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"Das erste, was mir nach der Amputation des rechten Beins durch den Kopf ging, hatte mit einem Galgen zu tun. Würde ich mich jetzt aufhängen, dachte ich, so würde ich schief hängen. Etwas mit dem Gleichgewicht wäre nicht in Ordnung. In den Western kriegt man so etwas nie zu sehen. Das sagte ich meiner Frau, gleich nachdem ich aus der Narkose erwacht war." Ein Kriegsversehrter liegt im Krankenhaus. Er ist mit dem Leben davongekommen, der Krieg ist ihm zuwider, und er ahnt, dass er bald auch seiner Frau zuwider sein wird. Denn seine Behinderung wird sie zeitlebens an den Schrecken des Krieges…mehr

Produktbeschreibung
"Das erste, was mir nach der Amputation des rechten Beins durch den Kopf ging, hatte mit einem Galgen zu tun. Würde ich mich jetzt aufhängen, dachte ich, so würde ich schief hängen. Etwas mit dem Gleichgewicht wäre nicht in Ordnung. In den Western kriegt man so etwas nie zu sehen. Das sagte ich meiner Frau, gleich nachdem ich aus der Narkose erwacht war." Ein Kriegsversehrter liegt im Krankenhaus. Er ist mit dem Leben davongekommen, der Krieg ist ihm zuwider, und er ahnt, dass er bald auch seiner Frau zuwider sein wird. Denn seine Behinderung wird sie zeitlebens an den Schrecken des Krieges erinnern. So wie er sich in diesem Augenblick an einen Spaß aus Kindertagen erinnert, an kindliche Grausamkeit gegenüber einem Mitschüler, an eine Mutprobe auf dem nächtlichen Friedhof, der auch ihm damals Todesangst eingejagt hatte. Mit großer erzählerischer Kraft und Präzision schildert Zoran Feric das Tragikomische der menschlichen Existenz. Seine Geschichten trotzen vor Ironie und Sarka smus - ob es um zwei Bestatter geht, die ein bizarres Spiel mit einem autostoppenden Atomphysiker treiben, oder um einen rätselhaften Onkel aus Amerika, der mit einer Mickey-Mouse-Uhr Mädchen in eine gefährliche Falle lockt.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.05.1999

Schwimmen im Salzsee
Falsch gepolt: Zoran Feric baut kleine Lesefallen

Ein Tourist, dem gerade beim Schwarztausch in Prag eine Fünfmilliarden-Marknote aus der deutschen Inflationszeit statt eines tschechischen Hundertkronenscheins untergeschoben wurde, wird vermutlich die Achtung verlieren, die er für die Goldene Stadt bisher gehegt hat, für deren Geschichte, ihren Freiheitsgeist, für Jan Hus oder auch für Jan Palach. Dort, wo der junge Student sich im Januar 1969 verbrannt hatte, auf dem Wenzelsplatz, wurde dem Besucher der alte Schein angedreht, dort, wo sich kein Tscheche des Opfers von Palach mehr zu erinnern schien und wo er, der Fremde, Blumen und eine Kerze zum Gedenken aufgestellt hatte. Doch die entwertete Banknote kauft dem Touristen bald alles, was er will: Speisen, teure Kleidung, eine Violine, die Liebe einer Hure. Und sie, die käufliche Frau, erläutert ihm am nächsten Morgen das Wunder: Der Geldschein war das heimliche Zeichen für die Achtung der Prager, die seine Geste auf dem Wenzelsplatz beobachtet haben, die Blumen und die Kerze; und zum Dank öffneten sie ihm die ganze Stadt.

Was wie eine Variation auf Mark Twains Erzählung von der "Millionen-Pfundnote" begann, wird unter der Feder des Kroaten Zoran Feric zur meisterhaften Allegorie, zu einer Kurzgeschichte von erstaunlicher erzählerischer Kraft und Präzision, ohne Hemmungen vor Kitsch, nur neun Seiten lang. Es ist die stärkste der zehn Erzählungen in Ferics Debütband "Walt Disneys Mausefalle", doch nicht nur sie beweist, was für ein Talent hier schreibt. Über die Vermittlung von Danilo Kis hat er die Essenz von Borges aufgenommen, doch der schwarze Humor von Feric ergänzt die südländische Mystik um einen balkanischen Sarkasmus, der seinesgleichen sucht.

Ob es Bestatter sind, die sich einen Spaß daraus machen, mit ihrem Leichenwagen den Anhaltern einen Streich zu spielen, und dafür am Ende selber in der Grube landen, ob es die kindliche Grausamkeit ist, die Mutproben auf einen Friedhof verlegt, bei denen alsbald die Prüfenden zu den Geprüften werden, oder ob ein Kriegsversehrter darüber nachdenkt, daß er ohne sein amputiertes Bein am Galgen wohl schief hängen würde - immer wird die Skurrilität um einen Schrecken ergänzt, der alle Geschichten von Feric zu Salzseen macht: Unter der funkelnden starren Oberfläche verbergen sie einen Abgrund, der denjenigen jeden Halts beraubt, der einmal eingebrochen ist. Und es gibt keine sichere Wegstrecke durch dieses Buch.

Die Prager Erzählung ist "Legende" betitelt, erzählt wird sie angeblich von einem Wahnsinnigen. Es sind solche Sackgassen, aus denen sich die Geschichten befreien müssen, auf Umwegen, mit Kompassen, die falsch gepolt sind. "Legende" wechselt von einem Satz auf den anderen von der Wahnvision in die Reiseerzählung, und solche Brüche, splitternd und unheilbar, gibt es viele in dem Band. Feric ist ein Künstler der Digression, der Kürzesterzählung in der Kurzerzählung, und wenn eine seiner Figuren Tschechow mit dem Satz zitiert, daß eine am Anfang erwähnte Pistole am Ende auch losgehen müsse, dann ist Feric selbst das beste Gegenbeispiel. Er versammelt ganze Arsenale auf wenigen Seiten - nur um von derjenigen Waffe abzulenken, die dann den Todesstoß führen wird. So ist diese Prosa: heimtückisch, vergiftend und schön wie eine Schlange. Und von einem Übersetzerkollektiv souverän ins Deutsche übertragen. Sie ist ein Genuß. ANDREAS PLATTHAUS

Zoran Feric: "Walt Disneys Mausefalle". Zehn Erzählungen. Aus dem Kroatischen übersetzt von Klaus Detlef Olof und anderen. Folio Verlag, Wien und Bozen 1999. 139 S., geb., 34,- DM.

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