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Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.09.2010

Der Engel stürzt

Auch in Albert von Schirndings neuem Roman bleiben die Motivkonstanten seines Werks erkennbar: vornehme Herkunft - der Vater stand in Diensten des Fürsten von Thurn und Taxis in Regensburg -, die Faszination der Antike und die Leidenschaft zur Musik. Darüber aber entfaltet sich ein erfindungsreiches Spiel der Varianten. Vor allem am Anfang bewegt sich der Autor in neuer Bahn: mit der sehr direkten Darstellung der Pubertätskonflikte. Als ein lineares Band zieht sich durch den Roman die Geschichte des Freundschaftsbunds zwischen dem Erzähler und einem Regensburger Sängerknaben, den seine unvergleichliche Stimme sogar in die Theater und Opernhäuser Europas bis in die Privatkapelle des Papstes führt, über den aber das Damoklesschwert des Stimmbruchs hängt und dessen "Absturz aus Engelssphären" zur traurigen Sensation in Rom wird. Beide Freunde sind in einen Kreis von Auserwählten aufgenommen worden, und der umfangreiche Mittelteil, "Die Anstalt", zeigt sie unter dem Einfluss eines "charismatischen Lehrers", des "Meisters". Durch die Konzeption dieses männlichen Elitekreises hindurch schimmern Vorbilder wie die vom Bund der "Hochgeistigen" in Hesses "Glasperlenspiel" oder vom Bund "eines der Meister des Meisters": Stefan George. Nach dem Tod des Lehrers zerfällt die elitäre "Anstalt". So ganz wollen in der Erzählerfigur der gelehrige Schüler und der Skeptiker, der uns im Schlussteil, "Rom", begegnet, nicht zusammenpassen. Gegenstand dieser Skepsis ist allerdings auch der römische Katholizismus, der einen Giordano Bruno im Jahr 1600 auf den Scheiterhaufen brachte. Und dagegen hat der "Meister" einen Weg gewiesen, der dem Erzähler "scharf konturiert im griechischen Morgenlicht" erscheint. Hellas statt Rom! (Albert von Schirnding: "Vorläufige Ankunft". Roman. Verlag Langewiesche-Brandt, Ebenhausen 2010. 222 S., geb., 24,- [Euro]) WHi

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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Einen tabulosen und zugleich recht betulichen Bildungsroman von allerdings Wieland'scher Manier hat Helmut Mauro mit Albert von Schirndings Roman "Vorläufige Ankunft" entdeckt. Mit schwärmerischen Metaphern und viel Euphorie erzähle der Autor den Werdegang eines Adelssprosses in den fünfziger Jahren, der zwischen überdurchschnittlicher Bildung und nächtlichen Samenergüssen vor allem seiner Leidenschaft zur Musik und zu einem Sopran singenden Chorknaben nachgeht, wie Mauro in seiner nicht immer leicht zu entschlüsselnden Kritik erzählt. Dabei hat sich das ein oder andere "Ideen-Ungeheuer" eingeschlichen, warnt Mauro: Ein grober Chorleiter und eine ebenso rüde Geschäftsführerin, deren Schläge der Autor als "autoritären Erziehungswillen" toleriert. Oder ein Meister, der die Knaben von einer egoistischen in eine neuchristlich-platonische Welt führen will. Hin und wieder wackele Schirndings Kirche allerdings, meint der Kritiker, etwa wenn dieser Meister "mit schlaffem Verstand und blauem Penis" stirbt, und sich der Adel in Furtwänglers Küche als das neue moralisch erhabene Bürgertum feiert. Vorläufig bleibt wohl auch das Urteil des Kritikers: Ob wirklich Wieland'scher Bildungsroman oder doch nur Heidi für Jungs - am Schluss kann er das nicht mehr so genau sagen.

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