Die deutsche Börsenlandschaft ist seit Jahrzehnten Schauplatz von tiefgreifenden Veränderungen, Strukturbrüchen und innovativen Anpassungen der Handelsmodelle. In deren Verlauf hat sich die Frankfurter Wertpapierbörse zu einer international führenden Plattform für den Wertpapierhandel als Teil eines hocheffizienten Dienstleistungsunternehmens entwickelt: der Deutsche Börse AG.
Die Autoren, ausgewiesene Experten ihres Fachs, zeigen in dieser breit angelegten historischen Studie zur Entwicklung der Frankfurter Wertpapierbörse, welche Herausforderungen die Börse bewältigen musste - von der Zwischenkriegszeit über den Neubeginn nach 1945 bis hin zur stürmischen Kapitalmarktentwicklung seit den 1980er-Jahren und zum Auftakt des digitalen 21. Jahrhunderts. Boris Gehlen, Bernd Rudolph, Günter Franke, Benjamin Clapham und Peter Gomber behandeln die Bedeutung des politischen und regulatorischen Umfelds der Finanzmärkte, des nationalen und internationalen Wettbewerbs sowie der technischen Entwicklungen für den Strukturwandel und die Geschäftspolitik. Auf diese Weise ermöglichen sie eine ebenso umfassende wie differenzierte Sicht auch auf die heutige Rolle und Bedeutung der Börse.
Die Autoren, ausgewiesene Experten ihres Fachs, zeigen in dieser breit angelegten historischen Studie zur Entwicklung der Frankfurter Wertpapierbörse, welche Herausforderungen die Börse bewältigen musste - von der Zwischenkriegszeit über den Neubeginn nach 1945 bis hin zur stürmischen Kapitalmarktentwicklung seit den 1980er-Jahren und zum Auftakt des digitalen 21. Jahrhunderts. Boris Gehlen, Bernd Rudolph, Günter Franke, Benjamin Clapham und Peter Gomber behandeln die Bedeutung des politischen und regulatorischen Umfelds der Finanzmärkte, des nationalen und internationalen Wettbewerbs sowie der technischen Entwicklungen für den Strukturwandel und die Geschäftspolitik. Auf diese Weise ermöglichen sie eine ebenso umfassende wie differenzierte Sicht auch auf die heutige Rolle und Bedeutung der Börse.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.10.2022Geschichte der Frankfurter Börse
Von der Weimarer Zeit bis heute
Das Verhältnis der Deutschen zu Aktien und zur Börse war schon immer etwas kompliziert. Vielleicht ist das der Grund, warum man auf eine umfassende Geschichte der Frankfurter Wertpapierbörse und damit auch des deutschen Börsenwesens lange warten musste. Das vom Wissenschaftlichen Beirat des Instituts für Bank- und Finanzgeschichte herausgegebene Buch ist gleichsam die Fortsetzung des Buchs "Deutsche Börsengeschichte", das schon 1992 veröffentlicht wurde. Umfasste die "Deutsche Börsengeschichte" die Zeit vom Mittelalter bis zum Beginn der Neunzigerjahre, so beginnt das neue Buch in der Weimarer Zeit. Boris Gehlen sorgt im ersten, kürzeren von vier Beiträgen für den Übergang in die Nachkriegszeit. Es entsteht eine sehr gute Chronologie, und auch die Hintergründe der Entwicklungen werden gut deutlich. Es zeigt sich, dass das Verhältnis der deutschen Öffentlichkeit zur Börse schon immer schwierig war, etwa wenn die Börse in Diskussionen um die Regulierung schon im 19. Jahrhundert als "Spielhölle" zur "Volksausraubung" verdammt wird. "Im Kern verbanden sich . . . Antikapitalismus, Antisemitismus und Globalisierungskritik", schreibt Gehlen und verschweigt dabei nicht, dass es Finanz- und Betrugsskandale nicht eben besser machten. Letztlich überrascht der starke Bedeutungsverlust der Börse vor 1933 und erst recht danach nicht. Geht es um das düstere Kapitel das Nationalsozialismus, hätte man sich eine deutlichere Beleuchtung der Akteure gewünscht, etwa des Vorsitzenden des Börsenvorstands von 1933 bis 1945, Moritz von Bethmann.
