The former NATO Supreme Allied Commander offers a behind-the-scenes look at how wars of today--from a successful victory in Kosovo in 1999 to the war on terrorism--are fought in this revised and updated edition of his memoirs. Gen. Clark offers not only a memoir but a guidebook for those wanting to know how modern war is fought and won. Photos.
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 12.10.2001Moderner Krieger
Wesley Clark erklärt, wie die USA in die Schlacht ziehen
WESLEY K. CLARK: Waging modern war – Bosnia, Kosovo, and the future of combat, Public Affairs, New York 2001. 479 Seiten, 30 US- Dollar.
Am Abend des 24. März 1999 begann der NATO-Einsatz „Operation Allied Force” gegen die Bundesrepublik Jugoslawien als eine „ Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln”, wie Clausewitz einstmals raffiniert formulierte. Bundeskanzler Gerhard Schröder sprach in seiner Erklärung im deutschen Fernsehen damals aber lediglich von „Luftschlägen”. – Ein Euphemismus, der auf beiden Seiten des Atlantiks symptomatisch war für den Umgang der Politik mit dem NATO-Einsatz: „Wir durften es niemals Krieg nennen. Aber natürlich war es ein Krieg”, schreibt General a.D. Wesley K. Clark in seinem Buch „Waging modern war – Bosnia, Kosovo, and the future of combat”.
Trauma Vietnam
Als oberster Befehlshaber der NATO in Europa (SACEUR) führte der US-General die 19 Mitgliedsstaaten in ihren ersten Waffengang. Anders als dies der Untertitel erwarten lässt, ist Clarks Buch aber keine Analyse der Einsätze in Bosnien und im Kosovo samt Ausblick auf das, was er „modernen Krieg” nennt. „Waging modern war” ist stattdessen vor allem und zuerst ein persönliches Buch, geschrieben im „Cockpit des Kommandanten”. Was Clark analysiert, sind die militärischen Grundlagen eines erfolgreichen Einsatzes von NATO- und US-Streitkräften, aber nicht die Frage, ob diese Einsätze politisch notwendig gewesen seien. „Es ist die Geschichte unseres Sieges”, schreibt er. Neue Einblicke in die Verhandlungen, die 1995 zum Abkommen von Dayton und dem Ende des jugoslawischen Bruderkriegs geführt haben – oder die 1998 in Rambouillet scheiterten und die „Operation Allied Force” ausgelöst haben, sucht man vergeblich.
Dennoch ist diese persönliche Perspektive Clarks kein Manko. Im Gegenteil: Sie verrät viel darüber, wie ein amerikanischer General, graduierter West-Point-Absolvent und Vietnam-Veteran über Krisenmanagement und Kriegsführung denkt. Geschrieben hat Clark sein Buch wie ein Tagebuch. Es beginnt am 31. März 1999, wenige Tage nach den ersten Luftschlägen. Bei den europäischen Staaten machten sich bereits erste Zweifel bemerkbar, ob die Luftschläge die gewünschte Wirkung zeigen werden: das Ende der Kämpfe im Kosovo und die Rückkehr der jugoslawischen Delegation an den Verhandlungstisch. Clark notierte: „Wir sollten schnell lernen, wie schwer es für eine Koalition aus 19 Staaten ist, eine einheitliche militärische Aktion zu wagen.” Er erklärt dies mit der Angst der Demokratien, die Unterstützung der Bevölkerung zu verlieren. Gerade in Europa wuchsen mit der Dauer der „Operation Allied Force” auch die Zweifel daran, ob die Entscheidung für den Einsatz tatsächlich die Richtige war.
Für Clark ist dies der Anlass, den aktuellen Schauplatz Kosovo zu verlassen und sich hinzuwenden zu den Szenarien des Kalten Kriegs, dem Trauma Vietnam und den militärischen Lehren, die man daraus ziehen muss: Durchhaltevermögen und Glaubwürdigkeit seien, so der Ex-General, die zentralen Bedingungen eines erfolgreichen militärischen Einsatzes sind.
