Der neue Roman der preisgekrönten Autorin Anne-Laure Bondoux ("Zeit der Wunder") - ein modernes Märchen voller Weisheit und Symbolik
Hama und Bo arbeiten in derselben Fabrik, und als sie sich begegnen, ist es die große Liebe. Obwohl sie sich nicht oft sehen - Hama steht tagsüber an ihrer Maschine, Bo arbeitet nachts -, erleben sie ein unbeschwertes Glück. Doch ein Unfall ändert alles und sie müssen aus der Stadt fliehen. Es beginnt eine abenteuerliche, lange Reise ins Unbekannte, mit seltsamen Begegnungen und unerwarteten Hindernissen. Und irgendwann müssen sich Hama und Bo fragen: Kann die Liebe auch dann bestehen, wenn der gemeinsame Weg immer steiniger wird, wenn die Schatten das Licht verdrängen?
Hama und Bo arbeiten in derselben Fabrik, und als sie sich begegnen, ist es die große Liebe. Obwohl sie sich nicht oft sehen - Hama steht tagsüber an ihrer Maschine, Bo arbeitet nachts -, erleben sie ein unbeschwertes Glück. Doch ein Unfall ändert alles und sie müssen aus der Stadt fliehen. Es beginnt eine abenteuerliche, lange Reise ins Unbekannte, mit seltsamen Begegnungen und unerwarteten Hindernissen. Und irgendwann müssen sich Hama und Bo fragen: Kann die Liebe auch dann bestehen, wenn der gemeinsame Weg immer steiniger wird, wenn die Schatten das Licht verdrängen?
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Ann-Laure Bondoux erzählt in "Von Schatten und Licht" eine so fantastische wie verstörende Geschichte, berichtet Antje Weber. In einer düsteren Metropole verlieben sich die zwei Fabrikarbeiter Bo und Hama ineinander, sie verliert bei einem Unfall ihre Hände, er wird in der Stadt verfolgt, gemeinsam fliehen sie und landen bei Zwergen, wo Bo neue Hände für Hama schmieden kann, fasst die Rezensentin zusammen. Es folgt ein Krieg und am Ende landet die Tochter der beiden wieder in eben jener Metropole, aus der sie geflohen waren, verrät Weber. Das Geniale an diesem Buch besteht für die Rezensentin darin, wie Bondoux die fantastischen Elemente ihrer Geschichte stimmig zur einer Parabel über die unweigerliche Verstrickung von Gut und Böse verknüpft.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.11.2016Zwischen den Kriegen
Anne-Laure Bondoux sucht ein Refugium für Liebende
Die französische Schriftstellerin Anne-Laure Bondoux, Jahrgang 1971, ist nach dem hochgelobten Kaukasus-Krieg-Roman "Die Zeit der Wunder" und dem Psychogramm "Der Mörder weinte" mittlerweile eine feste Größe der internationalen Jugendliteraturszene. Nun ist mit "Von Schatten und Licht" ihre neue Studie zum Verhalten des Einzelnen unter dem Einfluss großer gesellschaftlicher Konflikte erschienen.
Im Zentrum der Initiationsgeschichte in vier Teilen, die weniger auf realistisches denn auf symbolisches Erzählen abzielt, stehen zwei Liebespaare. Eines davon bilden die Halbwaise Hama und der in einer Gemeinschaft von Schmieden aufgewachsene Bo. Sie spielt in einer einst blühenden, von einer Finanzkrise getroffenen Stadt, deren letzte Fabrik Kriegsgerät fertigt. Die beiden begegnen sich kaum: "Bo stand bei Sonnenaufgang auf, sie bei Sonnenuntergang. Sie lebten in gegenläufigen Rhythmen, während die Fabrik ohne Unterbrechung arbeitete und Tonnen von Metall schluckte."
Damit setzt Bondoux früh einen Akzent, der das gesamte Buch charakterisiert. Es widmet sich ausgiebig den Mechanismen verschachtelter Kriege, die zugleich auf der Ebene der Wirtschaft, der Ökologie oder auch zwischen den Geschlechtern ausgetragen werden, ganz zu schweigen von klassischen Schlachten, in denen dem Einzelnen nur die Rolle als Kanonenfutter bleibt.
Doch das in fast expressionistischer Manier gezeigte Maschinenwesen ist nicht alles: Zugleich erscheint ein Universum der Gaukler im Buch, verkörpert etwa durch die Theaterinhaberin und verunglückte Trapezkünstlerin Titine, die mit Beinprothese einen überaus charmanten Cancan tanzt. Die Poesie des Varieté und die Naivität der Liebe sind von der Autorin klar als Gegenwelten zur Waffenfabrik angelegt. Umso heftiger ist der Einbruch des Unglücks in die Idylle, als die Fabrik plötzlich explodiert. Glücklicherweise verschläft Bo den Schichtwechsel an jenem Tag, weshalb es die wartende Hama trifft, die mit versehrten Handgelenken überlebt. Bei alldem gibt es Hoffnungszeichen - Hama ist schwanger -, aber Bos Herkunft als Nomade nährt Vorurteile, der Nachwuchs gilt als Teufelsbrut. Und das von Bo inszenierte Schattentheater in Titines Varieté mit dem Titel "Dreiundfünfzig Flammen", das am Gedenktag das Unglück aufarbeiten soll, wird vom Mob gestört.
