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»Zeit für Gefühle«, »Schrei vor Glück«, »Aus Freude am Fahren« - Werbeslogans wie diese illustrieren aufs Schönste einen zentralen Mechanismus des zeitgenössischen Kapitalismus: Waren produzieren Gefühle und zugleich werden Gefühle zu Waren. Wie kam es zu dieser Verschränkung von Emotionen und Konsum? Was bedeutet sie für die Identität des modernen Subjekts? Und wie lassen sich wahre Gefühle erkennen und Warengefühle kritisieren? Die hier versammelten Beiträge gehen diesen Fragen in konkreten Feldern (z. B. Tourismus, Musik, Sexualität) nach und fügen sich zu einer umfassenden Ethnographie des…mehr

Produktbeschreibung
»Zeit für Gefühle«, »Schrei vor Glück«, »Aus Freude am Fahren« - Werbeslogans wie diese illustrieren aufs Schönste einen zentralen Mechanismus des zeitgenössischen Kapitalismus: Waren produzieren Gefühle und zugleich werden Gefühle zu Waren. Wie kam es zu dieser Verschränkung von Emotionen und Konsum? Was bedeutet sie für die Identität des modernen Subjekts? Und wie lassen sich wahre Gefühle erkennen und Warengefühle kritisieren? Die hier versammelten Beiträge gehen diesen Fragen in konkreten Feldern (z. B. Tourismus, Musik, Sexualität) nach und fügen sich zu einer umfassenden Ethnographie des Strebens nach emotionaler Authentizität - jener modernen Erfahrung, so die These dieses Buches, die durch die Koproduktion von Gefühlen und Konsumpraktiken erst erzeugt wird.
Autorenporträt
Eva Illouz, geboren 1961, ist Professorin für Soziologie an der Hebräischen Universität Jerusalem sowie Studiendirektorin am Centre européen de sociologie et de science politique, CSE-EHESS in Paris. Für ihr Werk erhielt sie zahlreiche Auszeichnungen, u. a. den Anneliese-Maier-Forschungspreis der Alexander von Humboldt-Stiftung und den EMET-Preis für Sozialwissenschaften. Ihre Bücher werden in zahlreiche Sprachen übersetzt.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.02.2018

Intensivierungen des Gefühlslebens werden sehr nachgefragt
Alles eine Frage des richtigen Bewusstseins: Ein Sammelband unter Leitung von Eva Illouz untersucht emotionale Authentizität als Warenform

Wo die kapitalistische Manipulation droht, ist die Frankfurter Schule nicht weit. Bestechend und nervtötend zugleich entlarven Autoren im Umfeld der Frankfurter Schule ein ums andere Mal, wie sehr unsere Gewohnheiten und Denkweisen dominiert seien vom deregulierten Kapitalismus und Neoliberalismus. Dass auch Gefühle davon betroffen sind, ist dabei nichts Neues. Einst behandelt in der Sozialpsychologie von Erich Fromm, hat vor allem die israelische Soziologin Eva Illouz den Ansatz der gesellschaftskritischen Seelenanalyse weiterentwickelt und ihr Augenmerk auf Emotionen und Liebesbeziehungen im kapitalistischen Zeitalter gerichtet.

Nun liegt ein neuer Sammelband vor, der außer ihren eigenen Reflexionen Arbeiten ihrer früheren Studenten über Gefühle und Authentizität im Konsumkapitalismus vereint. Die Begriffe erinnern an Altbekanntes, doch verspricht Axel Honneth in seinem Vorwort nicht zu viel, wenn er in Illouz' neuen Analysen eine Radikalisierung erkennt. Ihr gehe es nicht mehr allein darum, "dass die kapitalistische Konsumsphäre die Emotionen der Gesellschaftsmitglieder bloß irgendwie ,äußerlich' beeinflusst", sondern dass unsere Gefühle selbst "die Form von jederzeit einsatzfähigen Waren" annähmen. Das Ergebnis dieser "Kommodifizierung" nennt Eva Illouz "Emodities", "Gefühlswaren".

Hier kommt die Authentizität ins Spiel, eine Art Schlüsselbegriff der jüngeren Kritischen Theorie: Das, was wir fühlen, wird demnach für echt und außerordentlich wichtig gehalten. Illouz diagnostiziert eine regelrechte "Intensivierung des Gefühlslebens", die mit der kapitalistischen Kultur einhergegangen sei. Das Bedürfnis nach authentischen Emotionserlebnissen erleichtert in dieser Sichtweise die Verschleierung der wahren Machtverhältnisse: Das, was sich echt anfühlt, werde mitunter erst durch den Warenkonsum geschaffen. Es gibt demnach, so ist daraus zu lernen, nicht nur eine "instrumentelle Vernunft" (Horkheimer), sondern auch ein instrumentelles Gefühl. Den Prämissen der Kulturkritik im Gefolge der Frankfurter Schule treu bleibend, ist es somit auch eine Verlustgeschichte, die Illouz hier erzählt: Uns komme die Fähigkeit abhanden, unsere echten Gefühlen von jenen zu unterscheiden, die der Kapitalismus bewusst hervorbringt.

