Kirchengeschichte war im Reformationsjahrhundert ein heftig umkämpfter Schauplatz, auf dem die Deutung und die Absicherung der eigenen Konfession ausgehandelt wurden. Die Magdeburger Zenturien waren der erste Versuch einer Gruppe lutherischer Theologen und Gelehrter, die Geschichte der Lehrentwicklungen von den Zeiten der Urkirche bis zur Gegenwart vollständig festzuhalten. Mittelpunkt der Darstellung waren die dogmatischen Vorstellungen der eigenen Konfessionsgruppe, deren ewige Wahrheit die Geschichte nachweisen sollte. Die Zenturien zielten nicht nur auf die Papstkirche, sondern auch auf abweichende Strömungen im lutherischen Lager. Es wurde ein europaweites Netzwerk von Gelehrten und Mäzenen aufgebaut, um die weitverstreuten Quellen zusammenzutragen und die Arbeit im Team zu finanzieren. Dabei unterlagen die Auswahl der Quellen und ihre Auswertung stets konfessionellen und politischen Intentionen. Zugleich erschlossen die Zenturien aber auch neue Formen kritischer Geschichtsschreibung auf der Grundlage oftmals handschriftlicher Quellen und entwickelten Ansätze von Paläografie, Diplomatik und Kodikologie. Harald Bollbuck untersucht in seiner Studie die Entstehung der Zenturien auf der Basis eines konfessionell radikalen, apokalyptischen und obrigkeitskritischen Denkens. Er rekonstruiert den Aufbau der Arbeitsgruppe und des weitverzweigten, gelehrten Netzwerks und ordnet Methodik und Arbeitstechniken der Zenturien in die zeitgenössische Diskussion ein.