Gegenüber dem Vorgängerbuch standen, berichtet der Vorsitzende des Institutsbeirats, Bernd Rudolph, in der Einleitung, den Autoren viele unveröffentlichte Quellen zur Verfügung, nicht zuletzt aus den Akten der Deutschen Börse AG. Man kann es gar nicht genug honorieren: Es ist eine umfassende und - allerdings bisweilen im doppelten Sinn - erschöpfende Geschichte der Frankfurter Börse und des Deutschen Börsenwesens, im Grunde das Buch, das immer gefehlt hat. Die Bewältigung der Herkulesaufgabe, ein Destillat mehrerer Jahrzehnte auf jeweils rund 90 Seiten zu liefern, gelingt nicht immer gleich gut.
Rudolph obliegt die schwierige Aufgabe, die Nachkriegsjahrzehnte lebendig werden lassen zu müssen, als die (Frankfurter) Börse weder in ihrer Bedeutung noch in ihrer Verfassung mit der Deutschen Börse AG heute vergleichbar war. Es entsteht der Eindruck einer geschützten Nische für einen kleinen Kreis, der dadurch Pfründe wahrte und im Grunde vom Nischendasein profitierte. Möglich, weil es keinen globalen Kapitalmarkt gab und weil man im Wirtschaftswunder ohne ihn auskam, was sich erst ab Ende der Fünfzigerjahre änderte. Da aber zeigt sich wieder wie zutreffend das Bonmot "Geschichte wiederholt sich nicht, aber sie reimt sich oft" sein kann. Nach zwei erfolgreichen Privatisierungen als Volksaktien (Preussag und VW) wird die dritte (Veba) versemmelt und danach ist Schluss mit den Volksaktien. Das erinnert schon an die Deutsche Telekom 36 Jahre später. Die Darstellung leidet indes ein wenig darunter, dass Rudolph bisweilen chronologisch vor- und zurückgreift.
Günter Franke tut sich mit der Epoche zwischen 1980 und 2002 leichter. Denn der rote Faden ist klar: Aus der Frankfurter wird die Deutsche Börse. Wobei ein Aha-Erlebnis ist, dass die heutige Gleichsetzung von Deutscher und Frankfurter Börse mit der Namensänderung so genau nicht beabsichtigt war. Vielmehr wollte die Frankfurter Börse in den Achtzigerjahren gar nicht die politisch gewünschte Bundesbörse werden. Lieber hätte man wohl im Dunkeln der Provinzbörse weiter gemunkelt und verbrämte das als "Bewahrung des ehrlichen Miteinanders und der menschlichen Wärme". Die Frankfurter Börse war damals eher kein Vorreiter der Entwicklung, sondern wurde durch die Zunahme des globalen Börsenhandels und die Elektronisierung mehr zu ihrem Glück gezwungen. Franke gelingt es, die Zusammenhänge exzellent sowohl historisch als auch auf abstrakter Ebene einzuordnen, manchmal vielleicht etwas zu theoretisch. Doch gute Zusammenfassungen und chronologische Übersichtskästen helfen sehr beim Verständnis.
Peter Gomber und Benjamin Clapham obliegt es am Ende, das Zeitalter der Digitalisierung zu umreißen. Beide sind Professoren für E-Finance, und das merkt man deutlich. Auch wenn Börsengeschichte seit 2002 in hohem Maße Technikgeschichte ist, so liegt der Fokus doch stark auf der Funktionsweise des Börsenhandels, leider nicht nur in gekennzeichneten Exkursen. Dabei gerät der Blick auf die Frankfurter oder Deutsche Börse in den Hintergrund. Warum etwa das Neuemissionsgeschäft so darbt, das doch zu den ureigensten Aufgaben einer Börse zählt, wird auf anderthalb Seiten überflogen. Angesichts des hohen Spezialisierungsgrads der Materie wären Zusammenfassungen ein Muss gewesen.
