Das in Kurzschrift geführte Originaltagebuch, das der Diplomat von Hentig auf der Rückreise von Afghanistan begonnen hatte, wurde 1945 von amerikanischem Militär konfisziert und gilt als verschollen. Überdauert hat eine Maschinenabschrift, die hier erstmals publiziert wird. Zusammen mit detaillierten, lebendig geschriebenen Privatbriefen aus Asien und dem Abschlussbericht für das Auswärtige Amt ist eine umsichtig gestaltete Dokumentation eines faszinierenden Kapitels europäisch-asiatischer Begegnung entstanden: Werner Otto v. Hentigs Strapazen, Kämpfe und gelassene Beobachtungen während seiner diplomatischen Mission, die ihn über Istanbul, durch die Salzwüsten Mittelpersiens bis zum Emir in Kabul führte, sein neunmonatiger Aufenthalt in Afghanistan und die gefahrvolle, siebenmonatige Rückreise über den Pamir bis in die Provinz Honan.Das unveröffentlichte Tagebuch einer geheimen Mission. Ein Grundlagentext über die schwierigen Anfänge der deutsch-afghanischen Beziehungen.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.02.2004Auf Abenteuerreise
AFGHANISTAN. Das Deutsche Reich versuchte während des Ersten Weltkriegs, seine Gegner mit Hilfe von nationalen oder sozialen Unruhen in deren Heimatländern oder Kolonien zu lähmen und so zum Frieden zu nötigen. Am bekanntesten und erfolgreichsten war die Überführung Lenins in einem verplombten Eisenbahnwaggon von der Schweiz nach Rußland. Aber auch die Afghanistan-Mission des Legationssekretärs Werner Otto von Hentig 1915/16 zählt zu den berühmteren Aktionen.
Er begleitete einen indischen Prinzen in die afghanische Hauptstadt Kabul, um mit seiner Hilfe den dortigen Emir aus der Allianz mit Großbritannien herauszulösen. Falls ihm dies gelungen wäre, hätte das Empire in seinen Grundfesten erschüttert werden können. Die Mission scheiterte aber, und Hentig mußte das Land wieder verlassen, um über China in seine Heimat zu gelangen. Im Zentrum des Buches stehen die erstmals veröffentlichten Tagebuchaufzeichnungen des Diplomaten über seine abenteuerliche Flucht zwischen seinem Aufbruch von Kabul im Mai 1916 und seiner Ankunft in Honan (heute Loyang) im Dezember 1916, als er und seine Gruppe den Pamir querten sowie durch mehrere chinesische Provinzen reisten. Ergänzt werden die Notizen durch Briefe an seine Eltern und Berichte für das Auswärtige Amt, die über die Reise bis Kabul, den dortigen Aufenthalt sowie über die Strecke Honan-Schanghai Auskunft geben.
Im Tagebuch hielt er seine Reiseeindrücke sowie seine diversen Auseinandersetzungen mit den chinesischen Behörden fest, die zwischen Neutralität gegenüber dem Fremden und dem Drängen der britischen Konsuln standen, Hentig entweder gefangenzunehmen oder ihn zumindest an einer Ausreise zu hindern. Die Aufzeichnungen bieten einen Einblick in das Leben der chinesischen Bevölkerung kurze Zeit nach der Revolution in einem abgelegenen Teil des riesigen Reiches.
Einige Schilderungen dürften aber auf Verzerrungen beruhen, da sie durch die Brille eines Europäers gesehen wurden, der zwar einige Erfahrungen mit dem Land hatte (ein Bericht über seine Tätigkeit vor dem Ausbruch des Krieges ist vorangestellt), aber doch an der Oberfläche bleiben. Vor allem die Beschreibung der zuständigen Beamten hängt davon ab, wie sie ihm gegenüber eingestellt waren. Über die politischen Verhandlungen in Kabul erfährt der Leser nur wenig. (Werner Otto von Hentig: Von Kabul nach Shanghai. Bericht über die Afghanistan-Mission 1915/16 und die Rückkehr über das Dach der Welt und durch die Wüsten Chinas. Mit einem Vorwort von Gunnar Jarring. Libelle Verlag, Konstanz 2003. 284 Seiten, 24, 80 [Euro].)