Der Rüstungswettlauf habe der Welt damals ein nukleares Patt, aber keinen Atomkrieg beschert, der Vietnam-Krieg den USA aber eine Niederlage gegen ein unterlegenes Land. Daraus zieht Clark die schlichte Konsequenz: Im Kalten Krieg hätten weder die UdSSR noch die USA daran gezweifelt, dass ein Erstschlag einen vernichtenden Gegenschlag auslösen würde. Ein Krieg war nicht zu gewinnen, also unterblieb er. In Vietnam aber waren die USA nicht zu einem Einsatz im nötigen Umfang bereit. Dieser Mangel an Durchhaltevermögen verhinderte seiner Meinung nach einen Erfolg.
Clarks knappe Ausführungen mögen ihre strategische Berechtigung haben. Aber auch von einem Militär hätte man sich mehr Sensibilität gewünscht: Von den Opfern ist keine Rede. Mit seinem Rekurs verfolgt Clark indes ein klares (strategisches) Ziel. Er will zeigen, worin die eigentliche Gefahr dieser NATO- Operation bestand und für „moderne Kriege” weiter besteht.
Nach dem Ende der beiden Weltkriege, die um die Vorherrschaft nationaler und territorialer Interessen geführt wurden, habe nun das Zeitalter der „modernen Kriege” begonnen. Jetzt seien die Ziele „international” definiert – so im Golfkrieg 1991, bei der Befreiung Kuwaits, oder eben 1999 bei der Beendigung der Übergriffe des serbischen Militärs, schreibt Clark. Je geringer aber die nationale Betroffenheit, desto geringer die Bereitschaft, einen Krieg über längere Zeit zu führen – und nationale Opfer zu bringen. Während der „Operation Allied Force” fürchtete Clark darum, dass die Unterstützung durch die NATO-Staaten schwinden könnte und aus einem erfolgversprechenden Einsatz ein Desaster werden würde. Wohl darum schwingen in seinen Ausführungen stets auch Frustration und Müdigkeit mit.
Er war mit dem festen Willen zu siegen angetreten. Mehrmals wiederholt Clark dies. Die Arbeit als Bindeglied zwischen den 19 Regierungen und den Truppen aber sei voller Reibungsverluste gewesen. So musste jedes Ziel, das angegriffen werden sollte, zusätzlich zur militärischen auch einer politischen Prüfung unterzogen werden. Auf diese Weise sollten „Kollateralschäden”, also zivile Opfer, verhindert werden. Laut Clark habe dies nur Zeit gekostet. „Wir führten ja keinen Krieg gegen die Zivilbevölkerung”, erklärt er. Zeit hätten auch die Diskussionen darüber gekostet, wie schnell die Luftschläge intensiviert werden sollen und ob Opfer in der Zivilbevölkerung unter Umständen akzeptabel seien. Clark räumt ein, das seien legitime Fragen. Sie sollten aber geklärt werden, ohne den Erfolg der Operation in Frage zu stellen.
Ziel und Dauer
Der Ex-General hat eine einfach Botschaft: Wer einen Krieg beginnt, muss ein Ziel haben und bereit sein, es auch zu erreichen. Massiv kritisiert er darum, dass sich die Zielsetzung der „Operation Allied Force” während des Einsatzes grundlegend veränderte. Zuerst sollten die Luftschläge lediglich die jugoslawische Delegation an den Verhandlungstisch zurück holen. Am Ende aber galt es, die „ethnischen Säuberungen” zu stoppen, den Rückzug der serbischen Einheiten zu erzwingen und die Zustimmung zur Entsendung von NATO- Truppen zu erreichen.
Seiner Einschätzung nach war dies ohne Bodentruppen kaum zu erreichen, an deren Einsatz aber keiner der NATO-Staaten ernsthaft dachte. Dass Slobodan Milosevic im Juni 1999 dennoch nachgegeben hat, erklärt sich Clark anders: An der Grenze zu Serbien seien amerikanische Einheiten und Kampfhubschrauber für den Bodeneinsatz stationiert gewesen. Für Milosevic selbst, anders als für die NATO, habe an deren Einsatz kein Zweifel bestand, schreibt Clark. Darum habe er aufgegeben.
