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Jorge Semprúns Leben war so ungewöhnlich, wie das 20. Jahrhundert an Grausamkeit und Ungeheuerlichkeiten reich war. Franziska Augstein hat über mehrere Jahre Gespräche mit dem Schriftsteller geführt. Ihr Porträt Semprúns zeigt, wie im Leben dieses Mannes historische Zeit sich verdichtet.
Als Sohn einer großbürgerlichen republikanischen Familie mußte Semprún nach Ausbruch des spanischen Bürgerkriegs erfahren, was es heißt, im Exil zu leben. Sein Kampf in der französischen Résistance endete mit seiner Deportation ins KZ Buchenwald. Mitte der fünfziger Jahre machte die illegale Spanische…mehr

Produktbeschreibung
Jorge Semprúns Leben war so ungewöhnlich, wie das 20. Jahrhundert an Grausamkeit und Ungeheuerlichkeiten reich war. Franziska Augstein hat über mehrere Jahre Gespräche mit dem Schriftsteller geführt. Ihr Porträt Semprúns zeigt, wie im Leben dieses Mannes historische Zeit sich verdichtet.

Als Sohn einer großbürgerlichen republikanischen Familie mußte Semprún nach Ausbruch des spanischen Bürgerkriegs erfahren, was es heißt, im Exil zu leben. Sein Kampf in der französischen Résistance endete mit seiner Deportation ins KZ Buchenwald. Mitte der fünfziger Jahre machte die illegale Spanische Kommunistische Partei ihn zu einem führenden Funktionär. In neun Jahren lebensgefährlicher Untergrundtätigkeit gegen das Franco-Regime wurde er zum von der Polizei meistgesuchten Mann Spaniens. Nach seinem Ausschluß aus der KP machte er sich als Schriftsteller und Drehbuchautor einen großen Namen. Sein Leben - die Gefangenschaft in Buchenwald, die Arbeit für die KP und seine schmerzhafte Abkehr von der stalinistischen Verblendung - hat Semprún nie bloß erlitten, sondern immer auch durchdacht. Sein Leben ist der Stoff seiner Romane. Aber vieles erzählt er in seinen eigenen Büchern nicht. Franziska Augsteins Buch begleitet Jorge Semprún durch Glück und Unglück, Gewalt und Gefahr. So entsteht das Porträt eines Jahrhundertlebens.

Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Autorenporträt
Franziska Augstein ist studierte Historikerin. Sie war Redakteurin bei der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" und schreibt seit 2001 für das Feuilleton der "Süddeutschen Zeitung". Im Jahr 2000 erhielt sie den Theodor-Wolff-Preis in der Kategorie "Essayistischer Journalismus".
Rezensionen
Viel Freude und auch Erkenntnis hat Rezensent Dorion Weickmann diese Biografie des spanischen Schriftstellers Jorge Semprun bereitet, den er hier von Franziska Augstein mit höchst "frecher Eleganz" porträtiert sieht. Ohne "ins psychologische Souterrain" abzugleiten, entwerfe die Autorin ein sehr persönliches Bild von diesem Autor als einem Menschen, "der in sich selbst gehen kann, ohne sich selbst zu begegnen". Auch beeindruckt den Rezensenten, wie sich dieses biografische Porträt zum großflächigen und detailgenauen Panorama eines Zeitalters weitet. Ob Franco-Diktatur oder Naziterror, Stalinismus oder die Pariser Boheme der Nachkriegszeit: über alle "weitläufigen Lebensrouten" Sempruns habe diese Autorin ihre "Recherche-Netze" ausgeworfen und "jeden noch so kleinen Fang genauestens inspiziert und aufbereitet".

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.10.2008

Er war ein hervorragender Untergrundchef
Sattelfest auch im Marxismus-Leninismus: Franziska Augstein erzählt Jorge Semprúns Leben / Von Walter Haubrich

Als Jorge Semprún 1980 nach langer Zeit wieder einmal nach Deutschland kam, wunderte er sich darüber, wie schwer es ihm fiel, das Deutsche, die Sprache seiner Kindheit, zu verstehen. "In Buchenwald sprachen sie viel klarer und deutlicher", sagte er bei der Vorstellung seines damals gerade auf Deutsch erschienenen Romans "Was für ein schöner Sonntag". Dass man in Westdeutschland, bevor ihn der Verleger Siegfried Unseld entdeckte, so wenig Notiz von ihm genommen hatte, muss einen heute wundern. Denn Semprún war trotz seines Aufenthaltes im Konzentrationslager Buchenwald ein Freund der deutschen Literatur und Philosophie geblieben und bekundete diese Vorliebe für die deutsche Kultur auch öffentlich im Nachkriegs-Frankreich. Nach Buchenwald hatte ihn die Gestapo geschickt, die das Mitglied der französischen Résistance in Frankreich, wohin ihn die Franco-Diktatur ins Exil gezwungen hatte, festgenommen und gefoltert hatte. 1953 schickte ihn die Kommunistische Partei Spaniens (PCE) nach Madrid, um unter dem Decknamen Federico Sánchez den Widerstand gegen das Franco-Regime zu organisieren.

