Die Bankenkrise, die sich zu einer neuen Weltwirtschaftskrise auswächst, ist ein Thema, das uns alle angeht. Sahra Wagenknecht diskutiert in ihrem neuen Buch "Wahnsinn mit Methode" den globalen Finanzcrash, den man in Fachkreisen schon lange vorausgesehen hat, und entwirft Entwicklungsperspektiven. Sie analysiert die Funktionsweise der internationalen Finanzmärkte und erklärt, weshalb die globalen Finanzjongleure allein die Krise nicht mehr in den Griff bekommen können. Wagenknecht zeigt, welche Auswege sich durch eine undogmatische, marxistisch geprägte Denkweise auftun können. Ein Buch von höchster Aktualität und Brisanz.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.12.2008Bücher zur Krise
Das Modethema in der Wirtschaftsliteratur des Jahres
Wie schnell sich die Zeiten ändern: Standen noch vor zwölf Monaten Bücher zur langfristigen Entwicklung des Kapitalismus im Mittelpunkt des Jahresrückblicks 2007, so wird das Jahr 2008 auch in der Wirtschaftsliteratur von der Finanz- und Wirtschaftskrise geprägt. Mindestens ein Dutzend Bücher befinden sich hierzu alleine in deutscher Sprache auf dem Markt.
Eine Gruppe dieser Bücher analysiert die aktuelle Krise als konsequentes und unausweichliches Ergebnis der wirtschaftlichen Liberalisierung der vergangenen Jahrzehnte. Das inhaltsreichste, am konsequentesten gegliederte und am flüssigsten geschriebene Buch dieses Genres stammt aus der Feder von Ulrich Schäfer, dem Co-Leiter der Wirtschaftsredaktion der "Süddeutschen Zeitung". Schäfer lässt das Unheil intellektuell mit der Mont-Pèlerin-Gesellschaft im Allgemeinen und mit Friedrich von Hayek und Milton Friedman im Besonderen beginnen. Ronald Reagan und Margaret Thatcher beginnen das Werk dann umzusetzen, und über erste Turbulenzen wie die Asien-Krise 1997 oder den Zusammenbruch des Hedge-Fonds LTCM gelangt man dann zur aktuellen Megakrise. Als Konsequenz fordert Schäfer die Rückkehr von einer "entfesselten Marktwirtschaft" zu einer Marktwirtschaft mit einem starken Staat, wie ihn sich die Neoliberalen ursprünglich einmal vorstellten. Auch wer die gelegentlich etwas holzschnittartig präsentierten politischen Positionen des Autors nicht teilt, kann das Buch mit Gewinn lesen. Lediglich das letzte Kapitel, in dem Schäfer ein unzusammenhängendes Sammelsurium an Regulierungsvorschlägen bietet, fällt gegenüber dem Rest ab.
Unerwartetes bietet Sahra Wagenknecht. Die PDS-Ikone lässt zwar gelegentlich Marx auftreten und kann sich auch den einen oder anderen verbalen Ausfall nicht ersparen ("Als Bush und sein Vize Cheney sich 1999 in den USA an die Macht geputscht hatten . . ."), insgesamt hat sie aber kein politisches, sondern ein ökonomisches Buch geschrieben, Wagenknecht erklärt im Detail Strategien von Hedge-Fonds oder die Bedeutung der früheren Euromärkte in London für die deutsche Geldpolitik, und selbstverständlich kennt sie sich auch in der Geschichte der großen Finanzkrisen aus. Ihr Fachwissen ist durchaus beeindruckend, geht aber zu Lasten des Leseflusses. In politischer Hinsicht fordert sie - wenig erstaunlich und wenig überzeugend - die Verstaatlichung von Schlüsselindustrien, zu denen sie auch das Finanzgewerbe zählt.
Zu einem ähnlichen Befund gelangt Lucas Zeise, ehemals bei der "Börsen-Zeitung" und heute Kolumnist der "Financial Times Deutschland". "Die Finanzkrise beendet die spezifische Form, in der die kapitalistische Weltwirtschaft sich in den letzten 20 bis 30 Jahren entwickelt hat. Sie beendet eine neoliberale, vom Finanzmarkt dominierte Phase der Globalisierung", heißt es in seinem kompakt geschriebenen Buch (Lucas Zeise: Ende der Party, Papyrossa Verlag, Köln 2008, 196 Seiten, 14,90 Euro). Zeise holt weniger weit aus als Schäfer, kommt aber zu ähnlichen politischen Schlussfolgerungen.