„Waging modern war” ist lesenswert, um zu begreifen, welchen Stellenwert Krieg für die USA hat und wozu die Supermacht fähig sein könnte, wenn es um die Durchsetzung ihrer nationaler Interessen geht.
ANDREAS
BOCK
Ein General in Aktion für Amerika und den Rest der NATO: Wesley Clark, einst oberster Befehlshaber in Bosnien.
Foto:
dpa
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
Wesley Clark erklärt, wie die USA in die Schlacht ziehen
WESLEY K. CLARK: Waging modern war – Bosnia, Kosovo, and the future of combat, Public Affairs, New York 2001. 479 Seiten, 30 US- Dollar.
Am Abend des 24. März 1999 begann der NATO-Einsatz „Operation Allied Force” gegen die Bundesrepublik Jugoslawien als eine „ Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln”, wie Clausewitz einstmals raffiniert formulierte. Bundeskanzler Gerhard Schröder sprach in seiner Erklärung im deutschen Fernsehen damals aber lediglich von „Luftschlägen”. – Ein Euphemismus, der auf beiden Seiten des Atlantiks symptomatisch war für den Umgang der Politik mit dem NATO-Einsatz: „Wir durften es niemals Krieg nennen. Aber natürlich war es ein Krieg”, schreibt General a.D. Wesley K. Clark in seinem Buch „Waging modern war – Bosnia, Kosovo, and the future of combat”.
Trauma Vietnam
Als oberster Befehlshaber der NATO in Europa (SACEUR) führte der US-General die 19 Mitgliedsstaaten in ihren ersten Waffengang. Anders als dies der Untertitel erwarten lässt, ist Clarks Buch aber keine Analyse der Einsätze in Bosnien und im Kosovo samt Ausblick auf das, was er „modernen Krieg” nennt. „Waging modern war” ist stattdessen vor allem und zuerst ein persönliches Buch, geschrieben im „Cockpit des Kommandanten”. Was Clark analysiert, sind die militärischen Grundlagen eines erfolgreichen Einsatzes von NATO- und US-Streitkräften, aber nicht die Frage, ob diese Einsätze politisch notwendig gewesen seien. „Es ist die Geschichte unseres Sieges”, schreibt er. Neue Einblicke in die Verhandlungen, die 1995 zum Abkommen von Dayton und dem Ende des jugoslawischen Bruderkriegs geführt haben – oder die 1998 in Rambouillet scheiterten und die „Operation Allied Force” ausgelöst haben, sucht man vergeblich.
Dennoch ist diese persönliche Perspektive Clarks kein Manko. Im Gegenteil: Sie verrät viel darüber, wie ein amerikanischer General, graduierter West-Point-Absolvent und Vietnam-Veteran über Krisenmanagement und Kriegsführung denkt. Geschrieben hat Clark sein Buch wie ein Tagebuch. Es beginnt am 31. März 1999, wenige Tage nach den ersten Luftschlägen. Bei den europäischen Staaten machten sich bereits erste Zweifel bemerkbar, ob die Luftschläge die gewünschte Wirkung zeigen werden: das Ende der Kämpfe im Kosovo und die Rückkehr der jugoslawischen Delegation an den Verhandlungstisch. Clark notierte: „Wir sollten schnell lernen, wie schwer es für eine Koalition aus 19 Staaten ist, eine einheitliche militärische Aktion zu wagen.” Er erklärt dies mit der Angst der Demokratien, die Unterstützung der Bevölkerung zu verlieren. Gerade in Europa wuchsen mit der Dauer der „Operation Allied Force” auch die Zweifel daran, ob die Entscheidung für den Einsatz tatsächlich die Richtige war.
Für Clark ist dies der Anlass, den aktuellen Schauplatz Kosovo zu verlassen und sich hinzuwenden zu den Szenarien des Kalten Kriegs, dem Trauma Vietnam und den militärischen Lehren, die man daraus ziehen muss: Durchhaltevermögen und Glaubwürdigkeit seien, so der Ex-General, die zentralen Bedingungen eines erfolgreichen militärischen Einsatzes sind.
