In der postdramatischen, auf originelle Regie und schauspielerischen Glanz gestellten Bühnenepoche lassen sich differenzierte politische Stoffe kaum noch vermitteln. Das Lese-Drama bietet einen Ausweg: Eine vorgestellte Bühne mit Leserinnen und Lesern, die konzentriert reflektierend den Dialogen folgen können. Die Lese-Dramen "Wahn und Widerstand" folgen dem Gedanken, dass politischer Widerstand oft Teil des Wahn ist, gegen den er sich richtet. Typisch dafür "Der Tod des Kugelgießers": 1934 wird der Ghostwriter des Vizekanzlers von Papen von den Nazis umgebracht, weil er in Papens Reden seine von ideologischem Wahn geprägten Widerstand geschürt hat. Das Lesestück "Mort pour la France" geht der Frage nach, warum die Franzosen 1942 in Algier sowohl einem getöteten Regierungschef als auch seinem Mörder das Ruhmesblatt "Gestorben für Frankreich" gewidmet haben. Gerhart Hauptmann erhält 1932 zu seinem 70. Geburtstag die preußische Staatsmedaille in Gold, die ihm gleich zweimal verliehen werden muss, nämlich von der rechtmäßigen Regierung und der im "Preußenschlag" okkupierten - und er schweigt dazu. Ein stellungsloser deutschnationaler Studienrat vertreibt in verspätet aufklärerischer Absicht Hitlers zum 50. Geburtstag präsentierte Prachtausgabe von "Mein Kampf" (das "Buch mit dem goldenen Schwert"). Konflikte, Tragödien, Komödien - das kann auch ein Lese-Drama bieten.
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