Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.12.1997Saturns Ring-Kämpfer oder: Der Alien, der Sex mit Madonna hatte
Mann: "Dennis Rodman kommt vom Saturn." Frau: "Wenn das so wäre, hat Dennis sich aber verdammt schlecht verkleidet."
(Dialog aus dem Kino-Hit "Men in Black")
*
Ist Dennis Rodman ein Alien? Sicherlich ein Popstar. Er ist permanent "on stage", definiert sich lediglich am Rande über seinen Status als Basketballspieler und Rebound-Champ. Rodman ist tätowiert, gepierct, färbt sich die Haare, trägt gerne Frauenkleider, hängt mit den Rockstars von Pearl Jam ab. Und: Dennis Rodman hatte Sex mit Madonna.
Jetzt ist in Zusammenarbeit mit Michael Silver, Sportjournalist bei der renommierten Sports Illustrated, Rodmans zweites Buch innerhalb kurzer Zeit erschienen. Wenn man so will, ist "Walk On The Wild Side" der theoretische Überbau zum Leben des Popstars Dennis Rodman. Die "wichtigen" Aussagen sind fett gedruckt, es gibt zehn Gebote, Liebestips und Hinweise zum Erreichen des persönlichen Karmas. Dennoch wird das Bedürfnis des nach Sensation lechzenden Lesers nicht wirklich befriedigt. Man erfährt, daß Dennis Rodman sich immer noch nicht vorstellen kann, monogam zu leben, daß er seine Tochter über alles liebt und: offenbar auch keinen Sex mehr mit Madonna hat. Der Rest sind biographische Standards, die für Leser über 14 Jahren unter der Rubrik "Hab' ich schon gehört" abgebucht werden können.
Die deutsche Übersetzung eines/einer (?) gewissen Sky Nonhoff ist grauslich, weil der Originalsound vollkommen verlorengeht. Wer jemals einen synchronisierten Eddie-Murphy-Film gesehen hat, weiß, was gemeint ist. Das Ganze wird mittels schwarzweißer und ästhetisch wie qualitativ schlechter Polaroid-Fotos stilisiert (Dennis auf Motorrad, Dennis im Kraftraum, Dennis in Frauenkleidung, Dennis in . . . ). Konträr dazu verhält sich die Umschlag-Fotomontage, die Dennis von seiner "wilden" Seite zeigt. Nackt und bemalt blickt er den voyeuristisch geneigten Leser auffordernd an: "Nimm mich! So wie ich bin!"
Im Text taucht Basketball nur am Rande auf, und außer seiner notorischen Ablehnung der gesamten National Basketball Association (NBA) erfährt man diesbezüglich lediglich, daß Dennis Rodman ohne Partys in den Play-offs nicht rebounden kann. Drogen sind nicht am Start, will man dem Buch Glauben schenken. Alles eigene Endorphine. Wie im Leben von CSU-Politikern wird König Alkohol von dieser Regel des drogenfreien Körpers ausgenommen: "Ich weiß immer noch genau, was um mich herum passiert, wenn ich betrunken bin, und wenn ich auf einen Schlag wieder nüchtern werden muß - wenn ich von einem Cop angehalten werde oder so -, dann kann ich das auch. Aber auf Drogen ist man völlig von der Rolle." Drogenfrei oder nicht, besetzt Dennis Rodman in der extrem konservativen und leistungs- beziehungsweise marktorientierten amerikanischen Sportgesellschaft den Part des geduldeten Exoten.
Das florierende Wirtschaftsunternehmen NBA bedarf solcher Spieler, die das Produkt Basketball weltweit personifizieren und verkaufen. Insbesondere nachdem die charismatische Spielergeneration um Magic Johnson und Larry Bird in den Ruhestand gegangen ist und die jetzigen Superstars wie Jordan, Pippen oder Malone ihren Leistungszenit bald überschritten haben, benötigt die Profiliga mehr denn je glaubwürdige Identifikationsfiguren. Noch ist die nächste Generation zu unreif, diesen Part zu übernehmen, oder zu sehr durch gewinnbringende Nebenbeschäftigungen beansprucht (Drehen von Musikvideos, PR für Konsumgüter - den ganzen Scheiß halt). Da hilft auch das massive Puschen seitens der Medien nicht.
