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Aleksic nimmt mit seiner ungewöhnlichen und ausdrucksstarken Sprache den Leser mit auf eine Zeitreise. Er schildert die kindlichen Erlebnisse klar und schnörkellos: der platschende Regen vor dem Fenster, der zischende Holzhobel des Vaters, das Petroleum, das gegen Läuse vor dem Schlafengehen in die Haare der Kinder gerieben wird, der weiße und der graugesprenkelte Hahn in der Hühnerschar, die flatternden blonden Locken der Schwester bei der Motorradfahrt mit dem Vater. Mit wehmütiger Melancholie über die verlorene Zeit der Kindheit schafft Aleksic Bilder von großer Schönheit und Würde.

Produktbeschreibung
Aleksic nimmt mit seiner ungewöhnlichen und ausdrucksstarken Sprache den Leser mit auf eine Zeitreise. Er schildert die kindlichen Erlebnisse klar und schnörkellos: der platschende Regen vor dem Fenster, der zischende Holzhobel des Vaters, das Petroleum, das gegen Läuse vor dem Schlafengehen in die Haare der Kinder gerieben wird, der weiße und der graugesprenkelte Hahn in der Hühnerschar, die flatternden blonden
Locken der Schwester bei der Motorradfahrt mit dem Vater. Mit wehmütiger Melancholie über die verlorene Zeit der Kindheit schafft Aleksic Bilder von großer Schönheit und Würde.
Autorenporträt
Aleksic, Dragan
Dragan Aleksic wurde 1958 in Bela Crkva in Jugoslawien (heute Serbien) geboren und studierte Kunstgeschichte in Belgrad. 1992 debütierte er mit dem Roman Helldunkel. Seit 2006 lebt er in North Olmstedt, Ohio/USA.

Wittmann, Klaus
Mirjana Wittmann, 1938 geboren als Mirjana Milosevic in Serbien geboren, und Klaus Wittmann, geboren 1937, sind verheiratet und Leben in Bonn. In Zusammenarbeit übersetzen sie erzählende Literatur, Dramen und Hörspiele aus dem Serbischen, Kroatischen und Bosnischen ins Deutsche. Für ihre Übersetzung von David Albaharis Mutterland wurden die beiden 2006 mit dem Brücke Berlin Literatur- und Übersetzerpreis ausgezeichnet, 2011 erhielten sie den Paul-Celan-Preis für ihr gemeinsames Lebenswerk.

Wittmann, Mirjana
Mirjana Wittmann, 1938 geboren als Mirjana Milosevic in Serbien geboren, und Klaus Wittmann, geboren 1937, sind verheiratet und Leben in Bonn. In Zusammenarbeit übersetzen sie erzählende Literatur, Dramen und Hörspiele aus dem Serbisch

en, Kroatischen und Bosnischen ins Deutsche. Für ihre Übersetzung von David Albaharis Mutterland wurden die beiden 2006 mit dem Brücke Berlin Literatur- und Übersetzerpreis ausgezeichnet, 2011 erhielten sie den Paul-Celan-Preis für ihr gemeinsames Lebenswerk.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.07.2011

Die Buntstifte der Kindheit
In Dragan Aleksics schlichter Prosa leuchtet eine Glückswelt, die dennoch kein Idyll ist

Dass Literatur uns staunen, die Welt mit neuen Augen sehen machen möge, bleibt im trendgesteuerten Karussell des Literaturbetriebs allzu oft ein frommer, unerfüllter Wunsch. Für das, was ohnehin nur bestätigt, was wir bereits wussten oder besser in Sachbüchern und Lebensratgebern aufgehoben ist, wollen wir unsere kostbaren Mußeminuten nicht gerade opfern. Stoßen wir hingegen auf Prosa, die uns tatsächlich für Momente die Augen öffnet, ist die Freude groß. Dragan Aleksic ist so ein Glücksfall. Mehr Erstaunen können ein paar schlichte Zeilen, die auch noch schlicht "Das Wolkenspiel" betitelt sind, kaum bewirken: "Als ich am Morgen wach wurde, sah ich durch das Fenster Wolken, in verschiedene Figuren verwandelt. Die erste sah aus wie ein Fuchs, die zweite wie ein Pferd, die dritte wie ein Fisch, die vierte wie ein Hahn, die fünfte wie ein Schwein, die sechste wie eine Blume, die siebte wie ein Segelboot, die achte wie ein Vogel, die neunte wie ein Flugzeug. Jede Wolke hatte eine andere Gestalt. Ich war so in sie vertieft, dass ich nicht hörte, wie Mutter mich zum Frühstück rief. Ich hörte sie erst, als sie wieder ins Zimmer kam. Nach dem Frühstück betrachtete ich wieder die Wolken."

Der 1958 geborene Aleksic, der in Belgrad Kunstgeschichte studierte und seit 2006 in den Vereinigten Staaten lebt, ist ein Meister der Andeutung, des kunstlosen, alltäglich daherkommenden Understatement. Bela Crkva (zu Deutsch: weiße Kirche), das Dorf der Kindheit des Ich-Erzählers dieser Zwei-, Drei-, allerhöchstens Fünfminutengeschichten, könnte in mythischer Zeitenferne irgendwo am Donaueck zwischen Rumänien, Ungarn und Ex-Jugoslawien liegen, wenn nicht auch da die vermeintliche Archaik gebrochen wäre durch Technik und Zivilisation, die jedoch höchst eigentümlich verwandelt das Leben der Bewohner durchdringen: Die Welt des "Fortschritts" wird auf der Folie dörflicher Erfahrung an Hof und Herd geholt.