Der zweite Teil des Romans schildert die Flucht aus der Stadt und die Geburt der Tochter Tsell, die schon rasch eine Eigenart aufweist: Ihr Körper wirft Tierschatten. Ein Zwerg lädt die drei in die Unterwelt ein, die naturphilosophische wie revolutionäre Züge trägt: Da ist die einst als Refugium für Andersdenkende dienende "Ursprungshöhle", ein heiliger Ort der Sippe. Oder die metaphorische "Feuerquelle" in der Mitte einer Schmiede, die Bo dient, um der versehrten Geliebten Prothesen aus Blei zu schmieden und dem Kind eine "magische Rüstung", die Schatten bändigt.
Im dritten Teil verlässt das Trio die Unterwelt und zieht auf eine Halbinsel. Ein Frachtschiff, das jenes Gebiet sichern soll, schickt eine Delegation in die Siedlung, und obwohl die übrigen Dorfbewohner die Abgesandten kühl empfangen, freundet sich Tsell mit Vigg an, einem "Soldaten mit Clownsstiefeln". Eines Tages verabredet sich Vigg mit ihr, um zu zeigen "was sich auf der anderen Seite befindet". Sie erreichen ein Plateau am Ende einer Schlucht und erblicken das Panorama des Krieges: Rauchsäulen, Trümmerwelten, zerstörte Besitztümer unsichtbarer Toter.
Als Tsell nach Hause kommt, ist nichts mehr wie zuvor: Sie findet den Abschiedsbrief ihres Vaters, der die Familie verlassen, und die Bleihände ihrer Mutter, die Selbstmord begangen hat. Vigg quittiert den Dienst und zieht mit Tsell in die Steppe, die als Refugium der Deserteure dient. Im vierten Teil erreicht das Paar schließlich neuerlich die Unterwelt, die schon Tsells Eltern beherbergt hatte. In fünf Jahren unter der Erde, wobei Tsell viel über die Vergangenheit ihrer Eltern lernt, wird die aussterbende Zwergenkolonie zur fragilen Heimat.
Am Ende ihrer Odyssee betreten sie die zerstörte Stadt der Eltern Tsells. Aus dem Varieté ist ein Militärstützpunkt geworden, dessen gemeinsam mit den Überlebenden betriebene zivile Wiedereröffnung den Schlusspunkt setzt - er dient nun als Bühne für Schattentheateraufführungen im Geiste Bos über Aufstieg und Fall der Stadt.
Der Kreis schließt sich, und das nicht ohne Grund. Denn Anne-Laure Bondoux zeigt so vor der Folie eines magisch verrätselten Geschehens, welche beharrliche Wirkung darin liegen kann, die "Zeit des Schmerzes und der Trauer zu akzeptieren", die Hinterlassenschaften der multiplen Zerstörungen einzudämmen oder, noch besser, ihrer Wiederkehr vorzubeugen.
STEFFEN GNAM
Anne-Laure Bondoux: "Von Schatten und Licht". Roman.
Aus dem Französischen von Maja von Vogel. Carlsen Verlag, Hamburg 2016. 352 S., geb., 17,99 [Euro]. Ab 14 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Anne-Laure Bondoux sucht ein Refugium für Liebende
Die französische Schriftstellerin Anne-Laure Bondoux, Jahrgang 1971, ist nach dem hochgelobten Kaukasus-Krieg-Roman "Die Zeit der Wunder" und dem Psychogramm "Der Mörder weinte" mittlerweile eine feste Größe der internationalen Jugendliteraturszene. Nun ist mit "Von Schatten und Licht" ihre neue Studie zum Verhalten des Einzelnen unter dem Einfluss großer gesellschaftlicher Konflikte erschienen.
Im Zentrum der Initiationsgeschichte in vier Teilen, die weniger auf realistisches denn auf symbolisches Erzählen abzielt, stehen zwei Liebespaare. Eines davon bilden die Halbwaise Hama und der in einer Gemeinschaft von Schmieden aufgewachsene Bo. Sie spielt in einer einst blühenden, von einer Finanzkrise getroffenen Stadt, deren letzte Fabrik Kriegsgerät fertigt. Die beiden begegnen sich kaum: "Bo stand bei Sonnenaufgang auf, sie bei Sonnenuntergang. Sie lebten in gegenläufigen Rhythmen, während die Fabrik ohne Unterbrechung arbeitete und Tonnen von Metall schluckte."