So ist Dennis Rodman mit seinen mittlerweile auch schon 36 Jahren eine von der NBA dringend benötigte Größe, um ihr Produkt weltweit zu vermarkten. Paradoxerweise ist es gerade die rebellische, exotische Qualität Rodmans, die neben seinen Defense- und Reboundqualitäten zum Endprodukt Rodman führt. Rodman braucht die NBA (noch), und die NBA ihrerseits ist abhängig von verkaufsfördernden Figuren wie dem "authentischen" Rodman. Eine "Authentizität", die beim Rodman-Konsumenten durchaus den Vergleich zum Außerirdischen, zum "Alien", zuläßt. Adjektive wie "wild", "fremd", "exotisch", die im Zusammenhang mit Rodman fallen, unterstützen diese Assoziation.
In der afroamerikanischen Pop-Kultur spielt die Figur des Aliens eine nicht unbedeutende Rolle. So ließ Funk-Ikone George Clinton Raumschiffe auf der Bühne landen ("mothership connection") und benutzt in seinen Texten expressiv alieneskes Vokabular. Der Jazzmusiker Sun Ra gebraucht in Titel und Text außerirdische Metaphorik. Essayisten wie George Tate oder DJ Spooky weisen in ihren Arbeiten darauf hin, daß der Weltraum dem aus seinem "Motherland" verstoßenen, in der Diaspora lebenden Afroamerikaner ein unbesetzt-imaginärer Zufluchtsort sein kann.
Dennis Rodman wird weiterhin "on stage" sein, wahrscheinlich noch acht bis zehn Bücher schreiben, wieder Sex mit Madonna haben und sich schließlich als amtlicher Alien via Hollywood an die "mothership connection" George Clintons andocken. HENNING HARNISCH
(Der Autor ist Basketballnationalspieler und Buchhändler)
Besprochenes Buch: Dennis Rodman (mit Michael Silver): "Walk On The Wild Side", dtv, München, 311 Seiten, 28 Mark.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Mann: "Dennis Rodman kommt vom Saturn." Frau: "Wenn das so wäre, hat Dennis sich aber verdammt schlecht verkleidet."
(Dialog aus dem Kino-Hit "Men in Black")
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Ist Dennis Rodman ein Alien? Sicherlich ein Popstar. Er ist permanent "on stage", definiert sich lediglich am Rande über seinen Status als Basketballspieler und Rebound-Champ. Rodman ist tätowiert, gepierct, färbt sich die Haare, trägt gerne Frauenkleider, hängt mit den Rockstars von Pearl Jam ab. Und: Dennis Rodman hatte Sex mit Madonna.
Jetzt ist in Zusammenarbeit mit Michael Silver, Sportjournalist bei der renommierten Sports Illustrated, Rodmans zweites Buch innerhalb kurzer Zeit erschienen. Wenn man so will, ist "Walk On The Wild Side" der theoretische Überbau zum Leben des Popstars Dennis Rodman. Die "wichtigen" Aussagen sind fett gedruckt, es gibt zehn Gebote, Liebestips und Hinweise zum Erreichen des persönlichen Karmas. Dennoch wird das Bedürfnis des nach Sensation lechzenden Lesers nicht wirklich befriedigt. Man erfährt, daß Dennis Rodman sich immer noch nicht vorstellen kann, monogam zu leben, daß er seine Tochter über alles liebt und: offenbar auch keinen Sex mehr mit Madonna hat. Der Rest sind biographische Standards, die für Leser über 14 Jahren unter der Rubrik "Hab' ich schon gehört" abgebucht werden können.
Die deutsche Übersetzung eines/einer (?) gewissen Sky Nonhoff ist grauslich, weil der Originalsound vollkommen verlorengeht. Wer jemals einen synchronisierten Eddie-Murphy-Film gesehen hat, weiß, was gemeint ist. Das Ganze wird mittels schwarzweißer und ästhetisch wie qualitativ schlechter Polaroid-Fotos stilisiert (Dennis auf Motorrad, Dennis im Kraftraum, Dennis in Frauenkleidung, Dennis in . . . ). Konträr dazu verhält sich die Umschlag-Fotomontage, die Dennis von seiner "wilden" Seite zeigt. Nackt und bemalt blickt er den voyeuristisch geneigten Leser auffordernd an: "Nimm mich! So wie ich bin!"