Eine zweite Gruppe von Krisenbüchern sucht nicht die umfassende Welt- oder Kapitalismuserklärung, sondern liefert präzise Einblicke in die modernen und zum Teil ungeheuer komplizierten Finanzmärkte. Geradezu lehrbuchmäßig mit zahlreichen Grafiken und Informationskästen kommt ein von vier Autoren des Deutschen Instituts für Corporate Finance, darunter Michael Bloss, daher. Kapitelüberschriften wie "Wie haben Hypothekenbanken Kredite vergeben", "Welche Finanzprodukte haben Investmentbanken geschaffen" oder "Wie sind Private-Equity-Gesellschaften und Hedge-Fonds von der Finanzkrise betroffen" unterstreichen den Anspruch der Autoren, tief in die Materie einzusteigen. Dies gelingt vorzüglich, auch wenn das Buch angesichts seiner detaillierten Erklärungen keine so einfache und flüssige Lektüre ermöglicht wie ein Buch, das eine wirtschaftspolitische Einordnung der Krise liefert. Wer indessen wirklich wissen will, was in den vergangenen Jahren an den internationalen Finanzmärkten passiert ist, wird hier bestens bedient.
Das gilt ebenfalls für das Werk des Wirtschaftsjournalisten Wolfgang Münchau. Im Zentrum seiner Erläuterungen steht der Kreditmarkt ("eine moderne Massenvernichtungswaffe"). Münchau beschreibt detailliert die dort gehandelten Produkte wie Credit Default Swaps und besicherte Schuldverschreibungen (CDO), aber auch die dort handelnden Akteure. Münchau vermag seinen Anspruch einzulösen, diese komplizierten Themen auch Laien verständlich zu erläutern. Alleine die vierseitige Erläuterung, wie das unerwartete Übernahmeangebot von Kirk Kerkorian für General Motors die Strategien von Hedge-Fonds durchkreuzte, ist vorbildlich.
Kurz vor Weihnachten ist die deutsche Fassung des neuesten Buches aus der Feder des bekannten Yale-Ökonomen Robert Shiller erschienen (Robert Shiller: Die Subprime-Lösung. Verlag Börsenmedien. Kulmbach 2008. 192 Seiten. 19,90 Euro). Shiller beschreibt nicht nur, was sich in den vergangenen Jahren am amerikanischen Hypothekenmarkt und an den Finanzmärkten abgespielt hat. Er setzt sich auch kritisch mit den Schuldvorwürfen gegen Banker und Politiker auseinander. Shiller vertritt eine psychologische Krisenerklärung, wonach die Menschen sich selbst im Wissen um frühere Katastrophen immer wieder auf Spekulationen einlassen.
Die aktuelle Finanzkrise ist nicht die erste, und so finden auch Bücher über Vorgänger Beachtung. So wird in nahezu jedem modernen Krisenbuch John Kenneth Galbraiths Standardwerk über den Börsenkrach von 1929 erwähnt, das nicht zufällig in diesem Herbst neu aufgelegt wurde. Vor allem Galbraiths Drei-Stufen-Theorie der Finanzmarktkrisen wurde von modernen Autoren übernommen und auf die aktuelle Krise angewandt: Am Anfang steht eine scheinbar überzeugende Investmentidee, dann wird über Kredite das für die Spekulation notwendige Spielgeld bereitgestellt, und schließlich entsteht eine allgemeine Euphorie, die im Krach endet.
1907? Was geschah 1907? Ein Börsenkrach - mitten in der Wall Street. Den außerhalb der Vereinigten Staaten kaum zur Kenntnis genommenen Einbruch der Aktienkurse schildern Robert F. Bruner und Sean D. Carr inhaltsreich wie unterhaltsam. Zur Beendigung der Turbulenzen trug vor allem der mächtigste Banker seiner Zeit, John Pierpont Morgan, bei. Abschließend nur kurz erwähnt - da von Wirtschaftsredakteuren der F.A.Z. geschrieben - sei ein Buch, das zur Hälfte historische Finanzkrisen behandelt und die andere Hälfte der aktuellen Krise widmet.