Der Rüstungswettlauf habe der Welt damals ein nukleares Patt, aber keinen Atomkrieg beschert, der Vietnam-Krieg den USA aber eine Niederlage gegen ein unterlegenes Land. Daraus zieht Clark die schlichte Konsequenz: Im Kalten Krieg hätten weder die UdSSR noch die USA daran gezweifelt, dass ein Erstschlag einen vernichtenden Gegenschlag auslösen würde. Ein Krieg war nicht zu gewinnen, also unterblieb er. In Vietnam aber waren die USA nicht zu einem Einsatz im nötigen Umfang bereit. Dieser Mangel an Durchhaltevermögen verhinderte seiner Meinung nach einen Erfolg.
Clarks knappe Ausführungen mögen ihre strategische Berechtigung haben. Aber auch von einem Militär hätte man sich mehr Sensibilität gewünscht: Von den Opfern ist keine Rede. Mit seinem Rekurs verfolgt Clark indes ein klares (strategisches) Ziel. Er will zeigen, worin die eigentliche Gefahr dieser NATO- Operation bestand und für „moderne Kriege” weiter besteht.
Nach dem Ende der beiden Weltkriege, die um die Vorherrschaft nationaler und territorialer Interessen geführt wurden, habe nun das Zeitalter der „modernen Kriege” begonnen. Jetzt seien die Ziele „international” definiert – so im Golfkrieg 1991, bei der Befreiung Kuwaits, oder eben 1999 bei der Beendigung der Übergriffe des serbischen Militärs, schreibt Clark. Je geringer aber die nationale Betroffenheit, desto geringer die Bereitschaft, einen Krieg über längere Zeit zu führen – und nationale Opfer zu bringen. Während der „Operation Allied Force” fürchtete Clark darum, dass die Unterstützung durch die NATO-Staaten schwinden könnte und aus einem erfolgversprechenden Einsatz ein Desaster werden würde. Wohl darum schwingen in seinen Ausführungen stets auch Frustration und Müdigkeit mit.
Er war mit dem festen Willen zu siegen angetreten. Mehrmals wiederholt Clark dies. Die Arbeit als Bindeglied zwischen den 19 Regierungen und den Truppen aber sei voller Reibungsverluste gewesen. So musste jedes Ziel, das angegriffen werden sollte, zusätzlich zur militärischen auch einer politischen Prüfung unterzogen werden. Auf diese Weise sollten „Kollateralschäden”, also zivile Opfer, verhindert werden. Laut Clark habe dies nur Zeit gekostet. „Wir führten ja keinen Krieg gegen die Zivilbevölkerung”, erklärt er. Zeit hätten auch die Diskussionen darüber gekostet, wie schnell die Luftschläge intensiviert werden sollen und ob Opfer in der Zivilbevölkerung unter Umständen akzeptabel seien. Clark räumt ein, das seien legitime Fragen. Sie sollten aber geklärt werden, ohne den Erfolg der Operation in Frage zu stellen.
Ziel und Dauer
Der Ex-General hat eine einfach Botschaft: Wer einen Krieg beginnt, muss ein Ziel haben und bereit sein, es auch zu erreichen. Massiv kritisiert er darum, dass sich die Zielsetzung der „Operation Allied Force” während des Einsatzes grundlegend veränderte. Zuerst sollten die Luftschläge lediglich die jugoslawische Delegation an den Verhandlungstisch zurück holen. Am Ende aber galt es, die „ethnischen Säuberungen” zu stoppen, den Rückzug der serbischen Einheiten zu erzwingen und die Zustimmung zur Entsendung von NATO- Truppen zu erreichen.
Seiner Einschätzung nach war dies ohne Bodentruppen kaum zu erreichen, an deren Einsatz aber keiner der NATO-Staaten ernsthaft dachte. Dass Slobodan Milosevic im Juni 1999 dennoch nachgegeben hat, erklärt sich Clark anders: An der Grenze zu Serbien seien amerikanische Einheiten und Kampfhubschrauber für den Bodeneinsatz stationiert gewesen. Für Milosevic selbst, anders als für die NATO, habe an deren Einsatz kein Zweifel bestand, schreibt Clark. Darum habe er aufgegeben.
