Von Kaisern und BarbarenWer baute die Große Chinesische Mauer? Kann man sie wirklich vom Mond aus sehen? Und wozu diente sie überhaupt? Der aufwändig gestaltete Titel bietet einen einzigartigen Überblick über die Hintergründe und Etappen des Mauerbaus. Zahlreiche kunstvolle und farbige Abbildungen machen die Geschichte des alten China wieder lebendig. Zusätzliche Infokästen präsentieren Wissenswertes rund ums Thema. - Chinesische Geschichte für Erwachsene und Jugendliche, spannend und informativ erzählt!
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Cornelia Hermanns' Kinderbuch über die Technik- und Kulturgeschichte des Baus der Großen Chinesischen Mauer hat Rezensent Steffen Gnam gut gefallen. Auch der Kritiker lernt in "Von Kaisern und Barbaren" noch einiges Neues über das 8851, 8 Kilometer lange Monument, das als Grenzwall gegen die Nordvölker diente. Vom Mond aus sei die Chinesische Mauer etwa gar nicht zu sehen, informiert der Rezensent, der hier auch erfährt, dass die Chinesen ihr Nationaldenkmal noch im 18. Jahrhundert als Sinnbild für Größenwahn und den Tod tausender Arbeiter verachteten. Lobend erwähnt Gnam auch die detailverliebten und spannungsvollen Illustrationen Gregor Körtings, welche die historischen und regionalen Bauweisen eindrucksvoll vor Augen führten. Resümee des Rezensenten: Ein lehrreiches Buch, das die Geschichte der Mauer von ihrem Aufbau über den Niedergang bis zu ihrer Wiedergeburt als Touristenmagnet auf beeindruckende Weise nachzeichnet.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.01.2013Dschingis Khan hatte natürlich gut spötteln
Ein Kinderbuch erzählt die Geschichte der "Großen Mauer" Chinas vom heterogenen Grenzwall zum Touristenmagnet.
Schon immer", schreibt die Autorin Cornelia Hermanns, "war China das Land der Mauern." Tatsächlich kann man das Land auch in der Metapher eines in sich verschachtelten Systems fassen, als Labyrinth der Mauern um Höfe, Quartiere, Stadtviertel und an Reichsgrenzen. Und durch die chinesische Architektur- und Kunstgeschichte zieht sich die Mauer als Modul und Modus des Denkens, des Dichtens und Verdichtens geradezu leitmotivisch.
Manchmal führt das zu Missverständnissen. "Die Chinesische Mauer ist vom Mond aus nicht zu sehen", widerlegt Hermanns' Buch einen gängigen Mythos. Dennoch bedurfte es des imaginären Kosmonautenblicks oder zumindest der romantisierenden Sicht des Westens, um sich aus einer unter verschiedenen Dynastien errichteten "Vielzahl an Großen Mauern" die eine Große Mauer als kohärentes Ideengebilde und Monument zurechtzuschmieden.
Zwischen Mörtel und Mentalitäten schildert das Jugendbuch die Technik- und Kulturgeschichte des Baus der Großen Chinesischen Mauer. Es zeichnet in Wort und Bild ihre historischen und kulturgeographischen Verlaufsformen und den in ihr verborgenen weltanschaulichen Kosmos nach: Von den Grenzmauern zur "Zeit der Streitenden Reiche" über die im 3. vorchristlichen Jahrhundert begonnene erste Große Mauer des ebenso genialen wie grausamen ersten Kaisers der Qin-Zeit, zu deren Bau 300 000 Soldaten und zahlreiche Zwangsrekrutierte eingesetzt wurden, über die Mauer der Han-Zeit, die nördlich der alten Großen Mauer des ersten Kaisers verlief und auch Sicherheit für die Seidenstraße bot, bis zur Ming-Zeit (1368 bis 1644), aus der das heute bekannteste restaurierte Stück bei Badaling nahe Peking stammt.
