In einer New Yorker Winternacht des Jahres 1949 erspähte der junge Marketing-Student und angehende Fotograf Walter Chandoha eine streunende Katze im Schnee, packte sie in seinen Mantel und nahm sie mit nach Hause. Er konnte damals noch nicht ahnen, dass er gerade der Muse begegnet war, die den weiteren Verlauf seines Lebens bestimmen sollte. Chandoha richtete seine Kamera auf seinen neuen Freund, den er Loco nannte, und war von den Ergebnissen so angetan, dass er begann, Kätzchen aus einem örtlichen Tierheim zu fotografieren. Diese Bilder legten den Grundstein für eine außerordentliche Karriere, die sich schon über sieben Jahrzehnte erstreckt.
Lange vor dem Internet und #catsofinstagram entzückte Chandoha die Öffentlichkeit mit seinen flauschigen Freunden. Von Werbeanzeigen bis Grußkarten, von Puzzles bis Tierfutterverpackungen verknüpften seine Bilder eine echte Zuneigung zu den Geschöpfen, eine starke Arbeitsethik und eine tadellose Technik. Chandohas glamouröse Beleuchtungsweise, die das Fell einer jeden Katze in einem scharfen Relief abbildet, sollte für Generationen die Bildsprache der Tierporträtkunst prägen und auch Meister wie Andy Warhol inspirieren, der sich in seinem eigenen illustrierten Katzenbuch von Chandohas anmutigen Porträts beflügeln ließ.
Cats. Photographs 1942-2018 taucht in das Archiv dieses Künstlers ein, der ein ganzes Genre definiert hat. Mit farbigen Atelier- und Außenaufnahmen, Schwarzweiß-Straßenfotos, Bildern von alten Katzenschauen und mehr ist dieser Band nicht nur eine verdiente Hommage an diese betörenden Kreaturen, sondern auch den kürzlich im Alter von 98 Jahren verstorbenen alten Fotografen, dessen Mitgefühl und Verständnis für Tiere in jedem seiner Bilder zu spüren ist.
Lange vor dem Internet und #catsofinstagram entzückte Chandoha die Öffentlichkeit mit seinen flauschigen Freunden. Von Werbeanzeigen bis Grußkarten, von Puzzles bis Tierfutterverpackungen verknüpften seine Bilder eine echte Zuneigung zu den Geschöpfen, eine starke Arbeitsethik und eine tadellose Technik. Chandohas glamouröse Beleuchtungsweise, die das Fell einer jeden Katze in einem scharfen Relief abbildet, sollte für Generationen die Bildsprache der Tierporträtkunst prägen und auch Meister wie Andy Warhol inspirieren, der sich in seinem eigenen illustrierten Katzenbuch von Chandohas anmutigen Porträts beflügeln ließ.
Cats. Photographs 1942-2018 taucht in das Archiv dieses Künstlers ein, der ein ganzes Genre definiert hat. Mit farbigen Atelier- und Außenaufnahmen, Schwarzweiß-Straßenfotos, Bildern von alten Katzenschauen und mehr ist dieser Band nicht nur eine verdiente Hommage an diese betörenden Kreaturen, sondern auch den kürzlich im Alter von 98 Jahren verstorbenen alten Fotografen, dessen Mitgefühl und Verständnis für Tiere in jedem seiner Bilder zu spüren ist.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.08.2019Von Katzen mit Menschen
Ein Bildband des "Godfather of Cat Photography" Walter Chandoha
Manchmal sieht es so aus, als wollten ganz gewöhnliche Katzen, die doch so gern buckeln, an ihre frühe Verwandte von überzeitlicher Eleganz erinnern, die im alten Ägypten "Bastet" hieß, als Verkörperung der Tochter des Sonnengottes Re. Eine schlanke Kätzin oder auch ein geschmeidiger Kater, da gilt Gendergerechtigkeit, sitzt gerade eben noch in perfekter Anmut, gleichsam in sich ruhend. Doch im nächsten Moment explodieren sie, Randale inbegriffen. Um damit genauso plötzlich wieder aufzuhören und voller Verehrung, das glaubt jedenfalls der staunende Mensch, zu ihm aufzuschauen. Sehr wahrscheinlich wollen sie jetzt aber bloß ihr Futter, als Dank für die Show.
Mehr als 75 Jahre lang hatte Walter Chandoha nicht nur, aber vor allem Katzen fotografiert, als er 2019 im Alter von 98 Jahren starb. Daraus hat er den Lebensunterhalt für sich und seine Familie auf seiner Farm in New Jersey gezogen, zu der mit den Kindern immer Katzen gehörten, die von irgendwoher zuliefen oder aus Tierheimen kamen. Die Essenz seiner mehr als dreißig Bücher findet sich jetzt in "Cats. Photographs 1942-2018".