So erklärt die Mutter, weshalb der Vater nicht zum Kommunisten tauge: Er könne nicht gackern wie die Hühner. Und vor dem Radio "warten" Bruder und Schwester "auf Wörter", um mitzusingen, bis es von der Mutter heißt: "Die werden nie anfangen zu singen. Das ist Ernste Musik. Sie können den ganzen Tag so weitermachen." Aber die große Welt schenkt dem Ich ebenso die Buntheit der Farben, Papier und Stifte zum Abpausen seines kleinen Glücks: "Meine Schwester und ich hatten zwei Bilderbücher. Ihres war ,Aschenputtel', meins ,Der gestiefelte Kater'. Gemeinsam gehörte uns ein Bilderbuch aus Pappe, das man wie eine Ziehharmonika öffnete. Ich legte das durchsichtige Papier von Vaters Zigaretten über die Bilder und pauste die kleinen Tiere ab: Ferkel, Zicklein, Entchen, Küken und Gänschen. Große Tiere passten nicht darauf."

Solche Art beiläufiger, gänzlich unheroischer Souvenirs haben ihre Vorbilder jenseits bukolischer Dorf-, Bauern- und Balkangeschichten. Walter Benjamins Berliner Kindheit um 1900 mit ihren melancholischen Miniaturen einer vor ihrer Verselbständigung stehenden Moderne gehört ebenso wie Robert Walsers kindlich-naive Betrachtung der beiläufigen, ,verworfenen' Sachen zur Ahnenschaft von Aleksics Prosa. Was da ist, und sei es noch so klein, wird als Offenbarung hingenommen - mit lakonischen Worten, in denen Weltfremdheit, -vertrauen und Staunen wie in einem Brennspiegel zusammenschießen: "Meine Schwester sagte: Mutter hat uns Rumwürfel gekauft. Sie lief in die Küche, kam sofort wieder und tat neben dem Gitter an meinem Bett das weiße Papier fort. Hier, einer für dich, einer für mich." Auch Humor steckt in dieser scheinbar ,beschränkten' Sicht der Dinge, ein absurder, manchmal bizarrer Humor, der an Tschechow oder Daniil Charms' Fälle, auch an den Zen-Buddhismus und Beatniks vom Schlage Richard Brautigans erinnert: "Wir hörten, wie Vater im Hof vor der Haustür den Schnee abklopfte, wie er auf seinen Ledermantel schlug. Als er hereinkam, leuchtete sein Haar von vielen winzigen Tropfen. Er hängte seinen Mantel an den Nagel vor der Tür. Während wir Mehlsuppe aßen, fiel der Mantel auf den Boden. Die Schlaufe war gerissen. Nach dem Abendessen nähte Mutter die Schlaufe wieder an. Als sie fertig war, durchtrennte sie den Faden mit den Zähnen."

Humor, der sich nicht an Armut und Rückständigkeit der Porträtierten ergötzt, sondern stattdessen mit ihnen sich über unsere Welt wundert, die jede Selbstverständlichkeit zum Problem stilisiert. Aleksics Leute sind ohne jede Erklärung, ohne jeden "Begriff" ihres Daseins glücklich, in der Welt der einfachen Dinge zu Hause. Das kann schmerzlich sein, weil die Welt jenseits des Dorfs es ihnen nicht mit gleicher Münze vergilt; schon die Zugfahrt zum Großvater lässt wegen des mangelnden Reisegeldes Verlegenheit aufkommen. Am Ende stirbt ein graugesprenkelter Kindheitshahn, und die Familie zieht in ein Stadthaus mit Fenstern nach Norden um. Das Glück, das der Protagonist an der Dorfkreuzung erfuhr, bleibt nur im Buch bewahrt - doch es überträgt sich auf den Leser, der dadurch tatsächlich die Welt mit neuen Augen sehen kann. Dragan Aleksic ist kein bloß melancholischer Erzähler. Er ist ein Poet des Staunens, der das Glück der kindlichen Anschauung vom einfachen Da-Sein der Welt für unbezahlbare Momente der Muße in uns zu wecken vermag.

JAN VOLKER RÖHNERT

Dragan Aleksic: "Vorvorgestern".

Aus dem Serbischen von Mirjana und Klaus Wittmann. Verlag Matthes & Seitz, Berlin 2011. 105 S., geb., 14,90 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Ilma Rakusa schwelgt in den poetischen Prosaminiaturen des serbischen, seit 2006 in den USA lebenden Autors Dragon Aleksic. Episodenhaft, unprätentiös und wie nebenher wird in der Erinnerung eine ebenso glückliche wie ärmliche Dorfkindheit heraufbeschworen, die sich in einer noch intakten Großfamilie abspielt. An eher unspektakulären Gegenständen entzündet sich die Fantasie des Ich-Erzählers und der Rezensentin, die sich von der melancholischen Atmosphäre, die von den einfachen Dinge verströmt, bezaubern lässt: "Denn wo Armut herrscht, wird duftendes Brot, werden 'scharfe Bonbons' oder Buntstifte zum Ereignis".

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