GERALD BRAUNBERGER
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Das Modethema in der Wirtschaftsliteratur des Jahres
Wie schnell sich die Zeiten ändern: Standen noch vor zwölf Monaten Bücher zur langfristigen Entwicklung des Kapitalismus im Mittelpunkt des Jahresrückblicks 2007, so wird das Jahr 2008 auch in der Wirtschaftsliteratur von der Finanz- und Wirtschaftskrise geprägt. Mindestens ein Dutzend Bücher befinden sich hierzu alleine in deutscher Sprache auf dem Markt.
Eine Gruppe dieser Bücher analysiert die aktuelle Krise als konsequentes und unausweichliches Ergebnis der wirtschaftlichen Liberalisierung der vergangenen Jahrzehnte. Das inhaltsreichste, am konsequentesten gegliederte und am flüssigsten geschriebene Buch dieses Genres stammt aus der Feder von Ulrich Schäfer, dem Co-Leiter der Wirtschaftsredaktion der "Süddeutschen Zeitung". Schäfer lässt das Unheil intellektuell mit der Mont-Pèlerin-Gesellschaft im Allgemeinen und mit Friedrich von Hayek und Milton Friedman im Besonderen beginnen. Ronald Reagan und Margaret Thatcher beginnen das Werk dann umzusetzen, und über erste Turbulenzen wie die Asien-Krise 1997 oder den Zusammenbruch des Hedge-Fonds LTCM gelangt man dann zur aktuellen Megakrise. Als Konsequenz fordert Schäfer die Rückkehr von einer "entfesselten Marktwirtschaft" zu einer Marktwirtschaft mit einem starken Staat, wie ihn sich die Neoliberalen ursprünglich einmal vorstellten. Auch wer die gelegentlich etwas holzschnittartig präsentierten politischen Positionen des Autors nicht teilt, kann das Buch mit Gewinn lesen. Lediglich das letzte Kapitel, in dem Schäfer ein unzusammenhängendes Sammelsurium an Regulierungsvorschlägen bietet, fällt gegenüber dem Rest ab.
Unerwartetes bietet Sahra Wagenknecht. Die PDS-Ikone lässt zwar gelegentlich Marx auftreten und kann sich auch den einen oder anderen verbalen Ausfall nicht ersparen ("Als Bush und sein Vize Cheney sich 1999 in den USA an die Macht geputscht hatten . . ."), insgesamt hat sie aber kein politisches, sondern ein ökonomisches Buch geschrieben, Wagenknecht erklärt im Detail Strategien von Hedge-Fonds oder die Bedeutung der früheren Euromärkte in London für die deutsche Geldpolitik, und selbstverständlich kennt sie sich auch in der Geschichte der großen Finanzkrisen aus. Ihr Fachwissen ist durchaus beeindruckend, geht aber zu Lasten des Leseflusses. In politischer Hinsicht fordert sie - wenig erstaunlich und wenig überzeugend - die Verstaatlichung von Schlüsselindustrien, zu denen sie auch das Finanzgewerbe zählt.
Zu einem ähnlichen Befund gelangt Lucas Zeise, ehemals bei der "Börsen-Zeitung" und heute Kolumnist der "Financial Times Deutschland". "Die Finanzkrise beendet die spezifische Form, in der die kapitalistische Weltwirtschaft sich in den letzten 20 bis 30 Jahren entwickelt hat. Sie beendet eine neoliberale, vom Finanzmarkt dominierte Phase der Globalisierung", heißt es in seinem kompakt geschriebenen Buch (Lucas Zeise: Ende der Party, Papyrossa Verlag, Köln 2008, 196 Seiten, 14,90 Euro). Zeise holt weniger weit aus als Schäfer, kommt aber zu ähnlichen politischen Schlussfolgerungen.
