Pauline Staegemann (1838-1909), Sozialdemokratin und Gründerin des ersten Berliner Arbeiterfrauen- und Mädchenvereins, war die Urgroßmutter der ehemaligen Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts Jutta Limbach. Ihre Biografin erzählt, wie sie späteren Frauengenerationen den Weg in Politik und Bildungsinstitutionen ebnete. Die Autorin widmet sich außerdem der Frage, welche Fortschritte das Familienrecht, die Frauenpolitik und die Rechtsgleichheit von Mann und Frau von den 1870er-Jahren bis heute gemacht haben. Das Preußische Vereinsgesetz verbot Frauen zwar jede organisierte politische Tätigkeit. Doch das ehemalige Dienstmädchen Staegemann, Mutter von vier Kindern, ließ sich weder durch Geld- noch Freiheitsstrafen von ihrem Kampf um die politische Macht der Frauen abhalten. Jutta Limbach kommt zu dem Schluss: Heute ist ihr Kampf aktueller denn je, denn weibliche Hausangestellte und gering verdienende Arbeitskräfte, häufig Migrantinnen in ungeklärten Arbeitsverhältnissen, brauchen immer noch Solidarität und den Schutz des Gesetzes.
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Hedwig Richter gefällt Jutta Limbachs Buch immer dann gut, wenn die Autorin sich selbst zurücknimmt und sich der Biografie des tapferen Dienstmädchens Pauline Staegmann widmet, einer frühen Kämpferin für die Rechte der Frau. Leider geschieht das zu selten im Buch, meint Richter. Allzu oft, so warnt uns die Rezensentin, gefällt sich Limbach als Urenkelin Staegmanns darin, moralische, "ahistorische" und laut Richter wenig originelle Kommentare einzustreuen und eigene Reflexionen über Gleichstellung und Vaterpflichten zum besten zu geben.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.08.2016Tapferes Dienstmädchen
Jutta Limbach erinnert an Pauline Staegemann
Das Dienstmädchen Pauline Staegemann gehört zu jenen wichtigen Frauen und Männern, die seit dem letzten Drittel des neunzehnten Jahrhunderts die Welt neu gestalteten. Staegemann gründete Vereine, die sich für eine bessere Bildung der Proletarierinnen einsetzten und für gleiche Löhne kämpften. Sie organisierte Demonstrationen, hielt wortgewaltige Reden, kam ins Gefängnis und fand mit ihren Mitkämpferinnen trotz aller Rückschläge immer wieder Wege, um "unter dem Deckmantel der Weiblichkeit" - so die Polizei - Gesetze gegen die Sozialdemokratie oder gegen Frauen zu umgehen. Selbst die bürgerliche Presse beobachtete den Kampf mit Respekt für die Weiber und sparte nicht mit Spott über die törichte Staatsgewalt.
Von den reformerischen Frauen wissen wir oft nicht einmal Geburtsort oder Geburtsdatum, auch wenn sie Vereine und Zeitschriften gründeten und bekannte Rednerinnen waren. Sie spielen in der deutschen Historiographie häufig keine Rolle, weil viele Geschichtsnarrative des neunzehnten Jahrhunderts auf die Pickelhauben fixiert sind oder auch auf Junker und Kaiser. So wichtig die großen Männer sind: Die weltweiten Reformbewegungen in den Jahrzehnten vor dem Ersten Weltkrieg, in denen sich weite Teile der Bevölkerung auf die eine oder andere Weise beteiligten, prägten das Leben der Menschheit gewiss nachhaltiger als ostelbische Poltergeister oder die vielbeachteten Uniformen des Kaisers.
Denn seit dieser globalen Reformzeit wurde es denkbar, dass die andere Hälfte der Menschheit als gleichberechtigt gilt, aber auch, dass Politik in die Hände der Massen gehört, dass Armut kein Schicksal, sondern ein zu bekämpfendes Übel ist, oder dass Gewalt keine überzeugende Option bietet. Eine Mitkämpferin bezeichnete 1909 in ihrem Nachruf auf Staegemann ihre Zeit als Ära, in der "die Frauenemanzipation glücklicherweise in aller Mund ist". Gewiss hat der Erste Weltkrieg die Hoffnungen zunächst enttäuscht, aber die Veränderung in den Köpfen ließen sich nicht mehr auslöschen, und nach dem Krieg setzte sich das Frauenwahlrecht in vielen westlichen Staaten mit ebenso großer Selbstverständlichkeit durch wie Demokratie.
