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Die Gedichte des Künstlers Gerhard Altenbourg - eine große Entdeckung.In zahlreichen Werkkatalogen finden sich immer wieder Gedichte des Künstlers Gerhard Altenbourg, die in dieser Ausgabe das erste Mal zusammengestellt werden. Sie ergänzen seine phantastischen und verspielten Bilder und führen sie weiter. In ihnen finden sich Zwiegespräche mit den Elementen, mit dem Wind, dem Wasser und der Landschaft. Es sind Ich-Befragungen, erotische Phantasien, verschlüsselt und kaum auflösbar, fast gebetsartig. Altenbourgs Lyrik hat etwas Spielerisches, handelt von Glück, Zuversicht und Lust.Janus im…mehr

Produktbeschreibung
Die Gedichte des Künstlers Gerhard Altenbourg - eine große Entdeckung.In zahlreichen Werkkatalogen finden sich immer wieder Gedichte des Künstlers Gerhard Altenbourg, die in dieser Ausgabe das erste Mal zusammengestellt werden. Sie ergänzen seine phantastischen und verspielten Bilder und führen sie weiter. In ihnen finden sich Zwiegespräche mit den Elementen, mit dem Wind, dem Wasser und der Landschaft. Es sind Ich-Befragungen, erotische Phantasien, verschlüsselt und kaum auflösbar, fast gebetsartig. Altenbourgs Lyrik hat etwas Spielerisches, handelt von Glück, Zuversicht und Lust.Janus im SteinGeäder des Lichts im Schema einer vorüberhuschenden LustFelsrisse mit Blinkzeichen aus Moos und FarnenGewebe aus Ich und Zeit
Autorenporträt
Gerhard Altenbourg (1926-1989) gehört heute zu den bedeutendsten Künstlerpersönlichkeiten der Nachkriegszeit. Da er sich der offiziellen Kunstpolitik der DDR verweigerte, wurde er bis in die 1980er Jahre in seinem Wirken durch Verbot und Schließung von Ausstellungen behindert.

Wulf Kirsten, 1934-2022, lebte in Weimar. Er war einer der bedeutendsten Lyriker deutscher Sprache.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.12.2019

Bruder Hänfling, im Unkraut verendet
Bilder waren nicht das Einzige, was er schuf: Die Gedichte von Gerhard Altenbourg lassen das Unaussprechliche sprechen und zeigen seine unbekannte Seite

Im Leipziger Museum der bildenden Künste war bis zum 3. November eine Ausstellung zu sehen, die an ästhetischer Originalität und Selbstbestimmtheit vieles in den Schatten stellte, was im Kontext zur Kunst der DDR in letzter Zeit kuratiert und ausgestellt wurde: "Point of No Return - Wende und Umbruch in der ostdeutschen Kunst" (F.A.Z. vom 9. August). Nicht nur, dass hier eine Reihe großartiger Künstler auftauchte, die im gesamtdeutschen Vermarktungsbetrieb entweder schon wieder abgelegt wurden oder gar nicht erst reüssierten, es gab eine solche Stimmungs- und Formenvielfalt zu entdecken, dass alle Vorurteile, in der DDR hätte es nur Affirmation oder Kitsch gegeben, sich wie von selbst erledigten. Denn ein politisch unangepasster und für internationale Tendenzen offen gebliebener Teil der DDR-Kunst hat die Moderne des Westens nicht nur nicht verpasst, sondern auf eigene Weise assimiliert und um ästhetische Positionen erweitert. Das gilt für die Literatur gleichermaßen.

Ein Beispiel dafür ist Gerhard Altenbourg aus Altenburg im Erzgebirge, ein Solitär unter den Malern, in der DDR isoliert und bis in die achtziger Jahre mit Ausstellungsverboten belegt, jenseits der Grenze aber schnell geehrt und hoch gehandelt. Dass Altenbourg ebenso Lyriker war, der in seinen Katalogen, Mal- und Notizbüchern immer auch Gedichte abdruckte, ist weniger bekannt. In den Lyrikanthologien der DDR wie der legendären von Adolf Endler und Karl Mickel, "In diesem besseren Land" (Halle [Saale], 1966), ist er nicht vertreten. Ebenso nicht in der großen Kanonisierung der "Lyrik der DDR" von Ludwig Arnold und Hermann Korte (2009). Das mag Gründe haben, die nicht mehr textimmanent sind und vielleicht auch mit Altenbourgs Zurückgezogenheit erklärt werden können, für die es ein Referenzobjekt gibt: den Fußabstreicher vor seiner Haustür, auf dem zu lesen war: "Ora et labora" (bete und arbeite).

Umso verdienstvoller ist nun die Herausgabe von Altenbourgs Gedichten, die das bildnerische Werk komplettiert und von gleicher Höhe an Abstraktion ist - von der Figur gewendet zur Schrift. Naturgedicht und Landschaftsmalerei ergeben eine Symbiose und zeugen von der tiefen Verbundenheit des Künstlers mit der Landschaft, in der der 1926 Geborene aufwuchs und bis zu seinem tragischen Tod durch einen Unfall 1989 lebte. Die Natur als Körper und Text - das ist der transzendentale Topos, von dem aus sich das lyrische Werk Strophe für Strophe und Zeile für Zeile entfaltet, geordnet in sechs Kapitel, die chronologisch achtzehn Jahre umspannen, 1957 bis 1973. Alle Stilelemente der Moderne, wie sie die Lyrik seit Baudelaire und Mallarmé herausgebildet hat, finden sich in diesen Gedichten wieder - mehr nach innen gesprochen und im Gestus des Monologs statt extrovertiert und akklamatorisch, wie es Gedichte in dieser Zeit ja auch oftmals waren.

