Am 14. Januar 1993 führt der renommierte amerikanische Vulkanologe Stanley Williams eine Expedition in den Krater des Vulkans Galeras in Kolumbien. Stunden später sind neun Menschen tot; ein plötzlicher Ausbruch des Vulkans wird ihnen zum Verhängnis. Ausgerechnet der Leiter der Expedition kann sich retten - und behauptet, das Unglück sei unabwendbar und nicht vorhersehbar gewesen. Victoria Bruce, Wissenschaftlerin und Journalistin, zieht diese Version in Zweifel. Minutiös hat sie das Schicksal der Expedition nachrecherchiert und mit Augenzeugen gesprochen und kann so die ganze Geschichte erzählen: eine Geschichte von Verblendung und wissenschaftlicher Arroganz, von Leichtsinn und Egoismus, wie sie seit Jon Krakauers "In eisige Höhen" nicht mehr geschrieben wurde.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.10.2001Kein Fall für die Botanisiertrommel
Eine Katastrophe, zwei Versionen: So widersprüchlich kann ein Vulkanausbruch beschrieben werden
Der Galeras ist ein 4200 Meter hoher Vulkan in der Provinz Narino im Süden Kolumbiens. Nur einen Breitengrad vom Äquator entfernt, thront er mächtig über der Provinzhauptstadt San Juan de Pasto. An seinen Hängen wachsen Bananen und Kaffee, es gibt saftige Weiden und fruchtbare Äcker. Oberhalb von 3500 Metern gedeiht das Paramo, ein nur in den äquatornahen Hochanden vorkommendes Ökosystem, das seinen Bedarf an Feuchtigkeit hauptsächlich aus dem Nebel der Steigungswolken bezieht. Darüber öffnen sich große Aschefelder und die wilde, bizarre Welt eines aktiven Vulkans.
Victoria Bruce ist Wissenschaftsjournalistin. Sie hat in der Presseabteilung der amerikanischen Weltraumbehörde Nasa gearbeitet, für Zeitungen über Forschung berichtet und die American Geophysical Union, den weltweit größten Fachverband für Geowissenschaftler, in Fragen der Öffentlichkeitsarbeit beraten. Als diplomierte Geologin ist sie fachkundig. Vicky, wie ihre Freunde sie nennen, ist aber auch hübsch. Wenn sie ihre brünette Mähne zurückwirft und ihren Charme spielen läßt, beginnen selbst einsilbige Wissenschaftler freimütig über ihr Fachgebiet zu plaudern.
Stanley Williams ist Geologieprofessor an der staatlichen Universität von Arizona. Sein Forschungsgebiet sind vulkanische Gase, die er zusammen mit seinen Studenten in den Kratern aktiver Vulkane einfängt, um sie später im Labor zu analysieren. Mit Schnauzbart und großer Brille ist Williams, was die Amerikaner "intense" nennen, ein Fanatiker, der sich außerhalb seines Fachgebiets für kaum etwas interessiert. Vor allem, wenn Vulkane in Ländern der Dritten Welt kurz vor einem Ausbruch stehen, hält ihn nichts mehr in seinem Büro in Arizona. Dann muß er an den Schauplatz des Geschehens eilen, um bei der Bewältigung der vulkanischen Krise zu helfen.
Sonnenbad in der Gefahr
Ein gefährlicher Feuerberg, eine flotte Autorin und ein begeisterter Vulkanologe - das scheint eine ideale Besetzung für einen Bestseller aus dem Gebiet der Vulkanologie zu sein. Aber Bruce und Williams haben nicht zusammen über den Galeras geschrieben. In zwei getrennten Büchern beschäftigen sie sich mit einem Ausbruch des Vulkans am 14. Januar 1993, bei dem neun Menschen - darunter sechs Vulkanologen - starben und dem Williams nur mit knapper Not schwerverletzt entkam.