Im Text taucht Basketball nur am Rande auf, und außer seiner notorischen Ablehnung der gesamten National Basketball Association (NBA) erfährt man diesbezüglich lediglich, daß Dennis Rodman ohne Partys in den Play-offs nicht rebounden kann. Drogen sind nicht am Start, will man dem Buch Glauben schenken. Alles eigene Endorphine. Wie im Leben von CSU-Politikern wird König Alkohol von dieser Regel des drogenfreien Körpers ausgenommen: "Ich weiß immer noch genau, was um mich herum passiert, wenn ich betrunken bin, und wenn ich auf einen Schlag wieder nüchtern werden muß - wenn ich von einem Cop angehalten werde oder so -, dann kann ich das auch. Aber auf Drogen ist man völlig von der Rolle." Drogenfrei oder nicht, besetzt Dennis Rodman in der extrem konservativen und leistungs- beziehungsweise marktorientierten amerikanischen Sportgesellschaft den Part des geduldeten Exoten.
Das florierende Wirtschaftsunternehmen NBA bedarf solcher Spieler, die das Produkt Basketball weltweit personifizieren und verkaufen. Insbesondere nachdem die charismatische Spielergeneration um Magic Johnson und Larry Bird in den Ruhestand gegangen ist und die jetzigen Superstars wie Jordan, Pippen oder Malone ihren Leistungszenit bald überschritten haben, benötigt die Profiliga mehr denn je glaubwürdige Identifikationsfiguren. Noch ist die nächste Generation zu unreif, diesen Part zu übernehmen, oder zu sehr durch gewinnbringende Nebenbeschäftigungen beansprucht (Drehen von Musikvideos, PR für Konsumgüter - den ganzen Scheiß halt). Da hilft auch das massive Puschen seitens der Medien nicht.
So ist Dennis Rodman mit seinen mittlerweile auch schon 36 Jahren eine von der NBA dringend benötigte Größe, um ihr Produkt weltweit zu vermarkten. Paradoxerweise ist es gerade die rebellische, exotische Qualität Rodmans, die neben seinen Defense- und Reboundqualitäten zum Endprodukt Rodman führt. Rodman braucht die NBA (noch), und die NBA ihrerseits ist abhängig von verkaufsfördernden Figuren wie dem "authentischen" Rodman. Eine "Authentizität", die beim Rodman-Konsumenten durchaus den Vergleich zum Außerirdischen, zum "Alien", zuläßt. Adjektive wie "wild", "fremd", "exotisch", die im Zusammenhang mit Rodman fallen, unterstützen diese Assoziation.
In der afroamerikanischen Pop-Kultur spielt die Figur des Aliens eine nicht unbedeutende Rolle. So ließ Funk-Ikone George Clinton Raumschiffe auf der Bühne landen ("mothership connection") und benutzt in seinen Texten expressiv alieneskes Vokabular. Der Jazzmusiker Sun Ra gebraucht in Titel und Text außerirdische Metaphorik. Essayisten wie George Tate oder DJ Spooky weisen in ihren Arbeiten darauf hin, daß der Weltraum dem aus seinem "Motherland" verstoßenen, in der Diaspora lebenden Afroamerikaner ein unbesetzt-imaginärer Zufluchtsort sein kann.
Dennis Rodman wird weiterhin "on stage" sein, wahrscheinlich noch acht bis zehn Bücher schreiben, wieder Sex mit Madonna haben und sich schließlich als amtlicher Alien via Hollywood an die "mothership connection" George Clintons andocken. HENNING HARNISCH
(Der Autor ist Basketballnationalspieler und Buchhändler)
Besprochenes Buch: Dennis Rodman (mit Michael Silver): "Walk On The Wild Side", dtv, München, 311 Seiten, 28 Mark.
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