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Bei ihren Einsätzen gegen Gaddafi mussten die NATO-Streitkräfte nicht nur russische Waffen zerstören, sondern auch Kriegsausrüstung, die unter anderem Deutschland dem Diktator verkauft hatte. Das sind seltene Momente, schreibt Feinstein, in denen eine Schattenwelt zutage tritt, die sich sonst der öffentlichen Kontrolle entzieht: ein globales Netz, dazu geschaffen, das ganz große Geld zu machen - auf Kosten von Leben, Sicherheit und Demokratie. An diesem Geschäft mit dem Tod beteiligen sich neben Akteuren aus den USA, Russland, China oder dem Nahen Osten auch Kriegsprofiteure aus EU-Staaten wie…mehr

Produktbeschreibung
Bei ihren Einsätzen gegen Gaddafi mussten die NATO-Streitkräfte nicht nur russische Waffen zerstören, sondern auch Kriegsausrüstung, die unter anderem Deutschland dem Diktator verkauft hatte. Das sind seltene Momente, schreibt Feinstein, in denen eine Schattenwelt zutage tritt, die sich sonst der öffentlichen
Kontrolle entzieht: ein globales Netz, dazu geschaffen, das ganz große Geld zu machen - auf Kosten von Leben, Sicherheit und Demokratie. An diesem Geschäft mit dem Tod beteiligen sich neben Akteuren aus den USA, Russland, China oder dem Nahen Osten auch Kriegsprofiteure aus EU-Staaten wie Deutschland, dem drittgrößten Waffenexporteur der Welt. Ein Buch, das in seiner Aktualität schockiert.
Autorenporträt
Feinstein, Andrew§Nach den ersten demokratischen Wahlen in Südafrika 1994 wurde Andrew Feinstein als Abgeordneter der Regierungspartei ANC Mitglied des Parlaments seines Landes. Als Zeichen seines Protestes gegen die Weigerung des ANC, einen Fünf-Milliarden-Pfund-Waffendeal untersuchen zu lassen, dem Korruption in großem Stil nachgesagt wurde, legte er 2001 sein Mandat nieder und zog nach London, wo er heute als Politikwissenschaftler über Südafrika schreibt und Seminare abhält. Er ist Vorsitzender der Aids-Hilfsorganisation Friends of Treatment Action Compaign und Vizedirektor der Organisation Corruption Watch.

Hagestedt, Jens§Jens Hagestedt studierte Philosophie, Literatur- und Musikwissenschaft und lebt als freier Autor und Übersetzer in Hamburg. Zahlreiche Rundfunksendungen. Buchpublikationen: Wie spielt Glenn Gould? Zu einer Theorie der musikalischen Interpretation (1991), Reine Sprache. Walter Benjamins frühe Sprachphilosophie (2004) u.a.

Schmidt, Thorsten§Thorsten Schmidt, geboren 1960, studierter Romanist und Germanist, ist freiberuflicher Übersetzer aus dem Englischen und Französischen und überträgt vornehmlich Sachbücher aus den Fachbereichen Wirtschaft, Politik, Geschichte und Psychologie.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.03.2012

Die Schattenwelt
Waffenhandel zwischen Gier und Korruption

Als jemand, "der aus Verstümmelung und Mord Gewinn zieht" charakterisierte George Bernhard Shaw 1905 in einem Theaterstück den Rüstungsfabrikanten Andrew Undershaft. Der Mann lieferte skrupellos Kanonen und Gewehre an beliebige zahlungskräftige Kundschaft. Vorbild für Undershaft war der griechische Waffenhändler Basil Zacharoff, der jahrzehntelang Politiker mit hohen Bestechungsgeldern schmierte.

Zacharoff gilt als der Prototyp aller späteren Waffenverkäufer von Marcel Dassault über Gerhard Mertins, Leonid Minin und Adnan Kaschoggi bis zu Pierre Falcone. Ihr Terrain scheint einer der undurchsichtigsten Märkte überhaupt im Wirtschaftsleben: Selbst offizielle Waffengeschäfte zwischen Staaten geschehen offenbar meist verdeckt über dritte Parteien, und am Verkauf sind nicht selten undurchsichtige Vermittler beteiligt.

"Waffenhandel erfolgt in geheimem Einverständnis von Staats- und Regierungschefs, Geheimdienstleuten, führenden Industrieunternehmen mit ihrer Spitzentechnologie, Geldgebern und Banken, Lieferanten, Mittelsmännern, Geldwäschern und Kriminellen", schreibt der Branchenkenner Andrew Feinstein. Die finanzielle Größenordnung der Verträge, die sehr kleine Zahl von Entscheidern und der Deckmantel nationaler Sicherheit begünstigten Korruption in großem Umfang. Das Resultat: "Der Waffenhandel ist für mehr als 40 Prozent der Korruption im gesamten Welthandel verantwortlich."

Feinstein weiß, wovon er spricht. Als Mitglied des Afrikanischen Nationalkongresses (ANC) machte der südafrikanische Politiker 2001 einen Bestechungsskandal bei Waffenbestellungen seiner Regierung publik, ohne ihn weiter verfolgen zu können. Er wurde aus dem Rechnungsprüfungsausschuss und dem Parlament entfernt. Feinstein, der heute in London lebt, resignierte nicht. Nach zehn Jahren Recherche veröffentlichte er ein leidenschaftliches Plädoyer gegen die verheerenden Konsequenzen des weltweiten Waffengeschäfts.