Wissenschaftliche Forschung an aktiven Vulkanen ist immer ein Spiel mit dem Risiko, denn eine Eruption ist jederzeit möglich. Mittlerweile werden zwar viele der aktiven Vulkane überwacht. Unter anderem messen Forscher dazu die vulkanischen Erdbeben, nehmen die Neigung der Flanken der Vulkane auf, registrieren die Temperatur der Fumarolen und heißen Quellen. Jede Änderung wird sorgfältig untersucht, denn sie könnte der Vorbote eines bevorstehenden Ausbruchs sein. Wenn Wissenschaftler an aktiven Vulkanen arbeiten, kennen sie die Ergebnisse der verschiedenen Überwachungsmethoden und wissen, in welchem Zustand sich ihr Berg gerade befindet. Sie sind sich aber auch der Tatsache bewußt, daß selbst eine lückenlose Überwachung das Verhalten eines Vulkans in der Regel nicht erfassen kann.
Die meisten Vulkanforscher vollziehen ihre Arbeit ohne großes Aufheben. Sie kennen die Gefahr, in die sie sich auf einem aktiven Feuerberg begeben - und sind jedesmal froh, wenn sie heil von ihm herunterkommen, ohne von seinen Launen überrascht worden zu sein. Es gibt aber auch eine kleine Gruppe von Vulkanologen, die sich völlig anders verhält. Diese Wissenschaftler sonnen sich in der Gefahr, die sie in den Kratern umgibt. Die Arbeit unter hohem Risiko versetzt ihnen Adrenalinstöße, sie ist für sie Selbstbestätigung und erscheint als das letzte große Abenteuer, das in der Wissenschaft noch möglich ist. Mit diesem Rausch am Risiko geht oft auch eine Gier nach Publizität einher.
Kein Sachbuch über einen Vulkan würde sich verkaufen, wenn es nicht zumindest ein wenig die aus der Unberechenbarkeit resultierende Gefahr erfaßte und wenn darin nicht die rohe, unzähmbare Gewalt einer Eruption beschrieben würde. In dieser Hinsicht ist jedes der beiden Bücher über den Galeras allein für sich eine spannende Lektüre. Bei Bruce erfährt man viel über die Gefahren der Arbeit an aktiven Vulkanen in Kolumbien. Von Williams lernt der Leser mehr über die Geschichte der Vulkanologie und erhält einen Einblick in die Methoden dieser Wissenschaft.
Der Galeras ist von den Fachleuten der "Internationalen Vereinigung für Vulkanologie und der Chemie des Erdinneren" (Iavcei) als einziger Vulkan in Südamerika als Schwerpunkt wissenschaftlicher Forschung empfohlen worden. Im Januar 1993 trafen sich mehr als fünfzig Vulkanologen in Pasto, um darüber zu beraten, wie sie den Geheimnissen des Galeras am besten auf die Spur kommen könnten. Williams war einer der Initiatoren dieses Treffens. Nach mehreren Tagen voller Fachvorträge und wissenschaftlicher Diskussionen brachen die Forscher am Morgen des 14. Januar in aller Frühe auf, um den Vulkan in mehreren Gruppen in Augenschein zu nehmen. Williams führte eine Gruppe in den eigentlichen Krater. Die Mitarbeiter des Observatoriums in Pasto hatten vorher gemeldet, daß der Vulkan ruhig sei - nichts deutete auf einen möglichen Ausbruch.
Gegen halb zwei Uhr mittags jedoch kam es plötzlich und unerwartet zu einer Gaseruption. Sechs Mitglieder von Williams' Gruppe kamen darin um. Vier wurden von heißen Steinen und Fetzen glühender Lava erschlagen. Von zwei Wissenschaftlern, die gerade auf dem Kraterboden Gesteinsproben entnahmen, fand sich später keine Spur mehr - sie waren in der Eruption verdampft. Williams und einige andere Vulkanologen überlebten schwerverletzt und wurden nach einer dramatischen Bergung aus dem Krater mit Hubschraubern in Krankenhäuser geflogen.
Wer vergleicht, was in den beiden Büchern über dieses Ereignis geschrieben steht, muß sich vor Verwunderung die Augen reiben. Nicht nur stimmt die Zeit des Ausbruchs nicht überein, auch der Hergang der Eruption und der anschließenden Rettung wird unterschiedlich dargestellt. Vollends konträr wird es schließlich bei der Suche nach den Ursachen der Katastrophe. Bruce wirft Williams als Leiter der Exkursion in den Krater vor, Warnzeichen übersehen, ja bewußt ignoriert zu haben. Sie beruft sich dabei auf den Seismologen Bernard Chouet vom Geologischen Dienst in Menlo Park. Chouet behauptet, in den seismischen Registrierungen vom Tag vor der Eruption habe es einen außergewöhnlichen Typ von Erdbeben gegeben. Ein solches "Tornillo" sei ein sicheres Zeichen für einen bevorstehenden Ausbruch. Deshalb, so Bruce, trage Williams am Tod seiner Kollegen eine Mitschuld.