„Waging modern war” ist lesenswert, um zu begreifen, welchen Stellenwert Krieg für die USA hat und wozu die Supermacht fähig sein könnte, wenn es um die Durchsetzung ihrer nationaler Interessen geht.
ANDREAS
BOCK
Ein General in Aktion für Amerika und den Rest der NATO: Wesley Clark, einst oberster Befehlshaber in Bosnien.
Foto:
dpa
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.12.2001Ohne Lorbeerkranz
General Wesley Clark über die moderne Kriegführung
Wesley K. Clark: Waging Modern War. Verlag Janklow & Nesbit Associates, New York 2001. 479 Seiten, 30,- Dollar.
Kriegserinnerungen sind wie politische Memoiren zumeist Abrechnungen mit Freund und Feind. Sie dienen gewöhnlich der Rechtfertigung des eigenen Handelns oder der Verklärung der eigenen Rolle. Schon in dieser Hinsicht ist das vom Alliierten Oberbefehlshaber im Kosovo-Krieg 1999, General Wesley Clark, vorgelegte Buch ein außergewöhnliches Werk. Der Titel "Waging Modern War" ist anspruchsvoll in der Sache und bezeichnet persönliche Bescheidenheit des Autors zugleich.
Der im Frühjahr 2000 brüsk pensionierte ehemalige Oberste Alliierte Befehlshaber und amerikanische Oberkommandierende in Europa hatte die erste Prüfung eines Nato-Generalissimus im Krieg zu bestehen und damit die erste Chance, die Schlagkraft und Nützlichkeit der Alliierten Streitkräfte als Instrument der Bündnispolitik im Ernstfall zu beweisen. Die politischen Resultate im Kosovo und in Serbien wie in Montenegro, Bosnien und Mazedonien zeigen, daß der Beweis erbracht wurde. Dies war General Clarks militärischer Auftrag, und dieser vorläufige Ausgang des letzten Krieges im jugoslawischen Zerfallskonflikt ist sein Verdienst, obwohl die Alliierten, vor allem aus politischen Gründen und Rücksichtnahmen, nur einen halben Sieg errangen. Immerhin genügte dieser für ihren politischen Zweck und bietet damit ein Beispiel für "ausreichende Gewaltanwendung" im begrenzten Krieg - ein privilegiertes Thema der westlichen Strategie seit gut vier Jahrzehnten unter den verschiedensten Bedingungen und von einer eklatanten Aktualität im afghanischen Krieg der internationalen "Koalition gegen Terror" unter Führung der Vereinigten Staaten.
In dieser Hinsicht hat General Clark aus seiner Erfahrung mit dem Balkan, im Umgang mit dem Diktator Milosevic in Belgrad 1998/99 und im Koalitionskrieg gegen Serbien-Montenegro um das Kosovo ein Buch hoher Relevanz für jede Kriegführung und militärische Strategie geschrieben. Sein Thema umspannt den Balkan und den Nordatlantik, den europäischen Kontinent und die globalen geopolitisch-strategischen Koordinaten der amerikanischen Weltmachtstellung, ohne daß der Autor je den Boden der Tatsachen auf dem Konfliktschauplatz, auf dem er in Abhängigkeit von den politischen Gegebenheiten handeln mußte, verließe. Auch deshalb handelt es sich um ein ungewöhnliches Buch über Strategie, operative Kriegführung und Sicherheitspolitik in Frieden, Krise und Konflikt.
Verdecktes Eskalationsrisiko
Die Probleme, Risiken und Notwendigkeiten der Koalitionspolitik und der Koalitionsstrategie treten in schärferen Konturen bei einer differenzierenden Behandlung hervor als in den meisten theoretischen und historisierenden Schriften von Autoren, die weder die Nato und die internen Konsultationen zwischen den alliierten Regierungen noch das Kriegshandwerk und die Realitäten der militärischen Strategie im Kriege oder die des diplomatischen "Krisenmanagements" zur Konfliktverhütung wirklich kennen, geschweige denn die realen Interessenunterschiede, die Differenzen über die politischen und militärischen Ziele und über den richtigen Weg zum Ziel.
