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Dieses Buch ist nicht mehr und nicht weniger als die Summa eines großen Ökonomen. Hans Christoph Binswanger führt den Leser vom philosophischen Verstehen und wissenschaftlichen Nachdenken zum politischen Handeln: Wo liegen die grundsätzlichen Probleme unserer Wirtschaft? Und welche Maßnahmen können wir gegen die scheinbar unausweichliche Wiederkehr der ökonomischen und ökologischen Krisen ergreifen?

Produktbeschreibung
Dieses Buch ist nicht mehr und nicht weniger als die Summa eines großen Ökonomen. Hans Christoph Binswanger führt den Leser vom philosophischen Verstehen und wissenschaftlichen Nachdenken zum politischen Handeln: Wo liegen die grundsätzlichen Probleme unserer Wirtschaft? Und welche Maßnahmen können wir gegen die scheinbar unausweichliche Wiederkehr der ökonomischen und ökologischen Krisen ergreifen?
Autorenporträt
HANS CHR ISTOPH BINSWANGER ist Professor em. für Volkswirtschaftslehre an der Universität St. Gallen. Für seine Arbeit wurde der Autor u.a. mit dem deutschen Bundesnaturschutzpreis ausgezeichnet.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 21.11.2009

Wirtschaftsbücher
Abkehr vom Wachstumsfetischismus
Warum Wirtschaft und Politik angesichts Finanzkrise und Klimawandel umsteuern sollten – zwei Wegweiser
Mahnungen und Ratschläge, angesichts der Finanzmarktkrise und der Klimakatastrophe endlich umzusteuern, häufen sich vor dem Kopenhagener Weltklimagipfel. Mit flammenden Aufrufen melden sich drei Autoren aus drei Generationen zu Wort. Einer von ihnen ist Michael Müller, der bis 2009 Bundestagsabgeordneter war und dort in 26 Jahren etliche Funktionen hatte: Umweltsprecher der SPD-Fraktion, Sprecher der Parlamentarischen Linken, Vorsitzender der Enquête-Kommission „Schutz der Menschen und der Umwelt”, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesumweltministerium.
Nun hat Müller, 61, Bundesvorsitzender der Naturfreunde Deutschlands, mit Kai Niebert, 30, wissenschaftlicher Mitarbeiter für Naturwissenschaftsdidaktik der Leibniz Universität Hannover und Vorsitzender der Naturfreundejugend, eine Krisenanalyse geschrieben. Sie leiten daraus Handlungsalternativen ab, die Müller bisher über das Stadium wortreicher Anträge hinaus weder in der SPD noch in der Bundesregierung in Realpolitik umsetzen konnte.
Müller und Niebert haben ein eindringliches Buch geschrieben. Ihr Grundgedanke lässt sich so zusammenfassen: Die Menschheit müsse sich vom „Wachstumsfetischismus” befreien, die Grenzen der Belastbarkeit der Natur und die Endlichkeit der Ressourcen beachten. Nachhaltigkeit in diesem Sinne sei der Übergang vom quantitativen zu einem qualitativen, organischen Wachstum. So gesehen biete ein „grüner New Deal” in der gegenwärtigen Umbruchsituation „stabile Leitplanken” für eine neue „sozialökologische Ordnung”.
Diese Argumentationsschleife wiederholen die Autoren in wechselnden Varianten. Dabei bleiben Doppelungen nicht aus, die auf die Dauer ermüdend wirken. Manchmal kommt es sogar vor, dass sie nicht kongruent sind. Einmal heißt es, Saudi-Arabien habe „den Peak Oil”, also den Höhepunkt der Förderung, „wahrscheinlich schon überschritten”, vier Seiten danach ist zu lesen, Saudi-Arabien habe „den Peak Point wahrscheinlich erreicht, zumindest steht er in der nächsten Zeit an”.
Kennzeichnend für dieses Buch sind drastische Szenarien. „Die Natur schlägt zurück”; „Wir erleben einen Epochenbruch”; „Last Exit vor der totalen Katastrophe”. Und häufig werden Bilder aus der Medizin benutzt: „Ein Ökokollaps droht”; „Der Klimawandel ist das Virus”; „Es geht nicht nur um das Altersrheuma einer maroden Finanzordnung, sondern auch um die Geburtsschmerzen einer neuen Ära”. Aufmunternd ist das alles nicht. An einer Stelle wird eine dramatische Aussicht angesprochen, nämlich eine „Öko-Diktatur”. Bedauerlicherweise wird verschwiegen, was uns da genau drohen könnte.