Ein Ruf wird zerstört
Williams spricht dagegen vom Risiko, das jeder Vulkanologe tragen müsse. Er beschreibt, wie er über sich selbst hinauswuchs und trotz seiner schweren Verletzungen noch an der Koordination der Rettung mitwirkte. Selbst vom Krankenbett aus hat er später als "einziger Überlebender" in Interviews und Zeitungsartikeln über den Ausbruch berichtet. Nur wer beide Bücher gelesen hat, merkt, wie selektiv beide Autoren die Vorgänge vom 14. Januar 1993 beschreiben. Erst in der Zusammenschau wird deutlich, daß die charmante Bruce darauf aus ist, Williams' Ruf zu zerstören. Der inzwischen wieder genesene Vulkanologe gibt dagegen nichts von seinem Ego auf und fühlt sich eher in seiner Berufung bestätigt, weiter an aktiven Vulkanen zu arbeiten.
Tatsache ist, daß eine zuverlässige Vorhersage von Ausbrüchen heute nirgendwo auf der Welt möglich ist. Das war diesen Sommer am Ätna so, das gilt für die Feuerberge Japans ebenso wie für die Vulkane in Indonesien oder Kamschatka. Wären die besonderen Erdbeben am Galeras tatsächlich Vorboten, dürfte dieser Vulkan heute nicht mehr existieren. Inzwischen hat es nämlich weit mehr als hundert solcher Tornillos gegeben, ohne daß es dabei erneut zu einem Ausbruch gekommen wäre. Auch nach der Lektüre beider Bücher kennt der Leser die ganze Geschichte dieses Vulkanausbruchs in Südkolumbien noch immer nicht. Es scheint, als wolle Urcunina, so heißt der Galeras in der Sprache der Indios, das Geheimnis für sich behalten.
HORST RADEMACHER
Stanley Williams und Fen Montaigne: "Der Feuerberg". Wie ich den Ausbruch des Vulkans Galeras überlebte. Aus dem Amerikanischen von Friedrich Griese. C. Bertelsmann Verlag, München 2001. 320 S., Abb., geb., 44,- DM.
Victoria Bruce: "No Apparent Danger". The True Story of a Volcanic Disaster at Galeras and Nevado del Ruiz. Harper Collins Publishers, New York 2001. 239 S., geb., 26,- Dollar.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Eine Katastrophe, zwei Versionen: So widersprüchlich kann ein Vulkanausbruch beschrieben werden
Der Galeras ist ein 4200 Meter hoher Vulkan in der Provinz Narino im Süden Kolumbiens. Nur einen Breitengrad vom Äquator entfernt, thront er mächtig über der Provinzhauptstadt San Juan de Pasto. An seinen Hängen wachsen Bananen und Kaffee, es gibt saftige Weiden und fruchtbare Äcker. Oberhalb von 3500 Metern gedeiht das Paramo, ein nur in den äquatornahen Hochanden vorkommendes Ökosystem, das seinen Bedarf an Feuchtigkeit hauptsächlich aus dem Nebel der Steigungswolken bezieht. Darüber öffnen sich große Aschefelder und die wilde, bizarre Welt eines aktiven Vulkans.
Victoria Bruce ist Wissenschaftsjournalistin. Sie hat in der Presseabteilung der amerikanischen Weltraumbehörde Nasa gearbeitet, für Zeitungen über Forschung berichtet und die American Geophysical Union, den weltweit größten Fachverband für Geowissenschaftler, in Fragen der Öffentlichkeitsarbeit beraten. Als diplomierte Geologin ist sie fachkundig. Vicky, wie ihre Freunde sie nennen, ist aber auch hübsch. Wenn sie ihre brünette Mähne zurückwirft und ihren Charme spielen läßt, beginnen selbst einsilbige Wissenschaftler freimütig über ihr Fachgebiet zu plaudern.