Hier liegt der Schwerpunkt dieses Buches über moderne Kriegführung, in Clarks Verständnis und Definition über den Krieg in engeren regionalen Grenzen, aber mit einem verdeckten Eskalationsrisiko über diese Grenzen hinaus. Es handelt sich also um einen Krieg mit begrenzten Mitteln und Kräften ohne Mobilmachung der nationalen Reserven und des gesamten militärischen Potentials der dominierenden Großmacht Amerika, dafür aber mit Verbündeten unterschiedlicher Kriegsfähigkeit, Kriegsbereitschaft und Interessenlage an erklärten gemeinsamen Kriegszielen und damit am politischen Ausgang des Krieges. Dazu zählt der Autor nicht nur den Informationskrieg, sondern auch den öffentlichen Krieg in den selektiven Bildern und Berichten der Medien, die ihr eigenes Kriegsbild und dessen Deutung unabhängig vom Kriegsgeschehen und von den Realitäten auf dem Terrain oder in den Kanzleien und Stäben der Kriegführenden in die Welt setzen und damit das Handeln der Regierungen beeinflussen.
Kritik an Washington
Clarks Kritik an den politisch Verantwortlichen, vor allem an denen in Washington, die ihn ja nach dem Kriegsende nicht eben besonders freundlich behandelten und mit ihrer Anerkennung recht sparsam waren - Lorbeer wurde ihm nicht angeheftet -, ist ebenso behutsam und differenziert wie in der Sache deutlich. Die Lektüre dieses Buches führt zu der Erkenntnis, daß die politische, aber auch die militärische Gesamtkriegsleitung zögernd war - tastend, nie entschlossen, aber immer anspruchsvoll gegenüber dem Militär für den angestrebten Erfolg. Sie war stets ungeduldig drängend, bewilligte aber die Mittel zum Zweck nur äußerst sparsam und fast immer sehr spät.
Von besonderem Interesse ist Clarks Bericht über seine schwierigen und oft am Rande des Bruchs entlangschrammenden Beziehungen zu Verteidigungsminister Cohen, der in allem das letzte Sagen haben wollte, aber von Präsident Clinton und vom Weißen Haus abhängig war für jedes größere Ziel der Luftoffensive in Serbien. Schwierig war auch das Verhältnis zu General Shelton, dem Vorsitzenden der Generalstabschefs, der eigentlich keinen Krieg auf dem Balkan führen und statt dessen die amerikanischen Kräfte nach dem "Zwei Kriege"-Konzept der amerikanischen Globalstrategie für die privilegierten Kriegsfälle Korea und Irak reservieren wollte, und zu dem zwischen allen vermittelnden Nato-Generalsekretär Solana, der dem amerikanischen Nato-Oberkommandierenden den Rücken in Europa freihielt, aber in Washington auch nicht mehr Einfluß hatte als der General selbst.
Es wird dabei eine Realität sichtbar, die seit Mitte der achtziger Jahre in Washington und in Brüssel im Bündnis intern deutlich erkennbar war: Der höchste amerikanische Militär in Europa ist nicht länger der Prokonsul der amerikanischen Weltmacht auf dem europäischen Kontinent, und Europa steht nicht länger im Zentrum der amerikanischen Weltpolitik. Eine europäische Krise ohne russische Beteiligung ist keine strategische Herausforderung mehr für die Vereinigten Staaten, sondern eher eine lästige Randerscheinung. Diese Veränderung, der man in Clarks Buch nicht nur zwischen den Zeilen begegnet, hat sich schon längst auf das Bündnis ausgewirkt.
Im Kosovo-Koalitionskrieg der Nato-Partner mit begrenztem Engagement und einem stets zerbrechlichen Zusammenhalt hat sich diese neue Realität ausgeprägt. Auch deshalb ist das Buch des ersten Nato-Oberkommandierenden in Europa, der einen Krieg führen mußte, von hohem Interesse - niemand, der sich mit der Nato oder mit den Balkan-Krisen, mit der europäischen Sicherheit, der Nato-Erweiterung oder dem Verhältnis zu Rußland befaßt, kann sich die Lektüre von "Waging Modern War" ohne Verzicht auf Erkenntnis der wahren "neuen Realitäten" ersparen.