Die Leere als einen Signifikanten zu behandeln, der das Unaussprechliche spricht, wie es Mallarmé in seinen mit Sinn aufgeladenen Zwischenräumen und Leerpassagen poetisch fixiert hat, ist für Altenbourg ein immer wieder benutztes Verfahren. Überhaupt sind die Bewegung aller Dinge ins Nichts und das Verstummen am Rande der Sprache die tiefer liegenden Intentionen fast aller Texte; später, von Mitte der sechziger Jahre an, kommt noch Lust am reinen Sprachspiel hinzu und am onomatopoetischen Klang.

Gleich im ersten Gedicht des Bandes - "Der Abreisetag", geschrieben 1957 - spielt ein zu vier Versen gesetztes Syntagma der zweiten Strophe mit einem Schweigen, das die Rede überformt und porös werden lässt, bis sie zerbricht: "Ausserordentlich / Arg / Rom / Kant / Tisch." In diesem weit aufgespannten Assoziationsfeld verliert sich jede Semantik und damit die Gewissheit, über ein Objekt des Sagens - eine Aussage - zu verfügen. Dass sich der Autor damit quer zu den Doktrinen eines sozialistischen Realismus stellte, was immer das auch gewesen sein mag, versteht sich von selbst. Die Form, nicht der Inhalt, greift hier eine Macht an, die genau dagegen keine Abwehr mehr hat, weil sie im Wesenszug ihrer Struktur attackiert wird - und das auch erklärt das Abstraktionsverbot in der Kunst allgemein.

Denn liest man die hermetisch organisierten oder symbolisch überhöhten Gedichte daraufhin, was sie direkt kritisch äußern und wo sie politisch brisant sind, findet sich vordergründig nichts. Der Topos des Krieges dominiert für ein paar frühe Gedichte, die traumatische Szene, in der die Person als Soldat einen Soldaten getötet hat, kehrt lyrisch mit "Bruder Hänfling im Unkraut verendet / Ich habe den Feind getötet" zurück, und in "Sterbehilfe" finden wir die grandios-furchtbare Metonymie vom "Abendschnellzug nach Dachau", die sich einem tief ins Gedächtnis schneidet. Dann übernehmen Flora und Fauna den Raum der Geschichte und stehen wie im Natura-naturans-Gedicht allegorisch für die Risse und Zerwürfnisse der Welt. Allenfalls ein poetisch nicht sehr ergiebiges "Lanin und Stehlin / das siamesische Zwillingspaar", das einen Strophensprung weiter auch noch einen durchaus entbehrlichen "(Orgasmus) am Ende" erlebt, verweist darauf, dass das Imaginäre auch das Politische ist.

Als Äquivalent zum unterdrückten oder verweigerten Inhalt aber finden wir einen Reichtum in der Form, wie ihn die Lyrik der DDR lange nicht zuließ. "Eine Stunde seitwärts ist die Nacht durchlöchert" lässt an den Surrealismus eines Paul Éluard denken, ein "physiologischer Impressionismus" an Gottfried Benn. Lettrismus und Konkrete Poesie im "Moos-Gebiet" - "bemoost behost bemostet" - lesen wir ebenso wie Lautgedichte, die dem isolierten Klang der Zeichen folgen. Die gesamte Tropologie der modernen Lyrik zeichnet sich im Werk Altenbourgs ab und zeugt von einem kulturellen Universalismus, der noch immer durchlässig ist und keine Grenzen kennt.

Eine Zeile aber trifft die Lyrik und die Person des Künstlers im innersten Kern: "Fließend war ich ständig ohne Fluß." Sie ist Metapher für einen Ort, der nicht erreicht werden kann, für ein Bild, das über keinen Rahmen verfügt, für ein Begehren, das niemals gefüllt wird. Dieses sich stets verwandelnde und entfaltende Ich, das sich gegen die Übermacht der Kollektive behauptet, war der größte politische Angriff und aus seiner Zeit heraus tief subversiv. Das nun heißt aber auch, die Gedichte historisch zu lesen und sie vom Standort der Gegenwart her zu entbinden. Andernfalls wären die romantischen Interjektionen wie "ach" und "oh" und das Pathos der Verdunkelung nur noch ironisch zu verstehen.

KURT DRAWERT

Gerhard Altenbourg: "wald minotaurisch". Gedichte.

Mit einem Nachwort von Wulf Kirsten. Wallstein Verlag, Göttingen 2019. 96 S., geb., 16,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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»unikate, entdeckenswerte Literatur« (Michael Ernst, Sächsische Zeitung, 23.12.2019) »ein kleines, feines Abenteuer« (Timo Brandt, www.signaturen-magazin.de, Dezember 2019)