Ziel des Buches sei es, einen breiten Leserkreis anzusprechen und auch Nicht-Börsenspezialisten zu helfen, sich ein Bild vom fundamentalen Wandel des Börsenwesens zu machen, schreibt Rudolph in der Einleitung. Diesem extrem hohen Anspruch wird das Buch manchmal sehr gut und manchmal weniger gut gerecht. Pflichtlektüre aber ist das Buch für alle, die über das deutsche Börsenwesen mehr wissen wollen. Der hohe Wert, den dieses Buch für die Geschichte des deutschen Börsenwesens haben kann, erschließt sich manchmal erst beim zweiten Lesen. MARTIN HOCK
Hanna Floto-Degener, Bernd Rudolph (Hrsg.): Von der Traditionsbörse zum digitalen Marktplatz, Die Frankfurter Wertpapierbörse und der Wertpapierhandel in Deutschland von der Weimarer Zeit bis ins 21. Jahrhundert, Franz Steiner, Stuttgart 2022, 411 Seiten, 48 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Von der Weimarer Zeit bis heute
Das Verhältnis der Deutschen zu Aktien und zur Börse war schon immer etwas kompliziert. Vielleicht ist das der Grund, warum man auf eine umfassende Geschichte der Frankfurter Wertpapierbörse und damit auch des deutschen Börsenwesens lange warten musste. Das vom Wissenschaftlichen Beirat des Instituts für Bank- und Finanzgeschichte herausgegebene Buch ist gleichsam die Fortsetzung des Buchs "Deutsche Börsengeschichte", das schon 1992 veröffentlicht wurde. Umfasste die "Deutsche Börsengeschichte" die Zeit vom Mittelalter bis zum Beginn der Neunzigerjahre, so beginnt das neue Buch in der Weimarer Zeit. Boris Gehlen sorgt im ersten, kürzeren von vier Beiträgen für den Übergang in die Nachkriegszeit. Es entsteht eine sehr gute Chronologie, und auch die Hintergründe der Entwicklungen werden gut deutlich. Es zeigt sich, dass das Verhältnis der deutschen Öffentlichkeit zur Börse schon immer schwierig war, etwa wenn die Börse in Diskussionen um die Regulierung schon im 19. Jahrhundert als "Spielhölle" zur "Volksausraubung" verdammt wird. "Im Kern verbanden sich . . . Antikapitalismus, Antisemitismus und Globalisierungskritik", schreibt Gehlen und verschweigt dabei nicht, dass es Finanz- und Betrugsskandale nicht eben besser machten. Letztlich überrascht der starke Bedeutungsverlust der Börse vor 1933 und erst recht danach nicht. Geht es um das düstere Kapitel das Nationalsozialismus, hätte man sich eine deutlichere Beleuchtung der Akteure gewünscht, etwa des Vorsitzenden des Börsenvorstands von 1933 bis 1945, Moritz von Bethmann.
Gegenüber dem Vorgängerbuch standen, berichtet der Vorsitzende des Institutsbeirats, Bernd Rudolph, in der Einleitung, den Autoren viele unveröffentlichte Quellen zur Verfügung, nicht zuletzt aus den Akten der Deutschen Börse AG. Man kann es gar nicht genug honorieren: Es ist eine umfassende und - allerdings bisweilen im doppelten Sinn - erschöpfende Geschichte der Frankfurter Börse und des Deutschen Börsenwesens, im Grunde das Buch, das immer gefehlt hat. Die Bewältigung der Herkulesaufgabe, ein Destillat mehrerer Jahrzehnte auf jeweils rund 90 Seiten zu liefern, gelingt nicht immer gleich gut.