Katzen und Marketing lief spätestens seit den fünfziger Jahren blendend, vor allem in den Vereinigten Staaten. Zum "Godfather of Cat Photography", wie ihn die "Financial Times" 2017 nannte, machte Chandoha vor allem die Werbeindustrie. Ungezählte seiner Aufnahmen dienten für Futterreklame und überhaupt alles, wofür Katzen als Sympathieträger einsetzbar waren, von Unterwäsche bis zu Schuhen, Hauptsache, die Herzen der amerikanischen Käufer anrührend. Den heutigen Katzenwahn in den sozialen Medien konnte Chandoha erst spät in seinem Leben kennenlernen. Tatsächlich war er ein ausgebildeter und hervorragender Fotograf, der sich mit seiner analogen Kamera die komplexe Lichtregie bei den Alten Meistern der Kunst abgeschaut hatte. Das ist der klassischen Porträtfotografie vergleichbar. Er brauchte den richtigen Augenblick, das scharfe Licht von hinten für das sprühende Fell, für die bis in die Spitzen vibrierenden Schnurrhaare.
Davor war Chandoha im Zweiten Weltkrieg erst Presse-, dann Kriegsfotograf im Pazifik. Nach dem Krieg machte er einen Abschluss für Wirtschaft in New York. Dort soll er auf dem Heimweg ein frierendes Kätzchen im Schnee gefunden und seiner Frau Maria in die Wohnung mitgebracht haben. Deshalb stand am Beginn seiner erstaunlichen Karriere der Kater Loco - was so viel wie "verrückt" heißt -, den er fotografierte. Aber es ist ein Irrtum zu denken, Katzen würden von sich aus vor dem Fotoapparat parieren, der Mensch muss da schon sehr viele Faxen machen. Chandohas Frau übernahm das später, damit so eine Katze sich bequemt zu reagieren; es sei denn, es wäre ihr gerade danach.
Das lässt sich in dem Band sehen, mit seinen sorgfältig reproduzierten Fotografien. In einem kitschresistenten Essay verweist Susan Michals auf Künstler, die Chandohas Vorbilder sind. Da ist der französische Maler, Graphiker und Illustrator Théophile Alexandre Steinlen - von dem übrigens das berühmte Art-nouveau-Plakat für den Pariser Nachtclub "Le chat noir" stammt - oder der in Japan geborene Maler Tsuguharu Foujita mit seinen vielbegehrten Katzen-Hommagen. Von Andy Warhol heißt es, dass er Chandohas erstes Buch "All Kinds of Cats" aus dem Jahr 1952 für seine Katzenillustrationen zwei Jahre später benutzt haben soll.
Kätzchen sind immer niedlich, das Kindchenschema greift unausweichlich. Das wusste Walter Chandoha natürlich. Wirklich eindrucksvoll aber sind seine Bilder von erwachsenen, sich selbst überlassenen Tieren, meist sind es Schwarzweißfotografien. Mit ihnen hat er sich oft in den Straßen oder im Gelände seiner Farm auf Augenhöhe begeben, dabei selbst mit seiner Kamera am Boden kauernd. Es sind die strays, die Streuner und Alleingänger in den Städten, die ihre scheue Würde behalten, oder auch die vom Menschen beschützten und ernährten Katzen, die dennoch auf ihrer Eigenständigkeit beharren.
Dass sie, sind ihre sprichwörtliche Neugier und ihr Spieltrieb erst einmal geweckt, keineswegs eingefleischte Einzelgänger sind, wird genauso sichtbar. Dann sind Katzen Gefährten, gern auch anderer Tiere, freilich nie ergeben. Wie gesellig sie sein können, zeigt Chandohas vielleicht berühmtestes Foto, das seit 1961 bis heute um die Welt geht auf Postkarten und Kalendern: Er hat das Bild "The Mob" genannt, eine gemischte Fünfer-"Bande" ist ihm da auf der Straße, dicht beieinander, hinterhergelaufen. Vereint offenbar in einem gemeinsamen Interesse, vielleicht am Fressen, vielleicht aber auch aus Zuneigung. Es ist mit den Katzen wie mit den Menschen.
ROSE-MARIA GROPP
Walter Chandoha: "Cats". Photographs 1942-2018.
Taschen Verlag, Köln 2019. 304 S., Abb., geb., 40,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Ein Bildband des "Godfather of Cat Photography" Walter Chandoha
Manchmal sieht es so aus, als wollten ganz gewöhnliche Katzen, die doch so gern buckeln, an ihre frühe Verwandte von überzeitlicher Eleganz erinnern, die im alten Ägypten "Bastet" hieß, als Verkörperung der Tochter des Sonnengottes Re. Eine schlanke Kätzin oder auch ein geschmeidiger Kater, da gilt Gendergerechtigkeit, sitzt gerade eben noch in perfekter Anmut, gleichsam in sich ruhend. Doch im nächsten Moment explodieren sie, Randale inbegriffen. Um damit genauso plötzlich wieder aufzuhören und voller Verehrung, das glaubt jedenfalls der staunende Mensch, zu ihm aufzuschauen. Sehr wahrscheinlich wollen sie jetzt aber bloß ihr Futter, als Dank für die Show.