LOTHAR RÜHL
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
General Wesley Clark über die moderne Kriegführung
Wesley K. Clark: Waging Modern War. Verlag Janklow & Nesbit Associates, New York 2001. 479 Seiten, 30,- Dollar.
Kriegserinnerungen sind wie politische Memoiren zumeist Abrechnungen mit Freund und Feind. Sie dienen gewöhnlich der Rechtfertigung des eigenen Handelns oder der Verklärung der eigenen Rolle. Schon in dieser Hinsicht ist das vom Alliierten Oberbefehlshaber im Kosovo-Krieg 1999, General Wesley Clark, vorgelegte Buch ein außergewöhnliches Werk. Der Titel "Waging Modern War" ist anspruchsvoll in der Sache und bezeichnet persönliche Bescheidenheit des Autors zugleich.
Der im Frühjahr 2000 brüsk pensionierte ehemalige Oberste Alliierte Befehlshaber und amerikanische Oberkommandierende in Europa hatte die erste Prüfung eines Nato-Generalissimus im Krieg zu bestehen und damit die erste Chance, die Schlagkraft und Nützlichkeit der Alliierten Streitkräfte als Instrument der Bündnispolitik im Ernstfall zu beweisen. Die politischen Resultate im Kosovo und in Serbien wie in Montenegro, Bosnien und Mazedonien zeigen, daß der Beweis erbracht wurde. Dies war General Clarks militärischer Auftrag, und dieser vorläufige Ausgang des letzten Krieges im jugoslawischen Zerfallskonflikt ist sein Verdienst, obwohl die Alliierten, vor allem aus politischen Gründen und Rücksichtnahmen, nur einen halben Sieg errangen. Immerhin genügte dieser für ihren politischen Zweck und bietet damit ein Beispiel für "ausreichende Gewaltanwendung" im begrenzten Krieg - ein privilegiertes Thema der westlichen Strategie seit gut vier Jahrzehnten unter den verschiedensten Bedingungen und von einer eklatanten Aktualität im afghanischen Krieg der internationalen "Koalition gegen Terror" unter Führung der Vereinigten Staaten.
In dieser Hinsicht hat General Clark aus seiner Erfahrung mit dem Balkan, im Umgang mit dem Diktator Milosevic in Belgrad 1998/99 und im Koalitionskrieg gegen Serbien-Montenegro um das Kosovo ein Buch hoher Relevanz für jede Kriegführung und militärische Strategie geschrieben. Sein Thema umspannt den Balkan und den Nordatlantik, den europäischen Kontinent und die globalen geopolitisch-strategischen Koordinaten der amerikanischen Weltmachtstellung, ohne daß der Autor je den Boden der Tatsachen auf dem Konfliktschauplatz, auf dem er in Abhängigkeit von den politischen Gegebenheiten handeln mußte, verließe. Auch deshalb handelt es sich um ein ungewöhnliches Buch über Strategie, operative Kriegführung und Sicherheitspolitik in Frieden, Krise und Konflikt.
Verdecktes Eskalationsrisiko
Die Probleme, Risiken und Notwendigkeiten der Koalitionspolitik und der Koalitionsstrategie treten in schärferen Konturen bei einer differenzierenden Behandlung hervor als in den meisten theoretischen und historisierenden Schriften von Autoren, die weder die Nato und die internen Konsultationen zwischen den alliierten Regierungen noch das Kriegshandwerk und die Realitäten der militärischen Strategie im Kriege oder die des diplomatischen "Krisenmanagements" zur Konfliktverhütung wirklich kennen, geschweige denn die realen Interessenunterschiede, die Differenzen über die politischen und militärischen Ziele und über den richtigen Weg zum Ziel.