Dieser neuen Form des Verblendungszusammenhangs, wie ihn die frühere Kritische Theorie beschrieben hat, gehen die einzelnen Forschungsbeiträge auf konkreten Feldern nach, etwa im Tourismus, im Film oder in der Psychologisierung des Alltags. Am Beispiel der Musikindustrie untersucht der Kultursoziologe Ori Schwarz "die Technologien der Gefühlssteuerung", die dazu führten, dass "Musik als eine Gefühlsware konsumiert wird". Eine besondere Rolle spielt dabei nach Schwarz die Digitalisierung der Musik, die "das einzelne Musikstück aus dem Kontext seiner Abfolge befreit". Playlists ermöglichten die bewusst gesteuerte Intensivierung der Gefühlswirkung, indem Titel zu bestimmten Stimmungen wie Wut, Freude, Trennung oder Liebeskummer zusammengestellt werden. Die Musikindustrie trage somit zur "Rationalisierung der Gefühlssteuerung" bei.

Ein besonders origineller Beitrag der Kultursoziologin Dana Kaplan handelt von Sex-Werbekarten, die in Tel Aviv in der Stadt verteilt und an geparkte Autos gesteckt werden, um für heterosexuelle Prostitution zu werben. Kaplan bezeichnet das als "Stimmungsarbeit", die die Atmosphäre einer Stadt präge und entscheidend für die Entwicklung einer Gefühlsware sei. Schon durch "ihre bloße Existenz im öffentlichen Raum" böten die Sexkarten "eine emotionale Grundlage für den neoliberalen Kapitalismus".

Beabsichtigt ist auf dieser vielfältigen Entdeckungsreise der Gefühle "eine Neufassung des begrifflichen Rahmens, in dem die Geschichte des Kapitalismus traditionell verstanden wurde". Nicht immer aber kann man sich des Eindrucks erwehren, dass hier vor allem die marxistische Theorie der Verdinglichung und des Warenfetischismus fortgeschrieben wird. Und so lautet auch an dieser Stelle und immer noch die alles entscheidende Frage: Ist wirklich alles eine Frage des Bewusstseins? Und wie erlangen wir das "richtige" Bewusstsein? Können wir es überhaupt erlangen, ohne das "falsche" Sein zu überwinden? Und vor allem: Wer diktiert, was richtig und falsch, was echt und manipuliert ist?

Eva Illouz ist sich dieser Probleme durchaus bewusst: "Da der Kapitalismus die Subjektivität selbst geformt hat, lässt sich jene Subjektivität nicht mehr kritisch wenden." Sie schlägt deshalb eine "postnormative Kritik" vor, die auf normativ-begründende Festlegungen verzichtet und akzeptiert, dass sie sich "mit dem Charakter dessen, was sie kritisiert", selbst verändert. So wenig eindeutig Gefühle oft sind, so bewusst mehrdeutig ist dieser Theorieansatz. "Eine postnormative Kritik", schreibt Illouz, "ist eine intellektuelle Praxis der Ambivalenz." Damit macht sie bestenfalls aus der Not eine Tugend, beantwortet aber auf theoretischer Ebene die dringende Frage nicht, wie eine Kritische Theorie ohne normative Eindeutigkeit funktionieren soll. Und sie lässt auf dem konkreten Untersuchungsfeld offen, auf welchem Weg das "richtige" Bewusstsein (wieder)erlangt werden kann, um die echten von den manipulierten Gefühlen zu unterscheiden.

Wie oft bei Beiträgen im Umfeld der Kritischen Theorie geht die Gesellschaftsanalyse außerdem mit einer gleichzeitigen Unter- und Überschätzung der Bürger einher. Selbst wenn wir uns nur auf bestimmte Weise fühlen, weil der Konsum einer Ware diese Regung in uns hervorbringt, und wir uns damit an der Kommodifizierung der Gefühle beteiligen: Nicht jeder stört sich daran, und den meisten sind "performative" Akte zur Wiedererlangung eines kritischen (Bewusst-)Seins schlichtweg egal. Zugleich wird manchen Bürgern zu wenig zugetraut, wenn angenommen wird, sie könnten zwischen wahrer Authentizität und manipulierter Echtheit nicht selbst unterscheiden.

Doch dass die Gefühlserkundungen dieses interessanten Sammelbandes vor allem im theoretischen Überbau zu Widerspruch und Denkanstrengungen reizen, ist auf dem Feld der kritischen Wissenschaft eher als Kompliment zu sehen. Hier verbinden sich alte Fragen mit neuen Problemen und kreativen Analysen. Auch wenn nicht jeder Beitrag gleichermaßen ausgefeilt ist, ermuntert das Projekt, über einen erweiterten Zugriff kapitalismuskritischer Analysen nachzudenken.

HANNAH BETHKE

Eva Illouz (Hrsg.): "Wa(h)re Gefühle". Authentizität im Konsumkapitalismus. Mit einem Vorwort von Axel Honneth.

Aus dem Englischen von Michael Adrian. Suhrkamp Verlag, Berlin 2018. 332 S., br., 22,- [Euro].

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»Doch dass die Gefühlserkundungen dieses interessanten Sammelbandes vor allem im theoretischen Überbau zu Widerspruch und Denkanstrengungen reizen, ist auf dem Feld der kritischen Wissenschaft eher als Kompliment zu sehen. Hier verbinden sich alte Fragen mit neuen Problemen und kreativen Analysen.« Hannah Bethke Frankfurter Allgemeine Zeitung 20180221