Rudolph obliegt die schwierige Aufgabe, die Nachkriegsjahrzehnte lebendig werden lassen zu müssen, als die (Frankfurter) Börse weder in ihrer Bedeutung noch in ihrer Verfassung mit der Deutschen Börse AG heute vergleichbar war. Es entsteht der Eindruck einer geschützten Nische für einen kleinen Kreis, der dadurch Pfründe wahrte und im Grunde vom Nischendasein profitierte. Möglich, weil es keinen globalen Kapitalmarkt gab und weil man im Wirtschaftswunder ohne ihn auskam, was sich erst ab Ende der Fünfzigerjahre änderte. Da aber zeigt sich wieder wie zutreffend das Bonmot "Geschichte wiederholt sich nicht, aber sie reimt sich oft" sein kann. Nach zwei erfolgreichen Privatisierungen als Volksaktien (Preussag und VW) wird die dritte (Veba) versemmelt und danach ist Schluss mit den Volksaktien. Das erinnert schon an die Deutsche Telekom 36 Jahre später. Die Darstellung leidet indes ein wenig darunter, dass Rudolph bisweilen chronologisch vor- und zurückgreift.
Günter Franke tut sich mit der Epoche zwischen 1980 und 2002 leichter. Denn der rote Faden ist klar: Aus der Frankfurter wird die Deutsche Börse. Wobei ein Aha-Erlebnis ist, dass die heutige Gleichsetzung von Deutscher und Frankfurter Börse mit der Namensänderung so genau nicht beabsichtigt war. Vielmehr wollte die Frankfurter Börse in den Achtzigerjahren gar nicht die politisch gewünschte Bundesbörse werden. Lieber hätte man wohl im Dunkeln der Provinzbörse weiter gemunkelt und verbrämte das als "Bewahrung des ehrlichen Miteinanders und der menschlichen Wärme". Die Frankfurter Börse war damals eher kein Vorreiter der Entwicklung, sondern wurde durch die Zunahme des globalen Börsenhandels und die Elektronisierung mehr zu ihrem Glück gezwungen. Franke gelingt es, die Zusammenhänge exzellent sowohl historisch als auch auf abstrakter Ebene einzuordnen, manchmal vielleicht etwas zu theoretisch. Doch gute Zusammenfassungen und chronologische Übersichtskästen helfen sehr beim Verständnis.
Peter Gomber und Benjamin Clapham obliegt es am Ende, das Zeitalter der Digitalisierung zu umreißen. Beide sind Professoren für E-Finance, und das merkt man deutlich. Auch wenn Börsengeschichte seit 2002 in hohem Maße Technikgeschichte ist, so liegt der Fokus doch stark auf der Funktionsweise des Börsenhandels, leider nicht nur in gekennzeichneten Exkursen. Dabei gerät der Blick auf die Frankfurter oder Deutsche Börse in den Hintergrund. Warum etwa das Neuemissionsgeschäft so darbt, das doch zu den ureigensten Aufgaben einer Börse zählt, wird auf anderthalb Seiten überflogen. Angesichts des hohen Spezialisierungsgrads der Materie wären Zusammenfassungen ein Muss gewesen.
Ziel des Buches sei es, einen breiten Leserkreis anzusprechen und auch Nicht-Börsenspezialisten zu helfen, sich ein Bild vom fundamentalen Wandel des Börsenwesens zu machen, schreibt Rudolph in der Einleitung. Diesem extrem hohen Anspruch wird das Buch manchmal sehr gut und manchmal weniger gut gerecht. Pflichtlektüre aber ist das Buch für alle, die über das deutsche Börsenwesen mehr wissen wollen. Der hohe Wert, den dieses Buch für die Geschichte des deutschen Börsenwesens haben kann, erschließt sich manchmal erst beim zweiten Lesen. MARTIN HOCK
Hanna Floto-Degener, Bernd Rudolph (Hrsg.): Von der Traditionsbörse zum digitalen Marktplatz, Die Frankfurter Wertpapierbörse und der Wertpapierhandel in Deutschland von der Weimarer Zeit bis ins 21. Jahrhundert, Franz Steiner, Stuttgart 2022, 411 Seiten, 48 Euro.
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