FRANZ-JOSEF KOS
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
AFGHANISTAN. Das Deutsche Reich versuchte während des Ersten Weltkriegs, seine Gegner mit Hilfe von nationalen oder sozialen Unruhen in deren Heimatländern oder Kolonien zu lähmen und so zum Frieden zu nötigen. Am bekanntesten und erfolgreichsten war die Überführung Lenins in einem verplombten Eisenbahnwaggon von der Schweiz nach Rußland. Aber auch die Afghanistan-Mission des Legationssekretärs Werner Otto von Hentig 1915/16 zählt zu den berühmteren Aktionen.
Er begleitete einen indischen Prinzen in die afghanische Hauptstadt Kabul, um mit seiner Hilfe den dortigen Emir aus der Allianz mit Großbritannien herauszulösen. Falls ihm dies gelungen wäre, hätte das Empire in seinen Grundfesten erschüttert werden können. Die Mission scheiterte aber, und Hentig mußte das Land wieder verlassen, um über China in seine Heimat zu gelangen. Im Zentrum des Buches stehen die erstmals veröffentlichten Tagebuchaufzeichnungen des Diplomaten über seine abenteuerliche Flucht zwischen seinem Aufbruch von Kabul im Mai 1916 und seiner Ankunft in Honan (heute Loyang) im Dezember 1916, als er und seine Gruppe den Pamir querten sowie durch mehrere chinesische Provinzen reisten. Ergänzt werden die Notizen durch Briefe an seine Eltern und Berichte für das Auswärtige Amt, die über die Reise bis Kabul, den dortigen Aufenthalt sowie über die Strecke Honan-Schanghai Auskunft geben.
Im Tagebuch hielt er seine Reiseeindrücke sowie seine diversen Auseinandersetzungen mit den chinesischen Behörden fest, die zwischen Neutralität gegenüber dem Fremden und dem Drängen der britischen Konsuln standen, Hentig entweder gefangenzunehmen oder ihn zumindest an einer Ausreise zu hindern. Die Aufzeichnungen bieten einen Einblick in das Leben der chinesischen Bevölkerung kurze Zeit nach der Revolution in einem abgelegenen Teil des riesigen Reiches.
Einige Schilderungen dürften aber auf Verzerrungen beruhen, da sie durch die Brille eines Europäers gesehen wurden, der zwar einige Erfahrungen mit dem Land hatte (ein Bericht über seine Tätigkeit vor dem Ausbruch des Krieges ist vorangestellt), aber doch an der Oberfläche bleiben. Vor allem die Beschreibung der zuständigen Beamten hängt davon ab, wie sie ihm gegenüber eingestellt waren. Über die politischen Verhandlungen in Kabul erfährt der Leser nur wenig. (Werner Otto von Hentig: Von Kabul nach Shanghai. Bericht über die Afghanistan-Mission 1915/16 und die Rückkehr über das Dach der Welt und durch die Wüsten Chinas. Mit einem Vorwort von Gunnar Jarring. Libelle Verlag, Konstanz 2003. 284 Seiten, 24, 80 [Euro].)
FRANZ-JOSEF KOS
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Im Zentrum dieser erstmals veröffentlichten Tagebuchaufzeichnungen des deutschen Legationssekretärs Werner Otto von Hentig aus den Jahren 1915/16 fand ein nicht wirklich zufriedener Rezensent Franz-Josef Kos die Afghanistanmission des deutschen Außenpolitikers geschildert. Ziel dieser misslungenen Mission ist seinen Informationen zufolge die Herauslösung des afghanischen Emirs aus der Allianz mit Großbritannien gewesen, um das Empire in seinen Grundfesten zu erschüttern. In den, von Briefen an die Eltern ergänzten Aufzeichnungen beschreibt von Hentig seine abenteuerliche Flucht aus Kabul über China zurück nach Deutschland geschildert. Zwar stoßen die Einblicke in das Leben der chinesischen Bevölkerung kurze Zeit nach der Revolution auf sein Interesse. Insgesamt findet er die Schilderungen jedoch zu sehr durch die europäische Brille verzerrt, und auch über die politischen Verhandlungen hat er für seinen Geschmack viel zu wenig erfahren.
© Perlentaucher Medien GmbH
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