben, jener zu warten heißt und sich von ihnen bedienen lässt, während sie selber sitzen bleibt”. Im Licht des Primats der Lust zergeht für Valla, gegen Aristoteles, der Vorrang der erhabenen Gegenstände des Kosmos’ vor den Liebreizen dieser Erde: „Deine Lust, wenn du den Himmel und die Sterne betrachtest, ist nicht größer als die meinige, wenn ich ein hübsches Gesicht anschaue.” Nicht minder folgerichtig sät der Primat der Lust Misstrauen gegen die großen Ambitionen der Politiker und Militärs, schielend auf postumen Ruhm: „Nichts als der Name bleibt von einem Toten”, heißt es an einer Stelle schneidend, „und der ist kein Teil des Menschen.” Mit der Aufwertung der Lust geht eine solche der Rhetorik einher, die bei Valla zu deren Medium wird. Der Entschluss, „ut malis oratorie quam philosophice loqui”, lieber nach Redner- als nach Philosophenart zu sprechen, bedingt für den gelehrten Autor wie für den Leser einen lustvollen Verzicht: den auf Pedanterie. Mit atemraubender dialektischer Verve kratzt der 27-jährige Valla im dritten Buch dieser übermütigen Schrift, welche immerhin ein veritables Lob des Ehebruchs enthält, die Kurve schnurstracks hinein ins christliche Paradies - der Sinne: Denn so deutet der unwiderstehliche Rhetor es um.
Peter Michael Schenkel hat das Kunststück vollbracht, den Ton von Vallas Humanistenlatein ins Deutsche hinüberzuretten. Und Eckhard Keßler hat dem Text eine vorzügliche, höchst kundige Einleitung über diesen Autor vorangestellt, von dem mehr, weit mehr bekannt sein sollte als seine Aufdeckung der Konstantinischen Schenkung als eines Schwindels. „Von der Lust oder Vom wahren Guten” ist, so übersetzt, ediert und erläutert, selber die reine Lust. „Wollte der Mensch doch fünfzig oder fünfhundert Sinne statt nur fünf besitzen! Denn wenn jene, die wir schon haben, gut sind, warum dürfen wir uns nicht noch andere wünschen von der gleichen Art?”, bemerkt einer der Unterredner. Dieses Buch trägt dazu bei, den in ihm beklagten Mangel zu beheben. Wem der Sinn danach steht, sich den einen oder anderen Sinn nachwachsen zu lassen - es sollte freilich nicht gerade der „Sinn des Lebens” sein -, der greife zu Lorenzo Vallas „De vero bono” in dieser exzellenten neuen Ausgabe.
ANDREAS DORSCHEL
LORENZO VALLA: Von der Lust oder Vom wahren Guten. De voluptate sive De vero bono. Lateinisch-deutsche Ausgabe herausgegeben und übersetzt von Peter Michael Schenkel. Eingeleitet von Eckhard Keßler.Wilhelm Fink Verlag, München 2004. CIII u. 418 Seiten, 69 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Ganz hin und weg ist Andreas Dorschel von der Entdeckung dieser Schrift des Renaissenceautors Lorenzo Valla. Der war bisher in erster Linie als scharfsinniger Philologe bekannt, zeigt sich hier aber von einer gründlich anderen Seite. Nicht weniger nämlich unternimmt er in diesem Buch als die "großangelegte Rehabilitierung der Sinnlichkeit", die Feier der "souveränen Lust". Damit verbunden ist eine radikale Wendung zum Innerweltlichen, Nachruhm gilt Valla wenig, ja, er geht sogar bis zum "Lob des Ehebruchs". Als Verbündete seiner Weltsicht begreift er die Rhetorik und ihre Verführungskräfte - damit verbunden ist die Abwertung der Philosophie. Der Rezensent mag sich dem vergeblichen Wunsch des Autors nach noch viel mehr Sinnen ("fünfzig oder fünfhundert") ohne Vorbehalte anschließen und lobt nachdrücklich sowohl die Übersetzung durch Peter Michael Schenkel als auch die "vorzügliche, höchst kundige Einleitung" von Eckhard Keßler.

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