Sein 750-Seiten-Wälzer mit mehr als 2600 Fußnoten ist eine verstörende Lektüre und noch dazu eine anstrengende: Die Fülle von Namen, Schauplätzen und Details macht es dem Leser nicht leicht. Dass die Welt von Waffen überschwemmt wird, ist nicht neu. Aber die trübe Art und Weise, wie kleine und große konventionelle Waffen vor allem aus den Vereinigten Staaten, Großbritannien, Frankreich und Deutschland, Schweden, Israel und China bis heute unablässig und ohne Aufsehen zu Staaten, Schurkenstaaten und anderen Bösewichten der Welt fließen, ist erschreckend.

Viele der sensationellen Geschichten, die Feinstein stark personalisiert vorträgt, waren schon anderswo zu lesen. Nicht immer lässt sich unterscheiden, wo es sich um Fakten und wo nur um Tratsch handelt. Im Endeffekt aber scheint zu stimmen, dass im Waffenhandel kaum etwas ohne Bestechung, Schmiergelder und ungeheure Geldgier läuft und dass die zur Beförderung der Geschäfte verauslagten Summen nicht nur die Waffenproduzenten und ihre Mittelsmänner, sondern auch die Eliten in den Käuferstaaten immens reich machen.

Nach Feinstein sind nicht zuletzt die Saudis bis auf die Knochen korrupt. Der Autor zeichnet vernichtende Bilder der Prinzen Bandar und Turki und anderer Mitglieder des saudischen Königshauses im Zusammenhang mit Waffengeschäften in London und Washington. Einen britischen Versuch der Aufklärung von Bestechungen im sogenannten "Al Yamamah"-Deal, bei dem die Saudis britische Kampfjets gegen Öl eintauschten, blockierte Bandar seinerzeit bei Tony Blair erfolgreich. Bandar soll aus dem Geschäft 17 Millionen Dollar und einen Airbus A340 mitgenommen haben.

Der britische Rüstungsgigant BAE scheint nicht der einzige Konzern, der seine Kommissionen mit Riesensummen unterfüttert. Feinstein behauptet, amerikanische Konzerne wie Lockheed Martin und rüstungsnahe Unternehmen wie KBR, Halliburton und Blackwater machten es nicht viel anders, und hat im Kapitel "Alte Kameraden" mit der 1963 in Bonn gegründeten Firma Merex auch deutsche Beispiele parat.

Kriegskonflikte auf dem Balkan, in Angola, Darfur und anderswo bescheren der Waffenbranche ein immer blühenderes Geschäft. Hinzu kommt der Kampf gegen den Terrorismus im Irak und in Afghanistan - "ein zunehmender Wahnsinn", nach Aussage eines hohen amerikanischen Armee-Offiziers. Dass die Waffenproduktion lebenswichtig für die Wirtschaft sei, hält Feinstein für eine komplette Unwahrheit. Die Beschäftigtenzahlen in dieser Sparte würden weit übertrieben, schreibt er, und die Jobs seien erheblich mit öffentlichen Mitteln gefördert.

Opfer der durch den Waffenhandel induzierten Gewalt werden weniger Soldaten als ungezählte Zivilisten. Feinstein behauptet, speziell in Afrika mache der übergroße Vorrat an Waffen Konflikte noch tödlicher. Als Beispiel führt er Ruanda an. Die Berge von Waffen, die in das Land importiert wurden, hätten entscheidend zum dortigen Völkermord beigetragen. Feuerwaffen und Granaten seien systematisch benutzt worden, um die höchstmögliche Todesrate zu erreichen.

In dem Sumpf von Korruption und Gemetzel sieht der Autor wenig Hoffnung auf eine international regulierte, rechtmäßig finanzierte, wirksam überwachte und zudem auch noch transparente Waffenindustrie. "Im 20. Jahrhundert starben 231 Millionen Menschen in kriegerischen Konflikten, die der Waffenhandel entweder erst ermöglicht oder aber verschärft hat", zitiert Feinstein eine Studie aus der amerikanischen Cornell Universität und schließt sein Buch desillusioniert: "Das erste Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts deutet darauf hin, dass diese Zahl noch einmal überboten werden soll."

ULLA FÖLSING.

Andrew Feinstein: Waffenhandel. Das globale Geschäft mit dem Tod.

Hoffmann und Campe, Hamburg 2012. 750 Seiten, 29,99 Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Gewohnt engagiert preist Rupert Neudeck dieses "erschütternde" Buch über den internationalen Waffenhandel, in dem der Südafrikaner Andrew Feinstein mit dieser Branche abrechnet. Feinstein, erfahren wir, hat als Parlamentarier in Südafrika die berühmte Korruptionsaffäre aufgedeckt und ist mittlerweile nach London gegangen. Was den Inhalt des Buches betrifft, erwähnt Neudeck Schwedens Rüstungsindustrie und die Waffenkäufe der Saudis, um dann flugs zu Israel und der Besatzung zu kommen, deren "Gräueltaten", darin ist er sich wohl mit dem Autor einig, erst durch "dubiose Waffengeschäfte" ermöglicht würden. Auch dass Neudeck Israel zum Urheber des Iran-Contra-Geschäfts macht, gibt der Kritik eine seltsame Schlagseite.

© Perlentaucher Medien GmbH
»Feinsteins Geschichte des internationalen Waffenhandels ist ein Krimi, und die Politik ist das Verbrechen. Die erste Geschichte dieses mörderischen Geschäfts im 21. Jahrhundert.« Rayk Wieland titel, thesen, temperamente, ARD, 03.06.2012