Damit setzt Bondoux früh einen Akzent, der das gesamte Buch charakterisiert. Es widmet sich ausgiebig den Mechanismen verschachtelter Kriege, die zugleich auf der Ebene der Wirtschaft, der Ökologie oder auch zwischen den Geschlechtern ausgetragen werden, ganz zu schweigen von klassischen Schlachten, in denen dem Einzelnen nur die Rolle als Kanonenfutter bleibt.
Doch das in fast expressionistischer Manier gezeigte Maschinenwesen ist nicht alles: Zugleich erscheint ein Universum der Gaukler im Buch, verkörpert etwa durch die Theaterinhaberin und verunglückte Trapezkünstlerin Titine, die mit Beinprothese einen überaus charmanten Cancan tanzt. Die Poesie des Varieté und die Naivität der Liebe sind von der Autorin klar als Gegenwelten zur Waffenfabrik angelegt. Umso heftiger ist der Einbruch des Unglücks in die Idylle, als die Fabrik plötzlich explodiert. Glücklicherweise verschläft Bo den Schichtwechsel an jenem Tag, weshalb es die wartende Hama trifft, die mit versehrten Handgelenken überlebt. Bei alldem gibt es Hoffnungszeichen - Hama ist schwanger -, aber Bos Herkunft als Nomade nährt Vorurteile, der Nachwuchs gilt als Teufelsbrut. Und das von Bo inszenierte Schattentheater in Titines Varieté mit dem Titel "Dreiundfünfzig Flammen", das am Gedenktag das Unglück aufarbeiten soll, wird vom Mob gestört.
Der zweite Teil des Romans schildert die Flucht aus der Stadt und die Geburt der Tochter Tsell, die schon rasch eine Eigenart aufweist: Ihr Körper wirft Tierschatten. Ein Zwerg lädt die drei in die Unterwelt ein, die naturphilosophische wie revolutionäre Züge trägt: Da ist die einst als Refugium für Andersdenkende dienende "Ursprungshöhle", ein heiliger Ort der Sippe. Oder die metaphorische "Feuerquelle" in der Mitte einer Schmiede, die Bo dient, um der versehrten Geliebten Prothesen aus Blei zu schmieden und dem Kind eine "magische Rüstung", die Schatten bändigt.
Im dritten Teil verlässt das Trio die Unterwelt und zieht auf eine Halbinsel. Ein Frachtschiff, das jenes Gebiet sichern soll, schickt eine Delegation in die Siedlung, und obwohl die übrigen Dorfbewohner die Abgesandten kühl empfangen, freundet sich Tsell mit Vigg an, einem "Soldaten mit Clownsstiefeln". Eines Tages verabredet sich Vigg mit ihr, um zu zeigen "was sich auf der anderen Seite befindet". Sie erreichen ein Plateau am Ende einer Schlucht und erblicken das Panorama des Krieges: Rauchsäulen, Trümmerwelten, zerstörte Besitztümer unsichtbarer Toter.
Als Tsell nach Hause kommt, ist nichts mehr wie zuvor: Sie findet den Abschiedsbrief ihres Vaters, der die Familie verlassen, und die Bleihände ihrer Mutter, die Selbstmord begangen hat. Vigg quittiert den Dienst und zieht mit Tsell in die Steppe, die als Refugium der Deserteure dient. Im vierten Teil erreicht das Paar schließlich neuerlich die Unterwelt, die schon Tsells Eltern beherbergt hatte. In fünf Jahren unter der Erde, wobei Tsell viel über die Vergangenheit ihrer Eltern lernt, wird die aussterbende Zwergenkolonie zur fragilen Heimat.
Am Ende ihrer Odyssee betreten sie die zerstörte Stadt der Eltern Tsells. Aus dem Varieté ist ein Militärstützpunkt geworden, dessen gemeinsam mit den Überlebenden betriebene zivile Wiedereröffnung den Schlusspunkt setzt - er dient nun als Bühne für Schattentheateraufführungen im Geiste Bos über Aufstieg und Fall der Stadt.
Der Kreis schließt sich, und das nicht ohne Grund. Denn Anne-Laure Bondoux zeigt so vor der Folie eines magisch verrätselten Geschehens, welche beharrliche Wirkung darin liegen kann, die "Zeit des Schmerzes und der Trauer zu akzeptieren", die Hinterlassenschaften der multiplen Zerstörungen einzudämmen oder, noch besser, ihrer Wiederkehr vorzubeugen.
STEFFEN GNAM
Anne-Laure Bondoux: "Von Schatten und Licht". Roman.
Aus dem Französischen von Maja von Vogel. Carlsen Verlag, Hamburg 2016. 352 S., geb., 17,99 [Euro]. Ab 14 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Dieses Buch ist eine Zumutung. Dieses Buch ist großartig.", Süddeutsche Zeitung, Antje Weber, 15.04.2016