Stanley Williams ist Geologieprofessor an der staatlichen Universität von Arizona. Sein Forschungsgebiet sind vulkanische Gase, die er zusammen mit seinen Studenten in den Kratern aktiver Vulkane einfängt, um sie später im Labor zu analysieren. Mit Schnauzbart und großer Brille ist Williams, was die Amerikaner "intense" nennen, ein Fanatiker, der sich außerhalb seines Fachgebiets für kaum etwas interessiert. Vor allem, wenn Vulkane in Ländern der Dritten Welt kurz vor einem Ausbruch stehen, hält ihn nichts mehr in seinem Büro in Arizona. Dann muß er an den Schauplatz des Geschehens eilen, um bei der Bewältigung der vulkanischen Krise zu helfen.
Sonnenbad in der Gefahr
Ein gefährlicher Feuerberg, eine flotte Autorin und ein begeisterter Vulkanologe - das scheint eine ideale Besetzung für einen Bestseller aus dem Gebiet der Vulkanologie zu sein. Aber Bruce und Williams haben nicht zusammen über den Galeras geschrieben. In zwei getrennten Büchern beschäftigen sie sich mit einem Ausbruch des Vulkans am 14. Januar 1993, bei dem neun Menschen - darunter sechs Vulkanologen - starben und dem Williams nur mit knapper Not schwerverletzt entkam.
Wissenschaftliche Forschung an aktiven Vulkanen ist immer ein Spiel mit dem Risiko, denn eine Eruption ist jederzeit möglich. Mittlerweile werden zwar viele der aktiven Vulkane überwacht. Unter anderem messen Forscher dazu die vulkanischen Erdbeben, nehmen die Neigung der Flanken der Vulkane auf, registrieren die Temperatur der Fumarolen und heißen Quellen. Jede Änderung wird sorgfältig untersucht, denn sie könnte der Vorbote eines bevorstehenden Ausbruchs sein. Wenn Wissenschaftler an aktiven Vulkanen arbeiten, kennen sie die Ergebnisse der verschiedenen Überwachungsmethoden und wissen, in welchem Zustand sich ihr Berg gerade befindet. Sie sind sich aber auch der Tatsache bewußt, daß selbst eine lückenlose Überwachung das Verhalten eines Vulkans in der Regel nicht erfassen kann.
Die meisten Vulkanforscher vollziehen ihre Arbeit ohne großes Aufheben. Sie kennen die Gefahr, in die sie sich auf einem aktiven Feuerberg begeben - und sind jedesmal froh, wenn sie heil von ihm herunterkommen, ohne von seinen Launen überrascht worden zu sein. Es gibt aber auch eine kleine Gruppe von Vulkanologen, die sich völlig anders verhält. Diese Wissenschaftler sonnen sich in der Gefahr, die sie in den Kratern umgibt. Die Arbeit unter hohem Risiko versetzt ihnen Adrenalinstöße, sie ist für sie Selbstbestätigung und erscheint als das letzte große Abenteuer, das in der Wissenschaft noch möglich ist. Mit diesem Rausch am Risiko geht oft auch eine Gier nach Publizität einher.
Kein Sachbuch über einen Vulkan würde sich verkaufen, wenn es nicht zumindest ein wenig die aus der Unberechenbarkeit resultierende Gefahr erfaßte und wenn darin nicht die rohe, unzähmbare Gewalt einer Eruption beschrieben würde. In dieser Hinsicht ist jedes der beiden Bücher über den Galeras allein für sich eine spannende Lektüre. Bei Bruce erfährt man viel über die Gefahren der Arbeit an aktiven Vulkanen in Kolumbien. Von Williams lernt der Leser mehr über die Geschichte der Vulkanologie und erhält einen Einblick in die Methoden dieser Wissenschaft.
Der Galeras ist von den Fachleuten der "Internationalen Vereinigung für Vulkanologie und der Chemie des Erdinneren" (Iavcei) als einziger Vulkan in Südamerika als Schwerpunkt wissenschaftlicher Forschung empfohlen worden. Im Januar 1993 trafen sich mehr als fünfzig Vulkanologen in Pasto, um darüber zu beraten, wie sie den Geheimnissen des Galeras am besten auf die Spur kommen könnten. Williams war einer der Initiatoren dieses Treffens. Nach mehreren Tagen voller Fachvorträge und wissenschaftlicher Diskussionen brachen die Forscher am Morgen des 14. Januar in aller Frühe auf, um den Vulkan in mehreren Gruppen in Augenschein zu nehmen. Williams führte eine Gruppe in den eigentlichen Krater. Die Mitarbeiter des Observatoriums in Pasto hatten vorher gemeldet, daß der Vulkan ruhig sei - nichts deutete auf einen möglichen Ausbruch.