Hier liegt der Schwerpunkt dieses Buches über moderne Kriegführung, in Clarks Verständnis und Definition über den Krieg in engeren regionalen Grenzen, aber mit einem verdeckten Eskalationsrisiko über diese Grenzen hinaus. Es handelt sich also um einen Krieg mit begrenzten Mitteln und Kräften ohne Mobilmachung der nationalen Reserven und des gesamten militärischen Potentials der dominierenden Großmacht Amerika, dafür aber mit Verbündeten unterschiedlicher Kriegsfähigkeit, Kriegsbereitschaft und Interessenlage an erklärten gemeinsamen Kriegszielen und damit am politischen Ausgang des Krieges. Dazu zählt der Autor nicht nur den Informationskrieg, sondern auch den öffentlichen Krieg in den selektiven Bildern und Berichten der Medien, die ihr eigenes Kriegsbild und dessen Deutung unabhängig vom Kriegsgeschehen und von den Realitäten auf dem Terrain oder in den Kanzleien und Stäben der Kriegführenden in die Welt setzen und damit das Handeln der Regierungen beeinflussen.
Kritik an Washington
Clarks Kritik an den politisch Verantwortlichen, vor allem an denen in Washington, die ihn ja nach dem Kriegsende nicht eben besonders freundlich behandelten und mit ihrer Anerkennung recht sparsam waren - Lorbeer wurde ihm nicht angeheftet -, ist ebenso behutsam und differenziert wie in der Sache deutlich. Die Lektüre dieses Buches führt zu der Erkenntnis, daß die politische, aber auch die militärische Gesamtkriegsleitung zögernd war - tastend, nie entschlossen, aber immer anspruchsvoll gegenüber dem Militär für den angestrebten Erfolg. Sie war stets ungeduldig drängend, bewilligte aber die Mittel zum Zweck nur äußerst sparsam und fast immer sehr spät.
Von besonderem Interesse ist Clarks Bericht über seine schwierigen und oft am Rande des Bruchs entlangschrammenden Beziehungen zu Verteidigungsminister Cohen, der in allem das letzte Sagen haben wollte, aber von Präsident Clinton und vom Weißen Haus abhängig war für jedes größere Ziel der Luftoffensive in Serbien. Schwierig war auch das Verhältnis zu General Shelton, dem Vorsitzenden der Generalstabschefs, der eigentlich keinen Krieg auf dem Balkan führen und statt dessen die amerikanischen Kräfte nach dem "Zwei Kriege"-Konzept der amerikanischen Globalstrategie für die privilegierten Kriegsfälle Korea und Irak reservieren wollte, und zu dem zwischen allen vermittelnden Nato-Generalsekretär Solana, der dem amerikanischen Nato-Oberkommandierenden den Rücken in Europa freihielt, aber in Washington auch nicht mehr Einfluß hatte als der General selbst.
Es wird dabei eine Realität sichtbar, die seit Mitte der achtziger Jahre in Washington und in Brüssel im Bündnis intern deutlich erkennbar war: Der höchste amerikanische Militär in Europa ist nicht länger der Prokonsul der amerikanischen Weltmacht auf dem europäischen Kontinent, und Europa steht nicht länger im Zentrum der amerikanischen Weltpolitik. Eine europäische Krise ohne russische Beteiligung ist keine strategische Herausforderung mehr für die Vereinigten Staaten, sondern eher eine lästige Randerscheinung. Diese Veränderung, der man in Clarks Buch nicht nur zwischen den Zeilen begegnet, hat sich schon längst auf das Bündnis ausgewirkt.
Im Kosovo-Koalitionskrieg der Nato-Partner mit begrenztem Engagement und einem stets zerbrechlichen Zusammenhalt hat sich diese neue Realität ausgeprägt. Auch deshalb ist das Buch des ersten Nato-Oberkommandierenden in Europa, der einen Krieg führen mußte, von hohem Interesse - niemand, der sich mit der Nato oder mit den Balkan-Krisen, mit der europäischen Sicherheit, der Nato-Erweiterung oder dem Verhältnis zu Rußland befaßt, kann sich die Lektüre von "Waging Modern War" ohne Verzicht auf Erkenntnis der wahren "neuen Realitäten" ersparen.
LOTHAR RÜHL
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main