Müller und Niebert bleiben aber nicht in Zustandsklagen stecken, sondern skizzieren Auswege und geben Alltagstipps. Nur eine ökologische Kreislaufwirtschaft, verbunden mit einer „Effizienzrevolution” und dem Umsteuern ins Solarzeitalter, könne eine „nachhaltige Marktwirtschaft” bewirken, betonen sie. Dabei setzen sie auf politische Steuerungsmechanismen. Sie wünschen sich eine Reform der Wirtschaftsverfassung mit einer neuen Weltfinanzordnung, wollen eine „Zukunftsanleihe” mit einem „etwas höheren Zinssatz als üblich” auflegen und setzen auf eine Demokratisierung der Wirtschaft einschließlich der Begrenzung von Bonuszahlungen und „angemessenen” Mindestlöhnen „in allen Branchen”.
Das klingt teilweise utopisch, ist aber als zusätzlicher Denkanstoß ebenso ernst zu nehmen wie der Ansatz von Hans Christoph Binswanger. Der Volkswirtschaftsprofessor hat frühere Texte zusammengestellt und so überarbeitet, dass sie sich wie aus einem Guss lesen. Binswangers Ausgangsthese ähnelt derjenigen von Müller und Niebert. „Das Wachstum ist in den letzten 20 Jahren in gefährlicher Weise ausgeufert”, schreibt er und ruft aus: „Vorwärts zur Mäßigung!” Hätte sich Josef Ackermann, dessen Doktorvater Binswanger war, dies zu eigen gemacht, hätte der Deutsche-Bank-Chef einen besseren Ruf.
Der Alt-Nationalökonom Binswanger, 80, nähert sich den Zukunftsperspektiven über den komplizierten Umweg seines Lieblingsthemas, nämlich wie die Geld-, Güter- und Bedarfswirtschaft funktioniert. Dabei greift er auf die griechische Mythologie zurück, indem er die Sage von dem maßlos gierigen Erysichthon erzählt. Die Göttin Demeter bestrafte den rücksichtslos die Natur missachtenden Königssohn mit dem Fluch des Dauerhungers – am Ende verzehrte er sich selbst. Binswangers Schlussfolgerung: Unersättlichkeit zerstört unsere Wirtschafts- und Lebensgrundlagen.
Ähnlich wie Müller/Niebert vertritt Binswanger die These, die Wirtschaft habe sich zu einem „alles beherrschenden System entwickelt, das die natürliche Umwelt mehr und mehr belastet und zurückdrängt”. Er erhebt sogar den Vorwurf, die Natur sei bewusst aus der Ökonomie ausgeblendet worden, um Wachstum nicht zu behindern. Andererseits verwirft er die Nutzung und den Vorrang erneuerbarer Energien, obwohl gerade sie doch zweifellos eine Wachstumsbranche hervorgebracht haben. Er sieht den „großen zusätzlichen Aufwand” ihrer Erzeugung als unverhältnismäßig an und befürchtet gar „ökologische Schäden” – ein merkwürdiger Denksalto.
Binswangers Erkenntnisse, die Rolle der Natur müsse ebenso wie die des Geldes im Produktionsprozess wieder bewusst gemacht werden und der ökologische Kreislauf bestehe aus Kapitalnutzung, Produktion und Konsum, wirken wie künstlich konstruierte Formeln. Obwohl auch er eine Zunahme ökologischer Krisen vorhersagt, kommen Umweltschutz und Naturschutz in seinen Lehrsätzen als eine Rubrik der Wirtschaftsmathematik vor. Umweltbelastungen und Naturzerstörung sind für ihn Marktversagen. Staatliche Eingriffe hält er für wenig effizient, deshalb vertraut er darauf, „die Wirtschaft auf einen Pfad der Mäßigung zu lenken”.
Der Übergang zu nachhaltiger Wirtschaftsweise in seinem Sinne müsse von einem „Ökologischen Rat” begleitet werden, empfiehlt Binswanger. Darin sollten wissenschaftlich kompetente Fachleute sitzen, die von den Parlamenten zu wählen und mit Befugnissen unterhalb der Gesetzgebung auszustatten seien. Abgesehen davon, dass es eine weltfremde Annahme ist, ein solcher Expertenrat würde frei von politischen Interessen zusammengesetzt, ist Umweltberatung bereits breit installiert. Binswanger auf der Seite der Ökonomen, Müller und Niebert auf der Seite der Naturschützer gehören bei allen gegensätzlichen Einsichten zu den Köpfen, deren Mahnungen und Ratschläge von der Politik nicht überhört werden dürfen. Helmut Lölhöffel
Michael Müller, Kai Niebert: Epochenwechsel. Plädoyer für einen grünen New Deal. oekom verlag, München 2009, 279 Seiten, 19,90 Euro.
Hans-Christoph Binswanger: Vorwärts zur Mäßigung. Perspektiven einer nachhaltigen Wirtschaft. Murmann Verlag, Hamburg 2009, 250 Seiten, 16 Euro.
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