Eine zweite Gruppe von Krisenbüchern sucht nicht die umfassende Welt- oder Kapitalismuserklärung, sondern liefert präzise Einblicke in die modernen und zum Teil ungeheuer komplizierten Finanzmärkte. Geradezu lehrbuchmäßig mit zahlreichen Grafiken und Informationskästen kommt ein von vier Autoren des Deutschen Instituts für Corporate Finance, darunter Michael Bloss, daher. Kapitelüberschriften wie "Wie haben Hypothekenbanken Kredite vergeben", "Welche Finanzprodukte haben Investmentbanken geschaffen" oder "Wie sind Private-Equity-Gesellschaften und Hedge-Fonds von der Finanzkrise betroffen" unterstreichen den Anspruch der Autoren, tief in die Materie einzusteigen. Dies gelingt vorzüglich, auch wenn das Buch angesichts seiner detaillierten Erklärungen keine so einfache und flüssige Lektüre ermöglicht wie ein Buch, das eine wirtschaftspolitische Einordnung der Krise liefert. Wer indessen wirklich wissen will, was in den vergangenen Jahren an den internationalen Finanzmärkten passiert ist, wird hier bestens bedient.
Das gilt ebenfalls für das Werk des Wirtschaftsjournalisten Wolfgang Münchau. Im Zentrum seiner Erläuterungen steht der Kreditmarkt ("eine moderne Massenvernichtungswaffe"). Münchau beschreibt detailliert die dort gehandelten Produkte wie Credit Default Swaps und besicherte Schuldverschreibungen (CDO), aber auch die dort handelnden Akteure. Münchau vermag seinen Anspruch einzulösen, diese komplizierten Themen auch Laien verständlich zu erläutern. Alleine die vierseitige Erläuterung, wie das unerwartete Übernahmeangebot von Kirk Kerkorian für General Motors die Strategien von Hedge-Fonds durchkreuzte, ist vorbildlich.
Kurz vor Weihnachten ist die deutsche Fassung des neuesten Buches aus der Feder des bekannten Yale-Ökonomen Robert Shiller erschienen (Robert Shiller: Die Subprime-Lösung. Verlag Börsenmedien. Kulmbach 2008. 192 Seiten. 19,90 Euro). Shiller beschreibt nicht nur, was sich in den vergangenen Jahren am amerikanischen Hypothekenmarkt und an den Finanzmärkten abgespielt hat. Er setzt sich auch kritisch mit den Schuldvorwürfen gegen Banker und Politiker auseinander. Shiller vertritt eine psychologische Krisenerklärung, wonach die Menschen sich selbst im Wissen um frühere Katastrophen immer wieder auf Spekulationen einlassen.
Die aktuelle Finanzkrise ist nicht die erste, und so finden auch Bücher über Vorgänger Beachtung. So wird in nahezu jedem modernen Krisenbuch John Kenneth Galbraiths Standardwerk über den Börsenkrach von 1929 erwähnt, das nicht zufällig in diesem Herbst neu aufgelegt wurde. Vor allem Galbraiths Drei-Stufen-Theorie der Finanzmarktkrisen wurde von modernen Autoren übernommen und auf die aktuelle Krise angewandt: Am Anfang steht eine scheinbar überzeugende Investmentidee, dann wird über Kredite das für die Spekulation notwendige Spielgeld bereitgestellt, und schließlich entsteht eine allgemeine Euphorie, die im Krach endet.
1907? Was geschah 1907? Ein Börsenkrach - mitten in der Wall Street. Den außerhalb der Vereinigten Staaten kaum zur Kenntnis genommenen Einbruch der Aktienkurse schildern Robert F. Bruner und Sean D. Carr inhaltsreich wie unterhaltsam. Zur Beendigung der Turbulenzen trug vor allem der mächtigste Banker seiner Zeit, John Pierpont Morgan, bei. Abschließend nur kurz erwähnt - da von Wirtschaftsredakteuren der F.A.Z. geschrieben - sei ein Buch, das zur Hälfte historische Finanzkrisen behandelt und die andere Hälfte der aktuellen Krise widmet.
