Die bolschewistischen Revolutionäre führten nach ihrem gewaltsamen Umsturz von 1917 ein koloniales Unterfangen fort, das bereits unter den Zaren betrieben worden war: die Expansion der russischen Metropole an die südliche Peripherie. Dabei waren es insbesondere übertragbare Krankheiten, die es ihnen erschwerten, ein neues Regime zu etablieren und sich die lokale Wirtschaft zunutze zu machen. Eine Malaria- und Pestepidemie auf dem Gebiet des heutigen Aserbaidschan veranlasste die bolschewistische Führung in den frühen 1930er-Jahren, eine ganze Reihe hygienepolitischer Maßnahmen eilig ins Werk zu setzen. Dazu gehörten die wissenschaftliche Vermessung bislang unerforschter Naturräume, der forcierte Aufbau einer zentralisierten Hygienebürokratie und die medizinische Ausbildung einheimischer Experten. Von Menschen und Mikroben erzählt davon, wie bolschewistische Hygienepolitiker und Experten unter Stalin ihren Kampf gegen Malaria und Pest als zivilisatorische Mission führten. Denn siesahen die Ursachen für übertragbare Krankheiten vor allem in »kulturlosen« Lebensweisen, die »modernen« und »aufgeklärten« Maßstäben nicht genügten. Wer krank war, so die Annahme, lebe falsch und verfüge nicht über das »richtige« Bewusstsein. Nur wer »Dunkelheit«, »Schmutz« und »Armut« hinter sich ließe, dürfe darauf hoffen, »Licht«, »Reinheit« und »Wohlstand« zu gewinnen. Wer es aber ablehnte, sich bolschewistischen Normen zu unterwerfen, galt als »Volksfeind« und »Saboteur«.