Mehr als 75 Jahre lang hatte Walter Chandoha nicht nur, aber vor allem Katzen fotografiert, als er 2019 im Alter von 98 Jahren starb. Daraus hat er den Lebensunterhalt für sich und seine Familie auf seiner Farm in New Jersey gezogen, zu der mit den Kindern immer Katzen gehörten, die von irgendwoher zuliefen oder aus Tierheimen kamen. Die Essenz seiner mehr als dreißig Bücher findet sich jetzt in "Cats. Photographs 1942-2018".
Katzen und Marketing lief spätestens seit den fünfziger Jahren blendend, vor allem in den Vereinigten Staaten. Zum "Godfather of Cat Photography", wie ihn die "Financial Times" 2017 nannte, machte Chandoha vor allem die Werbeindustrie. Ungezählte seiner Aufnahmen dienten für Futterreklame und überhaupt alles, wofür Katzen als Sympathieträger einsetzbar waren, von Unterwäsche bis zu Schuhen, Hauptsache, die Herzen der amerikanischen Käufer anrührend. Den heutigen Katzenwahn in den sozialen Medien konnte Chandoha erst spät in seinem Leben kennenlernen. Tatsächlich war er ein ausgebildeter und hervorragender Fotograf, der sich mit seiner analogen Kamera die komplexe Lichtregie bei den Alten Meistern der Kunst abgeschaut hatte. Das ist der klassischen Porträtfotografie vergleichbar. Er brauchte den richtigen Augenblick, das scharfe Licht von hinten für das sprühende Fell, für die bis in die Spitzen vibrierenden Schnurrhaare.
Davor war Chandoha im Zweiten Weltkrieg erst Presse-, dann Kriegsfotograf im Pazifik. Nach dem Krieg machte er einen Abschluss für Wirtschaft in New York. Dort soll er auf dem Heimweg ein frierendes Kätzchen im Schnee gefunden und seiner Frau Maria in die Wohnung mitgebracht haben. Deshalb stand am Beginn seiner erstaunlichen Karriere der Kater Loco - was so viel wie "verrückt" heißt -, den er fotografierte. Aber es ist ein Irrtum zu denken, Katzen würden von sich aus vor dem Fotoapparat parieren, der Mensch muss da schon sehr viele Faxen machen. Chandohas Frau übernahm das später, damit so eine Katze sich bequemt zu reagieren; es sei denn, es wäre ihr gerade danach.
Das lässt sich in dem Band sehen, mit seinen sorgfältig reproduzierten Fotografien. In einem kitschresistenten Essay verweist Susan Michals auf Künstler, die Chandohas Vorbilder sind. Da ist der französische Maler, Graphiker und Illustrator Théophile Alexandre Steinlen - von dem übrigens das berühmte Art-nouveau-Plakat für den Pariser Nachtclub "Le chat noir" stammt - oder der in Japan geborene Maler Tsuguharu Foujita mit seinen vielbegehrten Katzen-Hommagen. Von Andy Warhol heißt es, dass er Chandohas erstes Buch "All Kinds of Cats" aus dem Jahr 1952 für seine Katzenillustrationen zwei Jahre später benutzt haben soll.
Kätzchen sind immer niedlich, das Kindchenschema greift unausweichlich. Das wusste Walter Chandoha natürlich. Wirklich eindrucksvoll aber sind seine Bilder von erwachsenen, sich selbst überlassenen Tieren, meist sind es Schwarzweißfotografien. Mit ihnen hat er sich oft in den Straßen oder im Gelände seiner Farm auf Augenhöhe begeben, dabei selbst mit seiner Kamera am Boden kauernd. Es sind die strays, die Streuner und Alleingänger in den Städten, die ihre scheue Würde behalten, oder auch die vom Menschen beschützten und ernährten Katzen, die dennoch auf ihrer Eigenständigkeit beharren.
Dass sie, sind ihre sprichwörtliche Neugier und ihr Spieltrieb erst einmal geweckt, keineswegs eingefleischte Einzelgänger sind, wird genauso sichtbar. Dann sind Katzen Gefährten, gern auch anderer Tiere, freilich nie ergeben. Wie gesellig sie sein können, zeigt Chandohas vielleicht berühmtestes Foto, das seit 1961 bis heute um die Welt geht auf Postkarten und Kalendern: Er hat das Bild "The Mob" genannt, eine gemischte Fünfer-"Bande" ist ihm da auf der Straße, dicht beieinander, hinterhergelaufen. Vereint offenbar in einem gemeinsamen Interesse, vielleicht am Fressen, vielleicht aber auch aus Zuneigung. Es ist mit den Katzen wie mit den Menschen.
ROSE-MARIA GROPP
Walter Chandoha: "Cats". Photographs 1942-2018.
Taschen Verlag, Köln 2019. 304 S., Abb., geb., 40,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Der TASCHEN Verlag widmet dem US-Fotografen einen Prachtband, der vom ersten Bild an die Überlegenheit von Chandoha über jeden Amateur belegt." Süddeutsche Zeitung