Inzwischen ist Jorge Semprún, der Schriftsteller und Politiker, auch in Deutschland bekannt, wurde zu vielen Vorträgen eingeladen und in Zeitungsartikeln gewürdigt. Harald Jung drehte im vergangenen Jahr ein einfühlsames Fernsehporträt über ihn, Lutz Küster schrieb schon 1990 einen Essay über eines der wichtigsten Themen in Semprúns Werk, die "Obsession der Erinnerung". Wilfried F. Schöller veröffentlichte "Jorge Semprún, der Roman der Erinnerung", und die Historikerin und Journalistin Franziska Augstein publiziert jetzt die gut dokumentierte und ausführliche Biographie "Von Treue und Verrat, Jorge Semprún und sein Jahrhundert".

Wer ist eigentlich Jorge Semprún? Ist er ein wirklicher Revolutionär oder ein aristokratischer Dilettant der Revolution, ein französischer oder ein spanischer Schriftsteller, ein Mann der Tat oder ein die Tat analysierender Intellektueller, Abenteurer oder Opfer der Nationalsozialisten, egozentrischer Renegat oder mutiger Rebell für die Freiheit, Künstler oder Politiker? Das ist eine Frage, die sich nicht nur Leser stellen, denen ein Buch des spanischen, meistens französisch schreibenden Schriftstellers in die Hände fällt. In mehreren seiner stark autobiographischen Bücher scheint Semprún sich das selbst zu fragen: Ist er Rafael Artigas, Gerard Sorel, Agustín Larrea oder Federico Sánchez? Unter all diesen Namen hat er in der Illegalität im besetzten Frankreich und im Franco-Spanien gelebt. Als Federico Sánchez war er Mitglied des Zentralkomitees und des Politbüros der Kommunistischen Partei Spaniens (PCE) bis zu seinem Ausschluss wegen zu früher "eurokommunistischer Tendenzen".

Federico Sánchez war ein hervorragender Untergrundchef. Das konspirative Leben in einer Stadt wie Madrid, die gerade begann, die alltägliche Angst zu verlieren und sich kleine Freiheiten zurückzuerobern, machte dem vitalen intellektuellen Sánchez-Semprún Freude. Wie gefährlich dieser Posten war, musste Semprúns Nachfolger Julián Grimau erfahren. Er wurde wenige Monate nach seiner Entsendung nach Madrid von der politischen Polizei Francos festgenommen, aus dem Fenster der Polizeizentrale gestürzt und auf dem Schießplatz des Madrider Vororts Carabanchel an einem Samstagmorgen bei Sonnenaufgang hingerichtet.

Semprúns Erzählung über die Verhaftung seines Nachfolgers ist, so wie sie Franziska Augstein wiedergibt, weder elegant, noch entspricht sie der Wahrheit. Grimau war nicht so unvorsichtig, wie Semprún sagt: "Da kam einer des Wegs und sagt (zu Grimau), er interessiere sich für die KP. Und wupp: Grimau machte eine Verabredung. Der Mann, der Grimau verraten hat, war im Gefängnis gewesen und wollte wieder mit der KP zu tun haben. Aber er war schwach. Die Polizei hat ihn besucht: ,Wir wissen, dass du wieder bei der Partei bist!' Die Polizei wusste gar nichts, doch der Mann ist eingeknickt und hat von seiner Verabredung mit Grimau erzählt." So war das eben nicht. Der Mann wurde gezwungen, mit anzusehen, wie sein Sohn von der politischen Polizei Francos bestialisch gefoltert wurde, da erst wurde er schwach und gab den Ort seiner Verabredung mit Grimau der Polizei an.

Federico Sánchez war im Verständnis der jungen Leute aus der spanischen Opposition damals schon zu einem Mythos, zu einem Helden unserer Zeit geworden. Wer Federico Sánchez war, das hätten Anfang der sechziger Jahre Madrider Studenten während nächtelanger konspirativer Debatten in Kellerlokalen gern gewusst, wenn dieser Name in geheimnisträchtiger Andeutung gelegentlich fiel. Glücklich mussten sich damals all jene fühlen, die unter dem Siegel größter Verschwiegenheit erfahren hatten, dass Agustín Larrea, der manchmal an den Debatten teilnahm, mit Federico Sánchez identisch war.