Die vorliegende Biographie - verfasst von Jutta Limbach, der einstigen Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts und einer Urenkelin Pauline Staegemanns - liest sich immer dann besonders überzeugend, wenn es tatsächlich um die Protagonistin geht. Störend wirken die moralischen Einwürfe und ahistorischen Kommentare der Autorin. Merkwürdigerweise füllt Limbach abschließend rund ein Drittel des kleinen Buches mit Reflexionen über Gleichstellung, Solidarität und Vaterpflichten, die nichts mit der Biographie zu tun haben und leider auch nicht mit Originalität gewürzt sind. Dennoch bleibt zuletzt das Vergnügen am Leben des tapferen Dienstmädchens Staegemann.
HEDWIG RICHTER.
Jutta Limbach: "Wahre Hyänen". Pauline Staegemann und ihr Kampf um die politische Macht der Frauen.
Verlag J. H. W. Dietz Nachf., Bonn 2016. 120 S., br., 18,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Jutta Limbach erinnert an Pauline Staegemann
Das Dienstmädchen Pauline Staegemann gehört zu jenen wichtigen Frauen und Männern, die seit dem letzten Drittel des neunzehnten Jahrhunderts die Welt neu gestalteten. Staegemann gründete Vereine, die sich für eine bessere Bildung der Proletarierinnen einsetzten und für gleiche Löhne kämpften. Sie organisierte Demonstrationen, hielt wortgewaltige Reden, kam ins Gefängnis und fand mit ihren Mitkämpferinnen trotz aller Rückschläge immer wieder Wege, um "unter dem Deckmantel der Weiblichkeit" - so die Polizei - Gesetze gegen die Sozialdemokratie oder gegen Frauen zu umgehen. Selbst die bürgerliche Presse beobachtete den Kampf mit Respekt für die Weiber und sparte nicht mit Spott über die törichte Staatsgewalt.
Von den reformerischen Frauen wissen wir oft nicht einmal Geburtsort oder Geburtsdatum, auch wenn sie Vereine und Zeitschriften gründeten und bekannte Rednerinnen waren. Sie spielen in der deutschen Historiographie häufig keine Rolle, weil viele Geschichtsnarrative des neunzehnten Jahrhunderts auf die Pickelhauben fixiert sind oder auch auf Junker und Kaiser. So wichtig die großen Männer sind: Die weltweiten Reformbewegungen in den Jahrzehnten vor dem Ersten Weltkrieg, in denen sich weite Teile der Bevölkerung auf die eine oder andere Weise beteiligten, prägten das Leben der Menschheit gewiss nachhaltiger als ostelbische Poltergeister oder die vielbeachteten Uniformen des Kaisers.
Denn seit dieser globalen Reformzeit wurde es denkbar, dass die andere Hälfte der Menschheit als gleichberechtigt gilt, aber auch, dass Politik in die Hände der Massen gehört, dass Armut kein Schicksal, sondern ein zu bekämpfendes Übel ist, oder dass Gewalt keine überzeugende Option bietet. Eine Mitkämpferin bezeichnete 1909 in ihrem Nachruf auf Staegemann ihre Zeit als Ära, in der "die Frauenemanzipation glücklicherweise in aller Mund ist". Gewiss hat der Erste Weltkrieg die Hoffnungen zunächst enttäuscht, aber die Veränderung in den Köpfen ließen sich nicht mehr auslöschen, und nach dem Krieg setzte sich das Frauenwahlrecht in vielen westlichen Staaten mit ebenso großer Selbstverständlichkeit durch wie Demokratie.
Die vorliegende Biographie - verfasst von Jutta Limbach, der einstigen Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts und einer Urenkelin Pauline Staegemanns - liest sich immer dann besonders überzeugend, wenn es tatsächlich um die Protagonistin geht. Störend wirken die moralischen Einwürfe und ahistorischen Kommentare der Autorin. Merkwürdigerweise füllt Limbach abschließend rund ein Drittel des kleinen Buches mit Reflexionen über Gleichstellung, Solidarität und Vaterpflichten, die nichts mit der Biographie zu tun haben und leider auch nicht mit Originalität gewürzt sind. Dennoch bleibt zuletzt das Vergnügen am Leben des tapferen Dienstmädchens Staegemann.
HEDWIG RICHTER.
Jutta Limbach: "Wahre Hyänen". Pauline Staegemann und ihr Kampf um die politische Macht der Frauen.
Verlag J. H. W. Dietz Nachf., Bonn 2016. 120 S., br., 18,- [Euro].
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