GERALD BRAUNBERGER
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 07.02.2009Wirtschaftsbuch
Die Krise aus Sicht einer Kommunistin
Sahra Wagenknecht ist Kommunistin und dabei unverdrossen. Selbst in der SED-PDS-Nachfolgepartei „Die Linke” steht sie als leitendes Mitglied der Kommunistischen Plattform eher links außen. Das Establishment fragt die 39-Jährige dennoch gern für Talkshows und Interviews an, denn Sahra Wagenknecht weiß sich zu präsentieren. Sie ist klug und attraktiv. Hochgestecktes Haar, hochgeschlossene Kleidung, ernster Blick; die Presse schwärmt von „der schönen Kommunistin”, und selten fehlt der Vergleich mit Rosa Luxemburg, an die sie ausweislich alter Fotos tatsächlich erinnert. Sie ist vor allem aber kenntnisreich, mit einer für Marktwirtschaftler allerdings schwer verdaulichen Weltsicht: Sahra Wagenknecht ist Kommunistin, und das aus Überzeugung.
Entsprechend ist sie im politischen Alltag knallhart. Sie kritisiert den „Schmusekurs” ihrer Partei bei den Regierungsbeteiligungen in den Ländern, und sie geißelt die von der Linken mitgetragenen Kompromisse beim Kürzen sozialer Leistungen und bei Privatisierungen. Nicht weniger, sondern mehr Staat, und zwar massiv mehr Staat, lautet ihre Devise. Schlüsselindustrien gehören in die öffentliche Hand, und auch das ganze Finanzgewerbe – jetzt erst recht. Wagenknecht will die kapitalistischen Produktionsverhältnisse überwinden und träumt von einer anderen Gesellschaft. Sie erklärt sich solidarisch mit dem kubanischen Staatschef Fidel Castro und dem venezolanischen Staatspräsidenten Hugo Chávez und lehnt jede Form von Anti-Kommunismus ab.
1992 nannte Wagenknecht die Mauer ein „notwendiges Übel” und meinte damals, die DDR sei „ein besserer Staat als die BRD” gewesen – ohne dass sie heute das alte Regime zurückhaben will. Auf die Frage, mit wem sie lieber über Wirtschaftspolitik streiten wolle; mit Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann oder mit SPD-Bundesfinanzminister Peer Steinbrück, sagt sie spitz: „Natürlich mit Herrn Ackermann.” Warum? „Weil das spannender wäre, als mit seinem Handlanger zu reden.”
Diese Frau hat nun ein Buch über die Finanzkrise geschrieben, und sie schickt es auch schon mal „natürlichen Gegnern” mit der Bitte um Beachtung. Wer sich auf das Wagnis einlässt, wird nicht enttäuscht. Ein überzeugter Marktwirtschaftler wird allerdings nicht die Schlussfolgerungen des Buches teilen („Der Kapitalismus muss überwunden werden”). Auch halten viele vorgebliche Tatsachenbehauptungen der Realität nicht stand („Es gab selten ein System, das so wenige Profiteure und so viele Verlierer hatte wie der heutige Kapitalismus”). Schon gar nicht muss man den Wagenknecht’schen Verschwörungstheorien folgen („Bush hat sich 1999 in den USA an die Macht geputscht”) – und darf dennoch anerkennen, dass die Autorin eine kluge Beschreibung der Finanzkrise vorgelegt hat.
Wagenknecht beschreibt die Abläufe präzise, besticht durch Fachwissen, und häufig gelingen ihr allgemeinverständliche Erklärungen für komplizierte Vorgänge auf dem Finanzmarkt. Das Buch Wahnsinn mit Methode ist nicht in erster Linie ein politisches Manifest, sondern vor allem eine interessante ökonomische Analyse. Dass sich daraus andere politische Konsequenzen ergeben als bei der herrschenden ökonomischen Meinung, kann bei einer bekennenden Kommunistin nicht verwundern. Erschreckend ist eher, dass manche ihrer Forderungen vom wirtschaftspolitischen Alltag und den Äußerungen maßgeblicher Politiker selbst der Regierungsparteien gar nicht mehr so weit voneinander entfernt sind – obwohl doch nicht die Linke regiert, sondern eine große Koalition, die sich tagein, tagaus auf den liberalen Ordnungspolitiker Ludwig Erhard beruft. Marc Beise
Sahra Wagenknecht:
Wahnsinn mit Methode –
Finanzcrash und Weltwirtschaft. Verlag Das Neue Berlin, November 2008, 255 Seiten, 14,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
Die Krise aus Sicht einer Kommunistin
Sahra Wagenknecht ist Kommunistin und dabei unverdrossen. Selbst in der SED-PDS-Nachfolgepartei „Die Linke” steht sie als leitendes Mitglied der Kommunistischen Plattform eher links außen. Das Establishment fragt die 39-Jährige dennoch gern für Talkshows und Interviews an, denn Sahra Wagenknecht weiß sich zu präsentieren. Sie ist klug und attraktiv. Hochgestecktes Haar, hochgeschlossene Kleidung, ernster Blick; die Presse schwärmt von „der schönen Kommunistin”, und selten fehlt der Vergleich mit Rosa Luxemburg, an die sie ausweislich alter Fotos tatsächlich erinnert. Sie ist vor allem aber kenntnisreich, mit einer für Marktwirtschaftler allerdings schwer verdaulichen Weltsicht: Sahra Wagenknecht ist Kommunistin, und das aus Überzeugung.