Gegen halb zwei Uhr mittags jedoch kam es plötzlich und unerwartet zu einer Gaseruption. Sechs Mitglieder von Williams' Gruppe kamen darin um. Vier wurden von heißen Steinen und Fetzen glühender Lava erschlagen. Von zwei Wissenschaftlern, die gerade auf dem Kraterboden Gesteinsproben entnahmen, fand sich später keine Spur mehr - sie waren in der Eruption verdampft. Williams und einige andere Vulkanologen überlebten schwerverletzt und wurden nach einer dramatischen Bergung aus dem Krater mit Hubschraubern in Krankenhäuser geflogen.
Wer vergleicht, was in den beiden Büchern über dieses Ereignis geschrieben steht, muß sich vor Verwunderung die Augen reiben. Nicht nur stimmt die Zeit des Ausbruchs nicht überein, auch der Hergang der Eruption und der anschließenden Rettung wird unterschiedlich dargestellt. Vollends konträr wird es schließlich bei der Suche nach den Ursachen der Katastrophe. Bruce wirft Williams als Leiter der Exkursion in den Krater vor, Warnzeichen übersehen, ja bewußt ignoriert zu haben. Sie beruft sich dabei auf den Seismologen Bernard Chouet vom Geologischen Dienst in Menlo Park. Chouet behauptet, in den seismischen Registrierungen vom Tag vor der Eruption habe es einen außergewöhnlichen Typ von Erdbeben gegeben. Ein solches "Tornillo" sei ein sicheres Zeichen für einen bevorstehenden Ausbruch. Deshalb, so Bruce, trage Williams am Tod seiner Kollegen eine Mitschuld.
Ein Ruf wird zerstört
Williams spricht dagegen vom Risiko, das jeder Vulkanologe tragen müsse. Er beschreibt, wie er über sich selbst hinauswuchs und trotz seiner schweren Verletzungen noch an der Koordination der Rettung mitwirkte. Selbst vom Krankenbett aus hat er später als "einziger Überlebender" in Interviews und Zeitungsartikeln über den Ausbruch berichtet. Nur wer beide Bücher gelesen hat, merkt, wie selektiv beide Autoren die Vorgänge vom 14. Januar 1993 beschreiben. Erst in der Zusammenschau wird deutlich, daß die charmante Bruce darauf aus ist, Williams' Ruf zu zerstören. Der inzwischen wieder genesene Vulkanologe gibt dagegen nichts von seinem Ego auf und fühlt sich eher in seiner Berufung bestätigt, weiter an aktiven Vulkanen zu arbeiten.
Tatsache ist, daß eine zuverlässige Vorhersage von Ausbrüchen heute nirgendwo auf der Welt möglich ist. Das war diesen Sommer am Ätna so, das gilt für die Feuerberge Japans ebenso wie für die Vulkane in Indonesien oder Kamschatka. Wären die besonderen Erdbeben am Galeras tatsächlich Vorboten, dürfte dieser Vulkan heute nicht mehr existieren. Inzwischen hat es nämlich weit mehr als hundert solcher Tornillos gegeben, ohne daß es dabei erneut zu einem Ausbruch gekommen wäre. Auch nach der Lektüre beider Bücher kennt der Leser die ganze Geschichte dieses Vulkanausbruchs in Südkolumbien noch immer nicht. Es scheint, als wolle Urcunina, so heißt der Galeras in der Sprache der Indios, das Geheimnis für sich behalten.
HORST RADEMACHER
Stanley Williams und Fen Montaigne: "Der Feuerberg". Wie ich den Ausbruch des Vulkans Galeras überlebte. Aus dem Amerikanischen von Friedrich Griese. C. Bertelsmann Verlag, München 2001. 320 S., Abb., geb., 44,- DM.
Victoria Bruce: "No Apparent Danger". The True Story of a Volcanic Disaster at Galeras and Nevado del Ruiz. Harper Collins Publishers, New York 2001. 239 S., geb., 26,- Dollar.
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