Was damals aber niemand wusste, ist, dass Agustín-Federico Sánchez in Wirklich Jorge Semprún hieß und 1923 in Madrid als Enkel des Herzogs von Maura und Neffe des Innenministers der Republik geboren worden war. Im Madrider Untergrund hat Semprún, wenn er sich vor der Polizei tagelang in einer Wohnung der Partei verstecken musste, seinen ersten Roman, "Die lange Reise", geschrieben, der von seinem Transport aus dem Gestapo-Gefängnis in Frankreich nach Buchenwald handelt. Nach seinem Ausschluss aus der Partei wurde er dann wieder zu dem, was er immer sein wollte - Schriftsteller -, bis ihn der sozialistische Ministerpräsident Felipe González 1986 als Minister in sein Kabinett berief.

Franziska Augstein schreibt wenig über die literarischen Qualitäten der Werke Semprúns, über ihren Inhalt oder ihre Thematik. "Von Treue und Verrat" ist das gut dokumentierte Buch einer Historikerin, angenehm zu lesen, weil spannend und teilweise brillant geschrieben. Mit dem Leben Semprúns beschreibt Franziska Augstein auch die Geschichte des europäischen zwanzigsten Jahrhunderts. Denn Jorge Semprún, der Revolutionär, der Schriftsteller und Politiker, der Mann des Widerstands, des Untergrunds und des Konzentrationslagers, ist eine Jahrhundertfigur. Die Autorin hat sich mehrmals lange mit Semprún unterhalten, den sie 2001 bei einer Fernsehdiskussion im Südwestfunk kennen- und gleich schätzen gelernt hatte. Semprún hat sich ihr manchmal durch Schweigen verweigert, doch obwohl er ungern über sein Privatleben spricht, hat Franziska Augstein in Gesprächen mit seinen Geschwistern und Madrider Freunden mehr über seine Kindheit, seine Familie und seine Zeit in der Madrider Illegalität herausbekommen, als man bisher wusste.

Besonders ist der Autorin das achte Kapitel gelungen, "Streit in der spanischen KP". Die Darstellung der vielen Meinungsverschiedenheiten über die Details in Theorie und Praxis der Revolution und deren Anpassung an die jeweilige Zeit zeigt, dass Franziska Augstein sich in der marxistischen und leninistischen Doktrin auskennt, was in Deutschland zu einer Seltenheit geworden ist. Die Meinungsverschiedenheiten unter den Mitgliedern des Politbüros, zwischen Carrillo und der Pasionaria auf der einen, Claudin und Federico Sánchez-Semprún auf der anderen Seite, führten schließlich zu dem Ausschluss von Claudin und Semprún. Komplizierter wird der Streit noch dadurch, dass Carrillo eigentlich genauso dachte wie Semprún, später die eurokommunistischen Thesen Semprúns in der Kommunistischen Partei Spaniens (PCE) realisierte und nur den von Semprún und Claudin gewählten Zeitpunkt für verfrüht hielt.

Verdienstvoll ist es, dass Franziska Augstein, sich um die oft vergessenen Mitkämpfer und Freunde Semprúns im Untergrund, wie Javier Pradera und Ricardo Muñoz Suay, kümmert und Semprún auch nach anderen Mitgliedern der Parteiführung (Líster und Uribe) befragt hat. Schade nur, dass sich die Autorin bei der Erklärung spanischer Ausdrücke falsch beraten ließ: "faena" ist keineswegs der "Gnadenstoß" in der Stierkampfsprache, und ein Satz wie "aquella maniobra ella prepara?" ist grammatisch wie inhaltlich Unsinn.

Franziska Augstein: "Von Treue und Verrat". Jorge Semprún und sein Jahrhundert. Verlag C. H. Beck, München 2008. 384 S., geb., 24,90 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Viel Freude und auch Erkenntnis hat Rezensent Dorion Weickmann diese Biografie des spanischen Schriftstellers Jorge Semprun bereitet, den er hier von Franziska Augstein mit höchst "frecher Eleganz" porträtiert sieht. Ohne "ins psychologische Souterrain" abzugleiten, entwerfe die Autorin ein sehr persönliches Bild von diesem Autor als einem Menschen, "der in sich selbst gehen kann, ohne sich selbst zu begegnen". Auch beeindruckt den Rezensenten, wie sich dieses biografische Porträt zum großflächigen und detailgenauen Panorama eines Zeitalters weitet. Ob Franco-Diktatur oder Naziterror, Stalinismus oder die Pariser Boheme der Nachkriegszeit: über alle "weitläufigen Lebensrouten" Sempruns habe diese Autorin ihre "Recherche-Netze" ausgeworfen und "jeden noch so kleinen Fang genauestens inspiziert und aufbereitet".

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