Entsprechend ist sie im politischen Alltag knallhart. Sie kritisiert den „Schmusekurs” ihrer Partei bei den Regierungsbeteiligungen in den Ländern, und sie geißelt die von der Linken mitgetragenen Kompromisse beim Kürzen sozialer Leistungen und bei Privatisierungen. Nicht weniger, sondern mehr Staat, und zwar massiv mehr Staat, lautet ihre Devise. Schlüsselindustrien gehören in die öffentliche Hand, und auch das ganze Finanzgewerbe – jetzt erst recht. Wagenknecht will die kapitalistischen Produktionsverhältnisse überwinden und träumt von einer anderen Gesellschaft. Sie erklärt sich solidarisch mit dem kubanischen Staatschef Fidel Castro und dem venezolanischen Staatspräsidenten Hugo Chávez und lehnt jede Form von Anti-Kommunismus ab.
1992 nannte Wagenknecht die Mauer ein „notwendiges Übel” und meinte damals, die DDR sei „ein besserer Staat als die BRD” gewesen – ohne dass sie heute das alte Regime zurückhaben will. Auf die Frage, mit wem sie lieber über Wirtschaftspolitik streiten wolle; mit Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann oder mit SPD-Bundesfinanzminister Peer Steinbrück, sagt sie spitz: „Natürlich mit Herrn Ackermann.” Warum? „Weil das spannender wäre, als mit seinem Handlanger zu reden.”
Diese Frau hat nun ein Buch über die Finanzkrise geschrieben, und sie schickt es auch schon mal „natürlichen Gegnern” mit der Bitte um Beachtung. Wer sich auf das Wagnis einlässt, wird nicht enttäuscht. Ein überzeugter Marktwirtschaftler wird allerdings nicht die Schlussfolgerungen des Buches teilen („Der Kapitalismus muss überwunden werden”). Auch halten viele vorgebliche Tatsachenbehauptungen der Realität nicht stand („Es gab selten ein System, das so wenige Profiteure und so viele Verlierer hatte wie der heutige Kapitalismus”). Schon gar nicht muss man den Wagenknecht’schen Verschwörungstheorien folgen („Bush hat sich 1999 in den USA an die Macht geputscht”) – und darf dennoch anerkennen, dass die Autorin eine kluge Beschreibung der Finanzkrise vorgelegt hat.
Wagenknecht beschreibt die Abläufe präzise, besticht durch Fachwissen, und häufig gelingen ihr allgemeinverständliche Erklärungen für komplizierte Vorgänge auf dem Finanzmarkt. Das Buch Wahnsinn mit Methode ist nicht in erster Linie ein politisches Manifest, sondern vor allem eine interessante ökonomische Analyse. Dass sich daraus andere politische Konsequenzen ergeben als bei der herrschenden ökonomischen Meinung, kann bei einer bekennenden Kommunistin nicht verwundern. Erschreckend ist eher, dass manche ihrer Forderungen vom wirtschaftspolitischen Alltag und den Äußerungen maßgeblicher Politiker selbst der Regierungsparteien gar nicht mehr so weit voneinander entfernt sind – obwohl doch nicht die Linke regiert, sondern eine große Koalition, die sich tagein, tagaus auf den liberalen Ordnungspolitiker Ludwig Erhard beruft. Marc Beise
Sahra Wagenknecht:
Wahnsinn mit Methode –
Finanzcrash und Weltwirtschaft. Verlag Das Neue Berlin, November 2008, 255 Seiten, 14,90 Euro.
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