Der 8851,8 Kilometer lange Grenzbau und Verteidigungswall gegen die Nordvölker reichte von Shanhaiguan am Gelben Meer bis nach Jiayuguan in der Wüste Gobi. Eindrucksvoll beleuchtet das Buch die zwiespältige Haltung des chinesischen Volks zu seinem Nationaldenkmal - noch im 18. Jahrhundert etwa würdigten die Chinesen das Wunderwerk keines Blickes - und die Janusköpfigkeit des Mauerbaus zwischen Vermessenheit und Hinfälligkeit, zwischen Gigantomanie und tausendfachem Arbeitergrab, zwischen Wehrhaftigkeit und Illusion.
Mauerbauten lagen immer auch Weltbilder und Fragmente von Ideologien zugrunde. So stellte das chinesische Weltbild dem Reich der Mitte mit dem Kaiser als Sohn des Himmels im Zentrum die Nomadenvölker und "Nordbarbaren" wie die Xiongnu, die Mandschuren und Mongolen gegenüber. Sesshaftigkeit und Ackerbau bezeugten Zivilisation: "Ein Untertan des von himmlischer Macht bestimmten Kaisers zog nicht mit Tierherden umher." Natürlich zeigten sich die Widersprüche zwischen Anspruch und Realität schon rasch: "Eine Mauer ist nur so stark wie die Menschen, die sie bewachen", soll Dschingis Khan gespottet haben, als die Mongolen im 13. Jahrhundert das Befestigungswerk durchbrachen. Und auch zu anderen Zeiten waren die Grenzposten anfällig für Bestechung und Überläufertum.
Gregor Körting illustriert mit Tiefen-schärfe und Liebe zum Detail die historischen und regionalen Bauweisen und Lebenswelten. Spannungsgeladene Bilder zeigen Feuer- und Rauchzeichen, die an Signaltürmen gezündet wurden, als vormoderne Nachrichtensysteme. Aufrisse und Inneneinsichten der Mauer legen das Waffenlager in einem Wachturm offen, Abbildungen von historischen Zeitzeugnissen wie Feldpostbriefe auf Bambusstreifen vermitteln das harte Leben der Grenzsoldaten am Rande der Wüste.
Das Buch verfolgt die Mauer als Methode und Spiegel der Zeiten und schildert nach Aufbau und Niedergang ihre Renaissance und ihr Eigenleben als Erinnerungszeichen im kollektiven Gedächtnis. So sang man im Japanisch-Chinesischen Krieg: "Lasst uns mit unserem Fleisch und Blut eine neue Große Mauer bauen!" Als Relikt des Despotentums heiligten ihre Steine als Mittel für Straßen- und Gebäudebau in der Kulturrevolution den Zweck. Im Kapitalismus erfährt die nunmehr von Touristenhorden überrannte Mauer Wiedergeburten in Form von "Große-Mauer-T-Shirts", "Große-Mauer-Wein" oder gar der Automarke Great Wall.
STEFFEN GNAM
Cornelia Hermanns: "Von Kaisern und Barbaren".
Illustriert von Gregor Körting. Drachenhaus Verlag, Esslingen 2012. 93 S., geb., 22,80 [Euro]. Ab 12 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Ein Kinderbuch erzählt die Geschichte der "Großen Mauer" Chinas vom heterogenen Grenzwall zum Touristenmagnet.
Schon immer", schreibt die Autorin Cornelia Hermanns, "war China das Land der Mauern." Tatsächlich kann man das Land auch in der Metapher eines in sich verschachtelten Systems fassen, als Labyrinth der Mauern um Höfe, Quartiere, Stadtviertel und an Reichsgrenzen. Und durch die chinesische Architektur- und Kunstgeschichte zieht sich die Mauer als Modul und Modus des Denkens, des Dichtens und Verdichtens geradezu leitmotivisch.
Manchmal führt das zu Missverständnissen. "Die Chinesische Mauer ist vom Mond aus nicht zu sehen", widerlegt Hermanns' Buch einen gängigen Mythos. Dennoch bedurfte es des imaginären Kosmonautenblicks oder zumindest der romantisierenden Sicht des Westens, um sich aus einer unter verschiedenen Dynastien errichteten "Vielzahl an Großen Mauern" die eine Große Mauer als kohärentes Ideengebilde und Monument zurechtzuschmieden.
Zwischen Mörtel und Mentalitäten schildert das Jugendbuch die Technik- und Kulturgeschichte des Baus der Großen Chinesischen Mauer. Es zeichnet in Wort und Bild ihre historischen und kulturgeographischen Verlaufsformen und den in ihr verborgenen weltanschaulichen Kosmos nach: Von den Grenzmauern zur "Zeit der Streitenden Reiche" über die im 3. vorchristlichen Jahrhundert begonnene erste Große Mauer des ebenso genialen wie grausamen ersten Kaisers der Qin-Zeit, zu deren Bau 300 000 Soldaten und zahlreiche Zwangsrekrutierte eingesetzt wurden, über die Mauer der Han-Zeit, die nördlich der alten Großen Mauer des ersten Kaisers verlief und auch Sicherheit für die Seidenstraße bot, bis zur Ming-Zeit (1368 bis 1644), aus der das heute bekannteste restaurierte Stück bei Badaling nahe Peking stammt.
Der 8851,8 Kilometer lange Grenzbau und Verteidigungswall gegen die Nordvölker reichte von Shanhaiguan am Gelben Meer bis nach Jiayuguan in der Wüste Gobi. Eindrucksvoll beleuchtet das Buch die zwiespältige Haltung des chinesischen Volks zu seinem Nationaldenkmal - noch im 18. Jahrhundert etwa würdigten die Chinesen das Wunderwerk keines Blickes - und die Janusköpfigkeit des Mauerbaus zwischen Vermessenheit und Hinfälligkeit, zwischen Gigantomanie und tausendfachem Arbeitergrab, zwischen Wehrhaftigkeit und Illusion.
Mauerbauten lagen immer auch Weltbilder und Fragmente von Ideologien zugrunde. So stellte das chinesische Weltbild dem Reich der Mitte mit dem Kaiser als Sohn des Himmels im Zentrum die Nomadenvölker und "Nordbarbaren" wie die Xiongnu, die Mandschuren und Mongolen gegenüber. Sesshaftigkeit und Ackerbau bezeugten Zivilisation: "Ein Untertan des von himmlischer Macht bestimmten Kaisers zog nicht mit Tierherden umher." Natürlich zeigten sich die Widersprüche zwischen Anspruch und Realität schon rasch: "Eine Mauer ist nur so stark wie die Menschen, die sie bewachen", soll Dschingis Khan gespottet haben, als die Mongolen im 13. Jahrhundert das Befestigungswerk durchbrachen. Und auch zu anderen Zeiten waren die Grenzposten anfällig für Bestechung und Überläufertum.
Gregor Körting illustriert mit Tiefen-schärfe und Liebe zum Detail die historischen und regionalen Bauweisen und Lebenswelten. Spannungsgeladene Bilder zeigen Feuer- und Rauchzeichen, die an Signaltürmen gezündet wurden, als vormoderne Nachrichtensysteme. Aufrisse und Inneneinsichten der Mauer legen das Waffenlager in einem Wachturm offen, Abbildungen von historischen Zeitzeugnissen wie Feldpostbriefe auf Bambusstreifen vermitteln das harte Leben der Grenzsoldaten am Rande der Wüste.
Das Buch verfolgt die Mauer als Methode und Spiegel der Zeiten und schildert nach Aufbau und Niedergang ihre Renaissance und ihr Eigenleben als Erinnerungszeichen im kollektiven Gedächtnis. So sang man im Japanisch-Chinesischen Krieg: "Lasst uns mit unserem Fleisch und Blut eine neue Große Mauer bauen!" Als Relikt des Despotentums heiligten ihre Steine als Mittel für Straßen- und Gebäudebau in der Kulturrevolution den Zweck. Im Kapitalismus erfährt die nunmehr von Touristenhorden überrannte Mauer Wiedergeburten in Form von "Große-Mauer-T-Shirts", "Große-Mauer-Wein" oder gar der Automarke Great Wall.
STEFFEN GNAM
Cornelia Hermanns: "Von Kaisern und Barbaren".
Illustriert von Gregor Körting. Drachenhaus Verlag, Esslingen 2012. 93 S., geb., 22,80 [Euro]. Ab 12 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main